Prozess:Frau bricht sich am Bahnsteig ein Bein - und will Schadenersatz

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Der Unfall passierte am Bahnhof Siemenswerke. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Weil sie nach einem Unfall am Bahnsteig vor dreieinhalb Jahren ihren Job verlor, fordert die Klägerin Geld von der Bayerischen Oberlandbahn - doch sie braucht Geduld.

Von Stephan Handel

Länger als drei Jahre hat Monika J. auf ihren Prozess gewartet, dann, als der Tag endlich gekommen war, noch einmal eine halbe Stunde vor dem Gerichtssaal im Justizpalast, weil die vorhergehende Sache nicht zu Ende gehen wollte - und dann ist nachgut zehn Minuten alles vorbei. Ihr Bein schmerzt immer noch, aber nun wird es bis Ende August dauern, bis sie erfährt, wie es weitergeht. Ob jemand zahlen muss für den Schaden, den sie erlitten hat am 12. Januar 2017.

An diesem Abend wollte Monika J. von ihrer Arbeitsstelle, einer Apotheke in Obersendling, heimfahren nach Waakirchen, wo sie wohnt. Am Bahnhof Siemenswerke war schon ziemliches Gedränge, als die Bayerische Oberlandbahn (BOB) einfuhr. Monika J. aber hatte Glück, eine Waggontür hielt genau vor ihrer Nase. Nun jedoch begannen die Fahrgäste hinter ihr zu schieben und brachten Monika J., nicht gerade groß gewachsen, aus dem Gleichgewicht. Ihr linkes Bein geriet in den Spalt zwischen Trittbrett und Bahnsteigkante. Hilfreiche Hände zogen sie heraus, sie humpelte in den Waggon, und weil alle Plätze voll waren, setzte sie sich auf eine Treppe.

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Das war offensichtlich keine gute Idee: Während der Fahrt kollabierte sie, daraufhin verständigte der Zugführer den Rettungsdienst. Am Bahnhof Holzkirchen übernahm der sie und brachte sie ins Krankenhaus nach Bad Tölz. Dort stellte sich heraus, dass das Bein gebrochen war - so kompliziert, dass die Tölzer Ärzte sie zu den Spezialisten in die Unfallklinik Murnau überwiesen.

Zwei Wochen Krankenhaus, fünf Wochen Reha - das war aber noch längst nicht alles: Monika J. verlor ihren Arbeitsplatz, weil es ihr unmöglich ist, den ganzen Tag zu stehen. Und welche Langzeit- und Folgeschäden die Verletzung haben wird, das kann ihr niemand sagen. Deshalb verklagte sie die BOB auf Schmerzensgeld und Schadenersatz - 12 000 Euro für das kaputte Bein, den entgangenen Lohn wegen des Arbeitsplatzverlustes, außerdem die Feststellung, dass das Unternehmen auch für künftige Schäden aufkommen müsse. Denn an dem Waggon habe das Gitter gefehlt, das den verhängnisvollen Spalt bedecken sollte. Die BOB bestreitet das und meint, die Klägerin habe es an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen lassen.

Im ersten Termin am Donnerstag vor dem Landgericht versuchte Richter Günter Prechtel zunächst, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, wie es das Gesetz verlangt. Da fand er aber keinen Freund in BOB-Anwalt Alexander Seitz: Seine Mandanten hätten ihn nicht beauftragt, einen Vergleich auszuhandeln, verkündete er. Dann solle er doch mal telefonieren gehen, fand Monika J.s Anwalt Alexander Hagn. Worauf wiederum Seitz, zum Richter gewandt, meinte: Er würde doch gerne erst einmal dessen Rechtsauffassung hören. Da kam er aber bei Prechtel an den Richtigen: Er werde auf gar keinen Fall seine Rechtsauffassung darlegen - erstens habe er momentan noch keine, denn die Darstellungen der beiden Parteien gehen ja fundamental auseinander.

Und außerdem: "Wenn ich jetzt sage, dass ich der einen Seite mehr Chancen gebe als der anderen, dann wird die sich wohl kaum mehr vergleichen wollen." Das sei ja das Wesen eines Vergleichs: Die Unsicherheit eines Urteils dadurch auszugleichen, dass am Ende jeder ein bisschen gewinnt und ein bisschen verliert. Das wollte aber keiner der Anwälte - nun wird Prechtel am 27. August eine Entscheidung verkünden, voraussichtlich eine darüber, welche Beweise erhoben werden müssen. Das ist das Ergebnis der ersten Verhandlung nach dreieinhalb Jahren Wartezeit.

© SZ vom 07.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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