Musik:Die Zeit ist reif

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Unverdrossen launig: Mittlerweile sind G. Rag y los Hermanos Patchekos bei der neunten Albumveröffentlichung angelangt. (Foto: Gutfeeling Records)

Das Münchner Rumpel-Folk-Orchester "G. Rag y los Hermanos Patchekos" stellt sein neues Album "Paradiso" in der Milla vor.

Von Jürgen Moises

Eine Krise erfordert schnelles Handeln. Eigentlich. Man kann aber auch das ausgelaufene Öl und die toten Fische einfach ignorieren, wie es der Jogger im Song "Moon Over Marin" von den Dead Kennedys macht. Der kehrt nach dem Lauf in seine Upper-Class-Wohnung in Marin County zurück und steigt in seine Badewanne. Erschienen ist das Stück vor 20 Jahren. Und wenn es nun G.Rag y los Hermanos Patchekos auf ihrem neuen Album "Paradiso" covern, dann klingt es angesichts der vielen aktuellen Krisen noch immer aktuell. Mit dem paradiesischen Leben scheint es jedenfalls vorbei zu sein. So ähnlich hat es auch der Bundespräsident gesagt. Und wenn man sich dazu das Platten-Cover anschaut, fragt man sich deswegen auch: Sind da rote Grasbüschel oder züngelnde Flammen darauf?

Den Kopf in den Sand zu stecken, kann aber nicht die Lösung sein. Womit wir beim zweiten Coversong auf "Paradiso" wären, welches das 14-köpfige, selbsternannte "Mediterranean Caribbean Trash Folk Space Arkestra" aus München am 4. und 5. November in der Milla vorstellt. "Time Has Come Today" heißt die 1968 entstandene Nummer, die von den Chamber Brothers stammt und als Social-Justice-Hymne in die Musikgeschichte einging. Gecovert wurde sie schon oft, etwa von den Angry Samoans. Deren etwas punkigere Version des Psychedelic-Soul-Hits war angeblich auch das eigentliche Vorbild. Und die daraus gewordene rumpel-bluesige Fassung der Hermanos Patchekos bewegt sich nun irgendwo dazwischen.

Ansonsten wird auf dem neunten Album der Patchekos mal wieder der kolumbianischen Cumbia gefrönt. Mit der fröhlich dahin klappernden "Cumbia Paradiso" und der sich etwas langsamer dahin schleppenden "Cumbia du Midi" geschieht das konkret in zwei Stücken. Aber auch der Opener "Papillon" wirkt davon angefixt. Da setzt sich zu einer einfachen Kalimba-Melodie und einem gezupften Bass bald eine Percussion-Maschinerie aus Conga, Blech und Plastik in Gang. Und mit dem einsetzenden Patcheko-Bläsersatz bekommt das Ganze schließlich ordentlich Groove.

Wie die "Cumbia" erlebt auch "Papillon" eine Reprise. In "Papillon Groove" klingt deren Grundmotiv wie durch eine Wattewand gedämpft, und in "Papillon Dub" bekommt es einen (afro)jazzigen Zug. Mit "Blue Blimp" geht es locker rockend in die Luft, durch das eher gemächliche "Coltrane" weht der Wüstenblues-Wind, und das schöne "Silver & Gold" überzeugt durch seinen beschwingten Groove. Alles in allem macht das gute Laune, durch die man die aktuellen Krisen zeitweilig vergisst. Und schön ist es auch, dass das Haus-Orchester von Gutfeeling Records nach 23 Jahren noch immer durch die Gegend rumpelt. Das Label selbst wird übrigens im nächsten Jahr 30 Jahre alt. Es gibt da also bald etwas zu feiern.

G.Rag y los Hermanos Patchekos: Paradiso (Gutfeeling Records), live am 4. und 5. Nov. in der Milla, 20 Uhr, Holzstr. 28

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