Neue Ausstellung in München:Hier sind Skelette nicht zum Gruseln - sondern zum Staunen

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Fang den Ball! Das Skelett ermöglicht der Katze eine große Beweglichkeit. (Foto: Catherina Hess)

Von der Spitzmaus bis zum Nilpferd: Die neue Schau des Museums Mensch und Natur dreht sich um Knochen und was man aus ihnen lernen kann. Zum Beispiel, warum Sport im Alter so wichtig ist.

Von Martina Scherf

Ein dunkler Raum voller wundersamer weißer Objekte - der erste Eindruck in der neuen Sonderausstellung des Museums Mensch und Natur ist der einer Kunstschau. Tatsächlich sind es Wunderwerke der Natur, die hier präsentiert werden: Skelette, von der winzigen Etruskerspitzmaus bis zum mächtigen Nilpferd, vom Fächerfisch über die Klapperschlange bis zur Schleiereule.

In der Kunst sind Knochen und Schädel Symbole des Todes. Hier zeugen sie von der schier unendlichen Vielfalt des Lebens auf der Erde. An keinem anderen Objekt lässt sich die Evolution so plastisch studieren. Aber die Ausstellung bietet noch viel mehr Anreize - vom Flugzeugteil, das nach dem Vorbild der Natur konstruiert wurde, bis zur Frage, warum Sport im Alter so wichtig ist.

Laufen, klettern, springen, schwimmen - das können Mensch und Tier nur dank ihrer beweglichen Knochen. Und auch wenn sich die Skelette von Säugetieren, Fischen und Vögeln ähneln, weil alle auf den gleichen Ursprung in der Evolution zurückgehen, so sind es doch ihre spezifischen Eigenarten, die jede einzelne Gattung zu ihren Leistungen befähigen.

Da ist der Katzenbuckel, extrem beweglich, auch bei Stürzen bricht so leicht kein Knochen. Die Eule kann ihren Kopf fast um 360 Grad drehen. Oder das Faultier: Dank seiner verschränkten Knochen hängt es ohne Kraftanstrengung stundenlang im Baum. Die Wanderratte, vom Menschen über die ganze Welt verbreitet, balanciert auf jedem Untergrund. Die Giraffe kann dank ihrer extrem langen Wirbel aus Baumkronen fressen. Der Wal hingegen darf keinen langen Hals haben, den würde er sich im Wasserdruck nur verrenken.

Katzen in Aktion: Die Wirbel sind extrem biegsam, ein Vorteil beim Buckeln oder Spielen. (Foto: Catherina Hess)
Das Faultier hängt ohne Kraftanstrengung im Baum. (Foto: Catherina Hess)
Das Nilpferd braucht im Wasser schwere Knochen. (Foto: Catherina Hess)

Wie sich all das entwickelt hat, kann man an einzelnen Beispielen lernen. Dazu wurden Exponate aus den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns und aus zahlreichen anderen europäischen Sammlungen geliehen. Das Nilpferd, das die Besucher gleich beim Eintritt begrüßt, ist eine Leihgabe des Naturkundemuseums Berlin. Der Koloss sei im Ganzen transportiert und mit einem eigens gemieteten Lastenkran in den ersten Stock des Museums gehievt worden, erklärt Museumsleiter Michael Apel. Und, weil diese Frage immer wieder mal auftaucht: Kein Lebewesen wird für Museumszwecke getötet. Vielmehr bieten Zoos ein gestorbenes Tier in der Regel der Wissenschaft an.

Die Sonderausstellung umfasst zwei große Räume, insgesamt 400 Quadratmeter, im oberen Stockwerk des Museums. Sie verzichtet auf lange Texttafeln. Vielmehr gibt es immer wieder Hörstationen, in denen auf Deutsch und Englisch die wichtigsten Zusammenhänge erklärt werden. Mit einem QR-Code kann man sich die Datei aufs Smartphone laden - für gehörlose Besucher auch in Gebärdensprache. An der Decke laufen Filme mit Röntgenbildern von Bewegungsmustern einzelner Skelette, eine schöne Ergänzung zu den statischen Knochen am Boden.

Hier müssen sich Besucherinnen und Besucher auch vor Schlangenskeletten nicht gruseln. (Foto: Catherina Hess)
Im ersten Raum taucht man in eine Wunderkammer der Natur ein. (Foto: Catherina Hess)
Der zweite Raum ist ein Labor, hier geht es um Medizin, Chemie und Technik. (Foto: Catherina Hess)

Ist der erste, dunkle Raum eher eine Wunderkammer des Staunens und Lernens, überrascht der zweite Raum mit einer glänzend weißen Labor-Atmosphäre. Dort gibt es kleine Experimente zum Anfassen: Wie schwer ist ein Vogelknochen im Vergleich zu dem eines Schweins? Welche Bewegungen dienen dazu, Knochenmasse aufzubauen? Kann ich auf einem Bein stehen wie ein Flamingo?

Hier geht es eher um Chemie, Medizin und Technik. Es wird anschaulich erklärt, woraus Knochen überhaupt bestehen, wie es kommt, dass sie druckfest und elastisch zugleich sind und warum gebrochene Knochen heilen. "Knochen leben", erklärt Michael Apel vor dem riesigen Modell eines menschlichen Arms, "sie passen sich ständig der Belastung an und erneuern sich alle zehn Jahre." Spätestens hier begreift man, dass regelmäßige Bewegung und Krafttraining Sinn machen. Querschnitte junger vitaler und alter poröser Knochen führen den Unterschied plastisch vor Augen. In einem Ratespiel kann man sein Wissen über die Wirkung unterschiedlicher Sportarten testen.

Präparator Dieter Schön und Gestalterin Monika Waigand prüfen, ob alles am richtigen Platz steht. (Foto: Catherina Hess)

Die Medizintechnik studiert den menschlichen Körper immer genauer, um gestörte Funktionen künstlich zu ersetzen. Metallschwämme aus dem 3-D-Drucker dienen als Knochenersatz. Und legt man seinen Unterarm auf einen Sensor und formt die Hand zur Faust, dann wird eine Handprothese allein durch diese Muskelkontraktion gesteuert. Aber auch Design, Architektur oder Flugzeugbau nehmen sich die Natur zum Vorbild. Ein Airbus-Teil ist ausgestellt, konstruiert nach der Spongiosa, der Mikrostruktur menschlicher oder tierischer Knochen. Eine Ausstellung also, bei der man staunen, lernen und spielen kann.

Bis April 2025, Museum Mensch und Natur in Schloss Nymphenburg, Dienstag bis Freitag 9-17 Uhr, Sonn- und Feiertage 10-18 Uhr, www.mmn-muenchen.de .

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