Der Joghurt ist abgelaufen? Weg damit! Die Banane ist schon braun, der Apfel hat eine Druckstelle? Ab in den Mistkübel, gleich zu den Spaghetti, die vom Abendessen übrig geblieben sind! Jeden Tag landen tonnenweise Lebensmittel im Müll. In München sind es nach Angaben des Abfallwirtschaftsbetriebs 300 Tonnen täglich. Dazu gehören neben Abfällen wie Nuss- und Obstschalen oder Knochen auch Speisereste. Entsorgt werden aber auch Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist oder die nicht mehr so frisch aussehen, aber durchaus noch genießbar wären.
An diesem Donnerstag beschäftigt sich der Ausschuss für Klima- und Umweltschutz des Stadtrats mit dem Thema Lebensmittelverschwendung. Ziel ist es, die Menge des Lebensmittelabfalls bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu verringern. So könnten zum Beispiel städtische Kantinen, Gastronomen oder Nachbarschaftsinitiativen frei zugängliche Kühlschränke mit "geretteten" Lebensmitteln aufstellen, die sich zwar nicht mehr für den Verkauf, wohl aber noch für den Verzehr eignen.
Wie diese "Fairteiler" in den Stadtvierteln funktionieren könnten, will das Umweltreferat prüfen lassen, sofern es vom Stadtrat den Auftrag dazu bekommt. Das würde dann das geplante städtische Ernährungshaus übernehmen, von dem aus die Ernährungswende vorangetrieben werden soll. Das Ernährungshaus - das womöglich noch einen eingängigeren Namen bekommt - soll eine Adresse sein, von der aus nachhaltige Ernährung gefördert wird, sei es mit Workshops oder Beratungen für Gastronomen und Lieferanten oder mit der Vernetzung von Initiativen. Zur Ernährungswende gehört auch der Aspekt der Lebensmittelverschwendung.
Diese ist zu einem Problem der Industrienationen geworden. Das Umweltreferat spricht in seiner Vorlage von weltweit 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr im Müll entsorgter Lebensmittel. Laut einer Schätzung der Umweltorganisation WWF und der Supermarktkette Tesco vom vergangenen Jahr sind es sogar 2,5 Milliarden. Und darunter leidet das Klima. Zehn Prozent aller weltweiten Treibhausgase gehen auf die Lebensmittelverschwendung zurück. Gleichzeitig gehen auch Ressourcen wie Wasser, Boden und Energie verloren.
In Deutschland landen zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr im Müll. 18 Prozent (2,2 Millionen Tonnen) fallen bei der Verarbeitung an, vier Prozent (0,5 Millionen Tonnen) der Lebensmittelabfälle entstehen im Handel, 14 Prozent (1,7 Millionen Tonnen) fallen bei der Außer-Haus-Verpflegung, also etwa in der Gastronomie an, 52 Prozent (6,1 Millionen Tonnen) der Lebensmittelabfälle entstehen in privaten Haushalten.
Ein großer Teil der entsorgten Lebensmittel kommt gar nicht erst beim Verbraucher an. So werden viele Lebensmittel, etwa aufgrund von Preisschwankungen auf dem Markt, gar nicht erst geerntet, da sich dies nicht rechnet. Weitere Faktoren, die zu Lebensmittelverlusten führen, sind nicht erfüllte Anforderungen an Qualitätsklassen (also etwa unansehnliches Obst), Lagerüberschüsse, Fehletikettierungen, Sortimentswechsel und die Neugestaltung von Verpackungen, die dazu führen, dass noch genießbare Lebensmittel im Abfall enden.
In München gibt es bereits Initiativen zum Retten von Lebensmitteln. Dazu gehören Foodsharing e.V., eine 2012 entstandene Initiative, die sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und ein nachhaltiges Ernährungssystem einsetzt. Im Juli 2017 gründeten die Bezirke München, Dachau, Fürstenfeldbruck und Starnberg den ersten Foodsharing Bezirksverein mit dem Namen "Foodsharing München mit angrenzenden Kreisen e.V.". In München werden über Foodsharing täglich circa 700 Kilo Lebensmittel vor der Tonne gerettet. Infos gibt es über foodsharing-muenchen.de.
Die "Community Kitchen" ( community-kitchen.com) in Neuperlach kocht fast ausschließlich mit geretteten Lebensmitteln. Neben dem Essen vor Ort liefert die Community Kitchen Mahlzeiten in Kitas, Schulen und Unternehmen und verkauft Eingemachtes wie Suppen, Eintöpfe, Chutneys, Marmeladen und Gedörrtes im Glas über den lokalen Einzelhandel.
Viele Nutzer hat auch die App von "Too Good To Go", des weltweit größten Marktplatzes für überschüssige Lebensmittel. Die App verbindet Kunden mit Betrieben, die überschüssige Lebensmittel anbieten. Dafür gibt es qualitativ hochwertiges Essen zu einem günstigen Preis, die Betriebe erreichen neue Kunden und Kundinnen und können mit ihren Überschüssen Einnahmen generieren und gleichzeitig die Umwelt schonen.
Der größte Essenretter der Stadt ist nach eigenem Bekunden der Verein Münchner Tafel. Mit etwa 130 Tonnen geretteter Lebensmittel jede Woche schont er nicht nur Ressourcen, sondern leistet auch einen sozialen Beitrag.
Aktuell lässt das Umweltreferat erfassen, wie viele Speiseabfälle in städtischen Kantinen anfallen. Bis Ende 2023 will die Behörde dem Stadtrat die Ergebnisse vorlegen und Maßnahmen vorschlagen, wie Speiseabfälle auf weniger als zehn Prozent (aktuell 35 Prozent) reduziert werden könnten.