Schauplatz:Propagandaverlag

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(Foto: Stephan Rumpf)

Ein Gebäude im Lehel stand im Mittelpunkt der Propaganda-Maschinerie der Nazis

Von Jakob Wetzel

Das Gebäude an der Thierschstraße Ecke Liebherrstraße ist heute ein Haus der Kultur: Wenn nicht gerade wegen des Coronavirus geschlossen ist, gibt es dort Musikalien zu kaufen, in einem der oberen Stockwerke residiert zudem die russische Tolstoi-Bibliothek. Einst aber hatte hier der Franz-Eher-Verlag seinen Sitz: Das Gebäude im Lehel stand im Mittelpunkt der Propaganda-Maschinerie der Nazis.

Der Eher-Verlag, der Zentralverlag der NSDAP, gab verschiedene nationalsozialistische Zeitungen, Zeitschriften und Bücher heraus, allen voran Hitlers "Mein Kampf" und das Hetzblatt Völkischer Beobachter. Diese Zeitung, 1887 als Münchener Beobachter gegründet, war 1918 von der antisemitischen Thule-Gesellschaft übernommen worden. 1920 kaufte die NSDAP Verlag und Zeitung. Den Preis von etwa 115 000 Mark bezahlte die noch unbedeutende Partei mit Hilfe reicher Gönner. Redaktion und Druckerei der Zeitung waren in der Schellingstraße 41 untergebracht; schräg gegenüber, im Haus mit der Nummer 50, befanden sich von 1925 bis 1930 die Büros der NSDAP.

Der Völkische Beobachter war das zentrale Propaganda-Blatt der Partei und des Regimes. Im Krieg erreichte er eine Millionen-Auflage - doch er war nicht alleine. Mit mehreren Tochtergesellschaften kontrollierte der Eher-Verlag das Gros der deutschen Presse. Verlagschef Max Amann, der auch die Nazi-Berufsorganisation der Presse sowie den Verband der Zeitungsverleger anführte, erklärte bereits 1937, dass 54 Prozent der deutschen Presse der NSDAP gehörten oder von der Partei abhängig seien.

Konkurrenz-Zeitungen hatten die Nazis zuvor von der SA terrorisieren lassen oder gleich verboten. Die Münchner Neuesten Nachrichten (MNN) etwa, das Vorgängerblatt der SZ, wurde erst von Heinrich Himmlers Politischer Polizei kontrolliert; 1935 kaufte dann der Eher-Verlag den Knorr & Hirth-Verlag, in dem die MNN erschienen. Inhaltlich unterschied sich die Berichterstattung fortan kaum von der des Völkischen Beobachters. Dessen letzte Ausgabe wurde am 30. April gedruckt, an dem Tag, an dem die Amerikaner in München einmarschierten. Sie wurde nicht mehr ausgeliefert.

Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft fiel der Eher-Verlag an den bayerischen Staat, der ihn abwickelte. Der Zentralverlag der Nazis wurde 1952 aus dem Handelsregister gelöscht.

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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