Hundediebstahl in München:"Sie ist noch nie weggelaufen"

Lesezeit: 3 min

Wieder glücklich vereint: Florine Lutz mit Hündin Tia. (Foto: privat)

Plötzlich ist Tia einfach weg. Sofort startet Florine Lutz eine große mediale Suchaktion nach ihrem Labrador-Münsterländer-Mischling. Am Ende überführt jedoch eine Hündin den Dieb.

Von Sonja Niesmann, München

Wenn ihr Frauchen Sport macht, liegt "Tia" im Eingangsbereich des Fitnessstudios an der Balanstraße und rührt sich nicht vom Fleck. "Sie ist noch nie weggelaufen", versichert ihre Besitzerin Florine Lutz, "sie ist der gehorsamste Hund, den man sich vorstellen kann."

Am vergangenen Dienstagabend war der dreijährige Labrador-Münsterländer-Mischling wieder einmal dort, diesmal mit einer Freundin von Lutz, die selbst beruflich in Dublin war. Und plötzlich ist Tia weg gewesen. Alles Rennen durch die Straßen, alles Rufen und Pfeifen, das Ansprechen von Passanten, ist erfolglos geblieben.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Bis drei Uhr nachts durchkämmen die Hundehüterin und andere Gäste des Fitnessstudios die Straßen Haidhausens. Tia bleibt spurlos verschwunden. Von Dublin aus erstattet ihre verzweifelte Besitzerin eine Stunde später bereits Vermissten-Anzeige bei der Polizei. Und sie geht, noch am selben Abend, mit ihrem Hilferuf in die sozialen Medien. Bittet unter dem Hashtag "Bringtiahome", Ausschau zu halten nach der braunen Hündin, Freunden, Bekannten, Kollegen davon zu erzählen. Setzt 1000 Euro Belohnung aus - "und das hätte ich auch noch erhöht, wenn nötig".

Ihr sei sofort klar gewesen, erzählt sie, dass ihr nur eine große mediale Öffentlichkeit helfen könne: "Eine Person kann nicht ganz München ablaufen. Aber viele Personen können die Augen aufhalten, es weitererzählen, es weiterposten." Bis zum nächsten Mittag sei ihr Post 30000 mal geteilt worden, berichtet sie.

Die Polizei war reizend geduldig, obwohl sie nur geheult hat am Telefon

Nicht nur mit der Polizei - die reizend gewesen sei, findet sie, "obwohl ich am Telefon immer wieder Rotz und Wasser geheult habe" - steht Florine Lutz in Kontakt. Auch die Feuerwehr, Münchner Taxifahrer, die Organisation Tasso, bei der gechippte Hunde registriert sind, informiert sie. Sie telefoniert Tierärzte durch, falls in irgendeiner Praxis ein brauner Labrador-Mischling auftauchen sollte.

Schon am Mittwoch ist sich Florine Lutz sicher, dass Tia sich nicht einfach verlaufen hat und nicht nach Hause findet, sondern dass jemand sie mitgenommen, gestohlen hat. Sie intensiviert ihre Bemühungen. Stellt "Hund vermisst"-Flyer mit einem Foto von Tia, mit steinerweichend-treuem Hundeblick auf blauer Decke, auf ihren Instagram-Account. Freunde, Bekannte, aber auch Wildfremde drucken die Zettel aus, pinnen sie an Bäume, Laternenmasten und Stromverteilerkästen in der Stadt. Jemand, der die Geschichte ebenfalls über die sozialen Medien mitbekommen hat, macht sich mit seinem Suchhund auf in Haidhausen.

Zwei Nächte schläft Florine Lutz nicht mehr. In der Firma, sie arbeitet bei einem großen Konzern im Verkauf, meldet sie sich wegen eines Notfalls ab. Der Chef reagiert sehr verständnisvoll. "Es waren die schlimmsten Tage, die ich mir vorstellen kann" - der Satz bricht geradezu aus ihr heraus. Die Angst kriecht hoch in ihr, Tia könne von einem Tierfänger erwischt worden sein, in einem Versuchslabor landen. Alle paar Stunden aktualisiert Lutz ihren Account, stündlich checkt sie die Kleinanzeigen auf Ebay, ob jemand eine Labrador-Hündin zum Verkauf anbietet.

Schließlich schreibt Florine Lutz noch bekannte Influencer an, bittet sie, ihre Story zu teilen - die Suche nach Tia zieht immer größere Kreise. "Ich bin völlig überwältigt von der Wucht, die das bekam", sagt die 34-Jährige. Sie habe Hunderte von Anfragen bekommen von unbekannten Menschen, wie sie ihr helfen können. "Ich bin unfassbar dankbar."

Tia (links) und Toni: eine Hundefreundschaft, die sich bewährt hat. (Foto: privat)

Und dann ist es doch nicht das Netz der sozialen Medien, das Tia wieder einfängt. Donnerstagmittag, kurz vor 14 Uhr, Florine Lutz' Flugzeug aus Dublin landet gerade in München: Ihre Freundin Alina geht in Haidhausen mit Tias bester Hundefreundin "Toni" spazieren, hält die Augen offen. Aber es ist Toni, die - nur drei Minuten entfernt vom Fitnessstudio an der Balanstraße - plötzlich eine braune Hündin erspäht und begeistert auf sie zustürzt.

Die Freundin stellt den Mann, der das Tier an der Leine hält, zur Rede. Der behauptet, es sei sein Hund. Aber dann reißt er die Leine ab und rennt davon. Für Florine Lutz sind das eindeutige Belege, dass er nicht nur mit einer ihm zugelaufenen Hündin spazieren gegangen ist, in der Hoffnung, auf den Besitzer zu stoßen. Sie hat nun Anzeige erstattet, gegen den Unbekannten.

Lutz' Freundin Alina will die ausgelobte Belohnung nicht haben. Aber Toni soll belohnt werden, nicht nur mit einem dicken, leckereren Knochen. "Die kriegt für den Rest ihres Lebens von mir, was immer sie braucht", sagt Florine Lutz überglücklich und lacht. Und Toni darf künftig etwas tun, was die 34-Jährige bei aller Hundeliebe eigentlich gar nicht leiden kann: "Sie darf mir ins Gesicht schlecken, so oft sie will."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSerie
:"Wir haben meistens nachts gedreht. Trotzdem wurden manchmal Tote angeliefert"

Christina Rainer spielt die Pathologin in der Krimireihe "Der Alte". Ein Gespräch über komische Gerüche, humorvolle Drehbücher und den Geliebten, der abhanden kommt.

Interview von Gerhard Fischer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: