Corona-Maßnahmen:Die Maske ist tot, es lebe die Maske!

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Gerne mit Maske: Bei Sport Scheck setzt man auf den freundlichen Appell. (Foto: Stephan Rumpf)

Geschäfte dürfen ihre Kunden wieder ohne Maske empfangen. An vielen Ladentüren wird man dennoch freundlich aufgefordert, Mund und Nase zu bedecken. Ein Gang durch die Fußgängerzone.

Von Thomas Becker

Sprache ist was Wunderbares. Und so herrlich entlarvend. "Sehr geehrte Kunden, ab sofort können Sie sicher ohne Maske bei uns einkaufen", steht da in großer Schrift auf dem brusthohen Aufsteller am Haupteingang des Kaufhofs am Marienplatz. Die Worte "ohne Maske" sind unterstrichen. Doch - und nun gleich mal die frohe Botschaft in diesen generell ja eher unfrohen Tagen - die Münchner lassen sich von solchen Worten nicht beirren, reagieren erfrischend selbstreflektiert - und ziehen beim Betreten des Ladens wie selbstverständlich die Maske über Mund und Nase, wenn sie sie nicht ohnehin schon tragen. Ihre Botschaft: Als ob das Virus weg wäre, nur weil die Politik vor einer halben Ewigkeit mal irgendeinen Tag zum Freedom Day deklariert hat! Die Maske ist tot, es lebe die Maske!

Schon zehn Minuten vor Öffnung haben sich vor dem Kaufhof gut zwei Dutzend Shopper in spe versammelt. Allerdings nicht, um gleich von Minute eins an endlich wieder ohne den nervigen Lappen vor dem Gesicht im Einkaufs-Nirwana zu versinken, sondern offenbar, weil sie das ein oder andere dringend brauchen. Dass sie dazu allesamt Masken tragen, scheint ausgemachte Sache zu sein.

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Als um 9.55 Uhr die Tür geöffnet wird, sind die ersten 50, 60 Kunden durch die Bank Maskenträger, viele nutzen auch gleich den Desinfektionsspender. Da wirkt das maskenfreie Gesicht des Kaufhof-Mitarbeiters, der rechts vom Eingang mit dem Daumen dezent seinen Kundenzähler betätigt, fast wie eine Erscheinung: Huch, ein Gesicht! Ah, so sah also ein Lächeln aus!

In den Läden sieht man nicht allzu viele Nasen und Münder

Wer an Tag eins der großen Freiheit im Einzelhandel durch die Fußgängerzone schlendert, sieht nicht allzu viele Nasen und Münder, jedenfalls nicht in den Läden. Wie zuvor angekündigt, machen sich viele Unternehmen das Hausrecht zu Nutze und pochen auch weiterhin auf Einhaltung der Corona-Maßnahmen.

Bei Calvin Klein in der Rosenstraße heißt das dann schön kosmopolitisch "Always wear your mask", ein paar Meter weiter bei Wormland genügt das mittlerweile hinlänglich bekannte Piktogramm mit der Maske. Auch schräg gegenüber in der Lotto-Annahmestelle und bei Juwelier Thomass herrscht weiterhin Maskenpflicht, ebenso im FC-Bayern-Shop an der Kaufingerstraße ein Stück weiter Richtung Stachus, wo es an der Tür warnend heißt "Infektionen vorbeugen".

Beim Herren-Ausstatter Hirmer muss man dagegen schon die Augen in die Hand nehmen und darf es nicht zu eilig haben, sonst ist man am Kleingedruckten der Aufstelltafel links vom Eingang schnell vorbei gelaufen, ohne unter Punkt drei oder vier gelesen zu haben: Ah, Maskenpflicht.

Auch wo man sie nicht mehr tragen muss, ist der Anteil der Maskenträger hoch

Auf der anderen Straßenseite bei Sport Scheck wählt man dagegen einen Mittelweg: "Gerne weiter mit Maske" steht da seitlich an den hohen Eingangstüren. Alle paar Minuten ertönt eine freundliche Ansage vom Band, die darauf hinweist, dass es doch eine feine Sache sei, wenn man auch weiterhin auf sich und andere achtet und trotz Freedom Day die C-Regeln einhält.

Ähnlich verfährt auch H&M: "Wir empfehlen weiterhin" steht da neben den üblichen Corona-Piktogrammen. Aber es geht auch ganz ohne Hinweis: Bei C&A kündet ein Aufsteller vor der Tür lediglich von den "Last season deals" sowie diversen kulinarischen Angeboten. Maske? Nicht doch! Aber auch dort, wo man sie nicht mehr tragen muss, zum Beispiel im Apple Store, liegt der Anteil der schutzbedürftigen Dennoch-Träger bei gefühlten 90 Prozent. Ähnlich hoch dürfte die Zahl der Masken tragenden Angestellten in den verschiedenen Läden sein.

Volkmar hat sich für den maskenfreien Einkauf entschieden. (Foto: Stephan Rumpf)

In diesem allseits hochgeschlossenen Ambiente fällt einer wie Volkmar direkt auf, wenn er "oben ohne" durchs Erdgeschoss von Sport Schuster geht. Gerade hat er einen Fahrradhelm erstanden, am nächsten Morgen geht's mit dem Zug nach Sizilien, zum Radl-Urlaub. "Bin nur auf der Durchreise", sagt der Potsdamer. Wie da gerade die Corona-Regeln sind? "Keene Ahnung. Ändert sich ja alle paar Minuten." Für ihn sei der Freedom Day "wie eine Erlösung. Das war schon eine extreme Beeinträchtigung, hat mich sehr genervt. Ich bin ein eher angstfreier Mensch".

Monika Kaloty will auf die Extra-Sicherheit derzeit nicht verzichten. (Foto: Stephan Rumpf)

Viele Kunden wirken beim Betreten der Läden unsicher, wie denn nun mit dem ungeliebten Stoffstück zu verfahren sei. Ein junges Paar schaut sich um und zieht sicherheitshalber den Lappen über: "Wir sind Schweizer, bei uns braucht man keine Maske mehr", erzählt die junge Frau mit Babybauch, "wir wissen gar nicht, welche Regeln hier gelten, haben halt geschaut, was die anderen so machen."

Für Monika Kaloty gibt's dagegen nichts zu überlegen: "Ich ziehe auf jeden Fall die Maske auf", sagt die Endsechzigerin, bevor sie den Kaufhof betritt, "warum das so wichtig ist, verstehen nur die, die mal wirklich krank waren. Hoffen wir mal, dass der Spuk bald vorüber ist." Dann sieht sie den Sicher-ohne-Maske-einkaufen-Aufsteller und winkt ab: "Ha! Sicher? Sicher nicht."

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