Mensen in Corona-Zeiten:"Uns fehlen einfach die Gäste"

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Nur langsam können die Uni- und Schulmensen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Betreiber und Zulieferer plagen große Umsatzeinbußen.

Von Sabine Buchwald, München

Die Nachricht an sich ist positiv: Einige Mensen und Bistros der Universitäten haben wieder geöffnet. Und auch an Schulen wird es nach den Pfingstferien vielerorts etwas zu essen geben. Doch von gewohnter Normalität kann keine Rede sein, was Konsequenzen für Köche und Lebensmittelzulieferer bedeutet.

Von diesem Dienstag an soll es in den offenen Hochschulmensen wieder Sitzmöglichkeiten geben, allerdings wie in anderen Restaurants nur mit Auflagen: "Die Gäste werden vom Personal der Hochschulgastronomie platziert", lässt das Studentenwerk verlauten. Außerdem würden Kontaktdaten aufgenommen werden, so sehe es die Bayerische Infektionsmaßnahmenverordnung vor. Zuschauen, wie ein Fischfilet oder Schnitzel gebraten wird, sogenanntes Frontcooking, und Selbstbedienungsbuffets, wie in Vorcoronazeiten etwa am TU-Campus in Garching, wird bis auf Weiteres nicht möglich sein. Dort sowie am Campus in Martinsried, in der Arcisstraße, in Weihenstephan und im Stucafé in der Leopoldstraße, riecht es jetzt immerhin schon wieder nach Essen. Grundsätzlich wird dies aber nur zum Mitnehmen ausgegeben und ist auf ein paar Gerichte und belegte Semmeln reduziert.

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Von 4,3 Millionen Mahlzeiten, wie sie im Jahr 2018 in den gut 40 vom Studentenwerk betriebenen Einrichtungen ausgegeben wurden, kann man derzeit nur träumen. Thomas Kolodziej hatte Zahlen solchen Ausmaßes vor Augen, als er seinen Job als Betriebsleiter der Münchner Mensen begonnen hat. Das war vor einem halben Jahr. Nach nur einigen Wochen Einarbeitungszeit ist er in die Corona-Krise geschlittert. Er musste seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und kann jetzt nur einige nach und nach wieder zurückholen. "Uns fehlen einfach die Gäste", sagt Kolodziej. Er selbst hat sein Büro an der Leopoldstraße. Die Mensa dort wird seit Längerem umgebaut.

Zum Bistro geht es an Absperrbändern vorbei in die Tiefen des hinteren rosa LMU-Gebäudes. Es gibt attraktivere Verpflegungsmöglichkeiten in Schwabing. Folglich verirren sich auch nur ein paar wenige Menschen hierher. Dozenten und Verwaltungsangestellte, die nicht von zu Hause aus arbeiten, und ein paar Studierende, die sich mit Büchern aus den wiedereröffneten Bibliotheken versorgen. Wir haben einen gewissen Auftrag, sagt Kolodziej, deshalb bemühe man sich, wo es nur geht wenigstens etwas Verpflegung anzubieten. Er denkt nicht nur an die Studierenden, sondern auch an die Zulieferer, die vom Studentenwerk abhängen.

Das Stucafe in der LMU in der Leopoldstraße bietet wieder Kleinigkeiten an. (Foto: Catherina Hess)

Die Firma Gessler etwa versorgt die Mensen täglich mit frisch geschnittenem Obst und Gemüse. "Sie gehören zu unseren stärksten Kunden" sagt Firmeninhaber Gerhard Gessler. "Wir haben extreme Einbußen." Er versuche, mit einem Großkredit die nächsten Monate über die Runden zu kommen. Früher habe man viel mehr mit Lebensmitteln aus Dosen in den Mensen gekocht. Heute sei alles frisch, was da auf den Tisch komme, sagt er. Er selbst sei überrascht, wie gut und knackig das dort schmecke. Allein, sein Geschäftsmodell wird im Moment nicht nachgefragt. Und da er keine festen Abnahmemengen mit dem Studentenwerk vereinbart habe, könne er auch keine Ansprüche geltend machen.

Schulköche richten Hilferuf an die Stadt

Das Bewusstsein für gesundes Essen hat sich in den vergangenen Jahren auch in den Münchner Schulen verbreitet. Dort werde grundsätzlich überall ein warmes Essen angeboten, wenn auch nicht überall an Ort und Stelle zubereitet, erklärt eine Sprecherin des Referats für Bildung und Sport. Martin Basarab und sein kleines Team stehen in den Küchen des Albert-Einstein- und des Maria-Theresia-Gymnasiums. 390 Portionen gibt er durchschnittlich etwa am Einstein-Gymnasium an einem Schultag aus. Seit dem Ausfall des regulären Unterrichts hat er nicht mehr viel zu tun. Die Abiturienten und die Notfallgruppen-Schüler seien schnell wieder aus den Schulgebäuden verschwunden", sagt Basarab. Es lohne sich kaum, etwas anzubieten. Er hat Geld bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beantragt und bekommen. Er ist 30 Jahre alt, hat in der Küche des Augustiner Bräu gelernt, und hofft, dass es im September weitergeht.

Dass er ein wichtiger Teil der Schulfamilie ist, haben ihm spontane Hilfen der Elternbeiräte der Gymnasien gezeigt. Von der einen Schule kam ein vierstelliges Geldgeschenk zur Unterstützung, von der anderen eine Idee: Auf Vorbestellung hat er ein paar Mal Abendmenüs für die Eltern und Kinder gekocht - Lasagne und Rinderbraten, Tiramisu und Panna Cotta. Finanziell bringt diese To-go-Aktion nicht sehr viel, für die Moral aber schon.

Basarab hat Kontakt zu anderen Schulköchen aufgenommen und sich an die Stadt München gewandt. Immerhin konnte man erreichen, dass für die Dauer der Schulschließungen keine Vorauszahlungen auf die umsatzabhängige Pacht geleistet werden muss. Basarab würde sich allerdings einen Pachterlass für diese stillen Monate wünschen und weitere Maßnahmen prinzipieller Art. "Wir haben nur 180 Schultage im Jahr, eine Schulmensa rentiert sich kaum", erklärt er. Um die Preise für die warmen Essen niedrig zu halten, brauche man eigentlich Erlöse aus dem Pausenverkauf und Automaten als Quersubvention. Um den Entscheidern bei der Stadt Nöte und Gedanken klarzumachen, fordert er eine Ansprechperson und ein klares, einheitliches Konzept für alle städtischen Schulen. Vorschläge hätte er genug.

Basarab hat sich vor zehn Jahren selbständig gemacht. Mit viel Freude sei er in die Aufgabe als Schulkoch reingewachsen, erzählt er. Er gebe Kochkurse für die Schüler und sei nicht selten Anlaufstelle bei Problemen für sie. Systemrelevant fühle er sich, aufgeben möchte er so schnell nicht. Dennoch frage er sich, warum die Mensen an den Schulen nicht subventioniert würden wie die des Studentenwerks. Diese erhalten grundsätzlich Unterstützung vom Bayerischen Wissenschaftsministerium, da der Betrieb ohnehin defizitär angelegt sei, sagt Ingo Wachendorfer vom Studentenwerk. Auf Pachtzahlungen, soweit diese anfielen, werde nun voraussichtlich für einen gewissen Zeitraum verzichtet.

Franz Anthuber, Koch an der Fach- und Berufsoberschule Therese von Bayern, hat altersbedingt keinen Überbrückungskredit aufnehmen können. "Wir suchen verzweifelt nach einer Lösung", sagt er.

© SZ vom 02.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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