Stadtentwicklung:Natur bewahren - oder Wohnungen bauen?

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Werden eines Tages Häuser stehen, wo man sich heute zwischen Laim und der Blumenau auf einer Parkbank entspannen kann? Darüber gibt es Streit. (Foto: Robert Haas)

Pläne der Stadt sehen vor, den Landschaftspark im Westen für "urbane, sozial gemischte und klimaneutrale Quartiere" zu nutzen. Das löst wütenden Protest aus.

Von Thomas Anlauf

Es sind Wege, die ins Grüne führen. Hinaus aus der Hektik der Stadt, obwohl die Wiesen, Äcker und Wäldchen mitten in München liegen. Für Zehntausende Menschen aus Laim, Pasing und der Blumenau ist der Landschaftspark im Westen der Stadt ein Idyll. Hier leben Turmfalken, Feldlerchen und es wachsen seltene Pflanzen zwischen Willibaldstraße im Osten und dem Würmtal hinter der Stadtgrenze.

Das Gebiet, das etwa so groß ist wie der Nymphenburger Schlosspark, soll schon seit vielen Jahren in einen richtigen großen Park umgewandelt werden. Doch in dem Entwurf des städtischen Planungsreferats für einen neuen Stadtentwicklungsplan sind dort nun großflächig grüne und rosafarbene Punkte eingezeichnet. Sie stehen für "urbane, sozial gemischte und klimaneutrale Quartiere".

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Innerhalb weniger Tage nach Bekanntwerden der Pläne formiert sich heftiger Widerstand. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch sagt: "Natürlich darf der Landschaftspark nicht berührt werden." Die Vertreter der grün-roten Stadtratsmehrheit wollen nun ein dringendes Gespräch mit Stadtbaurätin Elisabeth Merk führen, bevor der Stadtentwicklungsplan für die kommenden zwei Jahrzehnte an diesem Mittwoch erstmals im Stadtrat diskutiert wird.

"Natürlich darf sich das Planungsreferat auch Gedanken machen", welche Siedlungsflächen im Stadtgebiet noch denkbar wären, sagt Hanusch. Aber "diese Karte einfach so zu akzeptieren, geht nicht". Eine Bebauung, wie sie Stadtbaurätin Merk in einer Karte vor gut einer Woche im Beisein von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vorgestellt hatte, "wird es so nicht geben", so Hanusch. Die Grünen-Fraktionschefin hatte sich am Montagvormittag mit ihrem SPD-Fraktionskollegen Christian Müller ausgetauscht. Er betont: Dort werde "kein neues Wohngebiet entstehen, sondern vom Grundsatz her ein Park". Er kann sich in diesem Park, der bislang noch ein Flickenteppich aus Ackerland, Waldstückchen und einer großen Baumschule ist, grundsätzlich nur vorstellen, dass dort künftig auch Großbäume stehen werden, die Baumschule hingegen passt für ihn nicht in das Bild eines großen Parks. Müller kritisiert, dass auf dem Entwurf des Stadtentwicklungsplans dort bereits zu Beginn des Planungsprozesses ein Siedlungsgebiet eingezeichnet worden sei. "Das war nicht sehr klug."

Bereits kurz nach der Veröffentlichung des Entwurfs kam heftige Kritik vom Bund Naturschutz (BN). "Wir sehen nicht, dass die Flächen, die der Stadtrat laut Koalitionsvertrag vor einer Bebauung schützen will, vollständig in den neuen Stadtentwicklungsplan mit eingeflossen sind", sagt Rudolf Nützel, Geschäftsführer des BN in München. "Ganz im Stil einer Salamitaktik sollen mit dem Stadtentwicklungsplan also bereits wieder Flächen für die Bebauung vorgesehen werden", bevor überhaupt wichtige Freiflächen in München effektiv vor einer Bebauung geschützt würden.

Diskussion auf breiter Basis

SPD und CSU im Bezirksausschuss Laim fordern, die Ausweisung des Gebiets "als Siedlungsgebiet und Quartiersentwicklung zurückzunehmen und stattdessen als Kaltluftschneise und Park für die Stadt zu erhalten". Auch die Grünen im Laimer Bezirksausschuss stellen den Dringlichkeitsantrag, dass es "keine Quartiers- und Siedlungsentwicklung" geben dürfe.

Das Planungsreferat von Elisabeth Merk reagierte prompt. Das Referat begrüße zwar "die inhaltlichen Anregungen, die zum Entwurf des Stadtentwicklungsplans eingehen", weise aber die Kritik des Bund Naturschutz "entschieden zurück". Denn die Darstellung in der Karte des Referats sei als Bereich für Landschafts-, Siedlungs- und Freiraumentwicklung dargestellt. Dennoch sei nicht von der Hand zu weisen, dass durch eine künftige U-Bahn-Station an der Willibaldstraße ein Teilbereich des Landschaftsparks "hervorragend mit dem ÖPNV erschlossen sein wird". Die Zukunft der teilweise städtischen Flächen müssten "ergebnisoffen" untersucht und mit Stadtrat, Bezirksausschüssen und Bürgern diskutiert werden.

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Die Diskussionen dürften tatsächlich auf breiter Basis stattfinden. Bei dem bereits Anfang der Neunzigerjahre beschlossenen Landschaftspark im Münchner Westen geht es nach Angaben des Bund Naturschutzes schließlich brutto um insgesamt 186 Hektar - das ist weit mehr als die vierfache Größe der Theresienwiese. Die bislang nicht flächenscharfe Kartierung im Stadtentwicklungsplanentwurf könnten für die mögliche Quartiersentwicklung laut BN knapp zwei Drittel der Fläche bedeuten. Allerdings beinhaltet das vom Bund Naturschutz grob umrissene Gebiet auch die Baumschule. Ob diese auf lange Sicht erhalten bleiben kann, ist derzeit völlig offen.

Eine Karte des Stadtentwicklungsplans zeigt unter anderem Orte in München, in denen Kaltluftleitbahnen eingezeichnet sind, die möglichst erhalten bleiben sollten. Eine dieser Bahnen verläuft von Südwest nach Nordost über das mögliche Siedlungsgebiet im Landschaftspark, einer der letzten Grünzüge im Münchner Westen. Eine urbane Bebauung könnte diese Frischluftzufuhr stoppen.

© SZ vom 06.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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