Stadtplanung:Rathausbündnis treibt ökologische Wende voran

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Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen ihre Aktivitäten bei Sanierung und Neubau in den nächsten Jahren deutlich verstärken - und dabei auf Klimaverträglichkeit und Bezahlbarkeit achten. Ein Projekt realisiert die GWG derzeit an der Kämpferstraße in der Siedlung Harthof im Norden Münchens. Simulation: Goldbeck GmbH (Foto: N/A)

Die Grünen wollen für städtische Häuser "klare Mindeststandards" setzen. Neue Gebäude sollen etwa durch Photovoltaik mindestens so viel Energie produzieren, wie sie verbrauchen.

Von Heiner Effern und Sebastian Krass

Neue, energiesparende Häuser und eine schnelle Sanierung und Dämmung von Altbauten sollen die ökologische Wende in München vorantreiben. Mit drei entsprechenden Grundsatzanträgen und einem flankierenden Beschluss im Planungsausschuss will die Koalition knapp eineinhalb Jahre nach ihrem Start ein entscheidendes, neues Kapitel beim Einsparen von Treibhausgasen aufschlagen.

Die Grünen werden laut Fraktionsvize Dominik Krause einen Großteil ihres jährlichen Klimabudgets von 100 Millionen Euro pro Jahr dafür investieren. München könne nur bis 2035 klimaneutral werden, "wenn wir neue Gebäude möglichst energieeffizient bauen, sie mit erneuerbaren Energien versorgen und die Gebäudesanierungen mit viel Kraft vorantreiben", sagte Krause. Deshalb müssten für städtische Häuser "klare Mindeststandards" gelten.

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Öffentliche Neubauten wie zum Beispiel Schulen soll die Stadt künftig im Null- oder Plusenergiehaus-Standard bauen. Das heißt, dass ein Gebäude nicht mehr Energie verbrauchen darf, als es zum Beispiel durch Sonnenenergie auf dem Dach produziert. Oder dass im noch besseren Fall sogar selbst erzeugter Strom übrig bleibt und eingespeist werden kann.

Auch für schon laufende Projekte sollen die Vorgaben geprüft werden. Dazu wollen die Grünen gerade auch bei der Dämmung von Altbauten vorankommen. "Den Bestand zu sanieren, ist eine Mammutaufgabe, doch hier schlummern riesige CO2- Einsparpotenziale", sagte Fraktionschefin Anna Hanusch. Die städtischen Wohnungsgesellschaften Gewofag und GWG sollen mit gutem Beispiel vorangehen und die Sanierungsquote ihrer Gebäude auf vier Prozent erhöhen. Die Verwaltung soll zudem prüfen, ob diese Zahl reicht, um 2035 klimaneutral zu werden und eine entsprechende Förderung von großen, preisgebundenen Wohnungsbeständen untersuchen.

Die SPD teilt diese Ziele und verspricht in Person von Fraktionschef Christian Müller, dass "wir genau darauf achten, dass keine neuen Mehrbelastungen für die Mieterinnen und Mieter entstehen". Für die Sozialdemokraten darf beim Wohnen der Fokus nicht nur auf dem Energiesparen liegen, sie forcieren auch eine höhere Neubauquote der Stadt, um den Markt zu entlasten. Die Koalition will künftig pro Jahr 4000 neue Wohnungen in München errichtet haben, bei denen zahlbare Mieten erreicht werden. 2000 davon sollen GWG und Gewofag bauen, die andere Hälfte sollen Genossenschaften und private Unternehmer beitragen. GWG und Gewofag allerdings haben in den vergangen vier Jahren nur einmal ihr bisheriges Ziel von 1250 Wohnungen erreicht.

Die Koalition veröffentlichte ihr Antragspaket zum Wohnungsbau am selben Tag, an dem sich auch der Planungsausschuss des Stadtrats mit dem Thema befasste. Anlass war eine fast 100-seitige Beschlussvorlage, in der Stadtbaurätin Elisabeth Merk darstellt, was die Stadtplanung zum Ziel der Klimaneutralität bis 2035 beisteuern kann. Das zentrale Instrument soll ein sogenannter "Klimafahrplan" für alle künftigen städtebaulichen Planungen werden. Dieser soll auch gelten, wenn mit einem Bebauungsplan neues Baurecht geschaffen wird. Konzepte für Energie, Mobilität und Stadtklima sollen dabei verpflichtend sein, ebenso Photovoltaik-Anlagen.

Opposition kritisiert, der Plan koste "richtig viel Geld"

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Hanusch wies in der Debatte darauf hin, dass künftig schon vor städtebaulichen Wettbewerben für Quartiere "frühzeitig Grenzen" aufzuzeigen seien, wo Baukörper ein Stück zurückrücken müssten, "um Grünzüge und die Artenvielfalt zu erhalten". Wenn man mit der Klimaprüfung erst danach anfange, sei das nur noch mit großem Aufwand zu berücksichtigen. Ein Beispiel, das Hanusch nicht explizit nannte, das aber zu ihrer Argumentation passt, ist das Eggarten-Quartier im Münchner Norden. Dort sollen bis zu 2000 Wohnungen entstehen, die Turnhalle für den Schulcampus allerdings ist mitten in einem bis zu 235 Meter breiten unbebauten Streifen vorgesehen, der als Kaltluftschneise dienen soll.

Der für Neubauten der städtischen Wohnungsgesellschaften künftig vorgesehene Energiestandard 40 könne nur eine Mindestnorm sein, "weil wir der Meinung sind, dass er zu kurz greift", erklärte Stadtrat Müller. So gehe es dabei etwa nicht um die Kälteversorgung, "die inzwischen im Sommer auch bei uns ein großes Thema ist". Er betonte zudem, "dass wir uns auch weiter Gedanken machen müssen, wie der Wohnungsbau bezahlbar bleiben kann. Wir brauchen möglichst wenig Materialverbrauch und möglichst lange Lebenszyklen von Häusern." Da verlange er noch einiges an Innovation von der Bauwirtschaft.

Scharfe Kritik kam aus der Opposition. Jörg Hoffmann, Fraktionsvorsitzender von FDP/Bayernpartei, betonte zwar, er teile die Ziele der Vorlage, im "Riesensektor" Wohnungsbau zur Klimaneutralität beizutragen. Er warf Grün-Rot aber Unehrlichkeit vor: "Diese Vorlage kostet richtig viel Geld, und zwar die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die privaten Investoren", sagte Hoffmann. "Wie passt das zusammen mit der städtischen Mietenpolitik, insbesondere dem fünfjährigen Mietenmoratorium bei GWG und Gewofag, das Oberbürgermeister Reiter vor der Kommunalwahl als Geschenk verteilt hat?" Die Klimaschutzpolitik im Wohnungssektor müsse "von allen, auch von den Nutzerinnen und Nutzern bezahlt werden".

Heike Kainz (CSU) kritisierte, dass die neuen Vorgaben die Planungszeiten von Bauprojekten noch mehr verlängern würden, "mit der Folge, dass die Fertigstellungszahlen nicht steigen, sondern sinken werden. Wir glauben auch, dass die Ziele in Ordnung sind, aber in diesem Ausmaß wird es aus unserer Sicht nicht funktionieren." Brigitte Wolf von der Linken monierte, dass es in der Debatte viel um den Neubau gehe, viel wichtiger aber wären möglichst viele Sanierungen im Bestand. Um das voranzutreiben, gebe es aber zu wenig Personal. Bei diesem Punkte sprang ihr Alexander Reissl (CSU) zur Seite, man werde etwa bei GWG und Gewofag die nötigen Sanierungen bis 2035 nicht schaffen, "auch nicht, wenn man sechs oder acht Prozent Sanierungsquote festlegt - weil die Kohle nicht da ist".

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betonte, dass es "Mischfinanzierungen" mit Fördergeldern von Bund und Land geben müsse. Aber es sei zu leicht, nur mit dem Finger dorthin zu zeigen. Die Stadt werde auch bei den "Planungsgewinnen" von privaten Investoren mehr abschöpfen müssen. "Und es wird eine dritte Säule geben: Gelder aus dem städtischen Haushalt, das Ganze nennt sich Wohnungspolitik."

© SZ vom 07.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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