Rechtsextremismus in München:Neonazi-Gruppierung im Visier der Ermittler

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Die neue rechtsextremistische Gruppierung "Neue Stärke Partei" ist ins Visier der Ermittler in Baden-Württemberg und Bayern geraten. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Sicherheitsbehörden lassen wegen Terrorverdachts auch eine Wohnung in München durchsuchen. Die Razzia richtet sich offenbar gegen mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen "Neue Stärke Partei" - vor allem ein Mann aus Neuperlach fällt immer wieder auf.

Von Martin Bernstein

Haben Neonazis eine "schwere staatsgefährdende Straftat" geplant - einen Terroranschlag, ausgeführt mit Waffen aus Osteuropa? Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg geht diesem Verdacht nach und hat am Dienstag mehrere Wohnungen durchsuchen lassen, eine davon in München. Die Razzia richtete sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und Recherchen der Süddeutschen Zeitung gegen mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen "Neue Stärke Partei" (NSP). In München ist Sicherheitsbehörden und Rechtsextremismus-Experten in den vergangenen Monaten ein Aktivist der Neonazi-Gruppierung besonders aufgefallen. Der 23-Jährige soll auch jetzt im Visier der Stuttgarter Ermittler sein.

Die NSP wird in Bayern wie im benachbarten Bundesland vom Verfassungsschutz beobachtet. Etwa zehn Aktivisten soll die Gruppierung in Bayern zählen - vor allem ein junger Mann aus dem Münchner Stadtteil Neuperlach fällt immer wieder auf. Offenbar, so wird in Sicherheitskreisen vermutet, will er sich in der rechten Szene einen Namen machen. Nachdem er Anfang Juni am Jahrestag eines Anschlags auf die Ulmer Synagoge mit Gesinnungsgenossen ein rassistisches Banner und ein Neonazi-Symbol vor dem jüdischen Gotteshaus gezeigt und dazu rechtsextreme Musik gespielt haben soll, ermittelt die Ulmer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

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Der 23-Jährige erschien nach Angaben der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus (Firm) erstmals im Frühjahr in München mit dem Logo seiner Gruppierung, einem Schwert im Ährenkranz, auf einer Kundgebung der Querdenker-Szene ("München steht auf"). Wenig später warb die NSP mit Flyern und Aufklebern für einen Neonazi-Aufmarsch in Erfurt, an dem der Münchner zusammen mit Gesinnungsgenossen aus Baden-Württemberg teilnahm. Am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung vom NS-Terror, platzierten NSP-Mitglieder eine Kerze am Kriegerdenkmal vor der Münchner Staatskanzlei und erklärten auf Telegram: "Wir feiern nicht!". Am 11. Juli entrollten vier NSP-Aktivisten ein Transparent in Neuperlach.

Gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat

Die NSP wurde in Erfurt gegründet und hat sich vor zwei Jahren von der auch in München aktiven Neonazi-Gruppe "Dritter Weg" abgespalten. In der Bewertung der NSP sind sich Antifa-Gruppen und Sicherheitsbehörden erstaunlich einig: Die einen verspotten die "Neue Stärke" als "Neonaziresterampe", für die anderen ist sie ein Zusammenschluss von Rechtsextremisten, die bei anderen Gruppierungen der Szene nicht landen konnten. Gut möglich, dass die jetzt von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und dem baden-württembergischen Landeskriminalamt verfolgten mutmaßlichen Straftaten der Profilierung der neu gegründeten süddeutschen NSP-"Abteilungen" dienen sollten. "Inwiefern es der NSP gelingt, sich neben dem ,III. Weg' beziehungsweise in Konkurrenz zu diesem dauerhaft in Bayern zu etablieren, bleibt abzuwarten", heißt es beim bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Die NSP propagiere "eindeutig rechtsextremistische und neonazistische Ziele und Narrative", die sich gegen die Menschenwürde, gegen Demokratie und Rechtsstaat richteten.

Bei der Hausdurchsuchung in München, an der Beamte des bayerischen Landeskriminalamts beteiligt waren, wurden Nazi-Devotionalien und Datenträger beschlagnahmt. Festnahmen gab es nicht. Insgesamt wurden sieben Objekte durchsucht - außer in München auch in Stuttgart, Mannheim, im Enzkreis und im Kreis Ludwigsburg. Die Ermittlungen richten sich gegen fünf Beschuldigte im Alter von 19 bis 23 Jahren.

Die Nachfrage, ob es sich bei den Verdächtigen um Kader der NSP handelt, ließ ein Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft "im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen" offen. Er bestätigte jedoch: "Den Beschuldigten wird vorgeworfen, als Ableger einer rechtsextremistischen Gruppierung Waffen in Osteuropa erwerben zu wollen." Laut einem Bericht des Südwestrundfunks (SWR) hätten sich die Rechtsextremisten durch den Kauf von Waffen auf den "Tag X" vorbereiten wollen.

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