Kleinhadern:Bewohner fühlen sich nach Brand alleine gelassen

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Bürgermeisterin Verena Dietl (Vierte von links) spricht mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses. (Foto: Catherina Hess)

Nach einem Hilferuf per Mail kommen Bürgermeisterin Dietl und die Führungsriege der "Münchner Wohnen" zu einem Treffen bei dem nun unbewohnbaren Haus. Vor Ort sichern sie schnelle und unbürokratische Hilfe zu.

Von Martin Bernstein und Sebastian Krass

Es stinkt. Nicht zum Himmel, aber in der ganzen Konrad-Dreher-Straße, einer Wohnsiedlung an der Grenze zwischen den Münchner Stadtteilen Laim und Hadern. In der Nacht zum Samstag hat es dort gebrannt, in einem vor gerade einmal zwei Jahren gebauten Haus. 16 Wohnungen gibt es dort, in denen etwa 40 Menschen lebten, städtische Arbeiter und Angestellte mit ihren Familien. Jetzt stehen sie auf der Straße.

"Mir wird schlecht, wenn ich nur in die Nähe des Hauses komme", sagt eine Frau und kämpft mit den Tränen. "Wir haben heute ein paar Sachen aus der Wohnung geholt, meine Tochter hat nur geweint." Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) steht daneben und hört zu. Und auch die gesamte Führungsriege der "Münchner Wohnen" ist da, allen voran die Geschäftsführung, Doris Zoller und Christian Müller.

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Auslöser für das Treffen an der Wohnanlage ist eine Mail, die am Dienstag um 19.36 Uhr an die Mailadressen von Dietl, Müller und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ging - und am Mittwochvormittag dann auch an die SZ. Als Absender der Mail genannt sind "Bewohnerinnen und Bewohnern der Konrad-Dreher-Straße 14". Vermieterin des Hauses ist die neue städtische Wohnungsbaugesellschaft Münchner Wohnen, die Anfang 2024 aus der Fusion von GWG und Gewofag hervorgegangen ist.

In der Mail heißt es, dass nach einem Großbrand im Keller des Mehrfamilienhauses in Kleinhadern mehrere Mietparteien "obdachlos" seien, "darunter zahlreiche Familien mit kleinen Kindern". Die Bewohnerinnen und Bewohner kritisieren, dass ihnen "bislang keinerlei Unterstützung" von der Münchner Wohnen oder der Stadt angeboten worden sei. Es sei auch unklar, wann sie ins Haus zurück können, sie wüssten auch nicht Bescheid über den Zustand ihrer Habseligkeiten in den Wohnungen.

"Alle Bewohnerinnen und Bewohner stehen unter Schock, viele Kinder sind krank geworden", heißt es in der Mail. Am Ende sind mehrere Fragen formuliert: "Warum hat die GWG (die inzwischen Münchner Wohnen heißt, Anm. d. Red.) kein Kriseninterventionsteam eingeschaltet, das den Mietenden psychosoziale Hilfe und Beratung anbietet?" Und: "Wie kann es sein, dass nach so einem akuten Notfall von niemandem Unterstützung angeboten wird?"

Offenbar ist in der internen Kommunikation etwas schiefgelaufen

Am Mittwochvormittag fragt die SZ bei der Stadt und bei der Münchner Wohnen zu dem Thema an. Es zeigt sich danach schnell, dass an verschiedenen Stellen hektische Betriebsamkeit ausgebrochen ist. Normalerweise haben Spitzenkräfte wie die Bürgermeisterin und die Geschäftsführer der Münchner Wohnen dicht getaktete Terminkalender. Dass an diesem Tag binnen weniger Stunden ein so hochrangig besetztes Treffen arrangiert wird, spricht für die Brisanz des Themas.

Offenbar ist in der internen Kommunikation etwas schiefgelaufen. Alle Bewohner seien untergebracht, sei am Montag der Wissensstand der Führungsetage gewesen. Was stimmte - und auch wieder nicht. Untergekommen waren die in der Nacht vor Flammen und Rauch zum Teil ohne Schuhe, warme Kleidung oder Papiere geflohenen Bewohner aber eben nur notdürftig, wie das in der Nacht noch möglich ist, bei Freunden, Verwandten. Zwei kehrten sogar ins stinkende, verrußte Haus zurück, in dem nichts mehr funktioniert: kein Strom, kein Wasser, keine Abwasserpumpen. Nach Angaben der Münchner Wohnen sei bereits am Samstag eine Hilfsorganisation bei den Mietern gewesen.

Ein Mann erzählt, dass seine Familie in alle Winde zerstreut sei: die Frau mit den kleinen Töchtern bei den Schwiegereltern in der Slowakei, er bei einem Kollegen, die große, schulpflichtige Tochter in der Nähe ihrer Schule bei einer Freundin. So geht es vielen hier. Viele Fragen haben sie, und sie wollen Antworten.

Dietl, Zoller und Müller haben die ersten Antworten mitgebracht. Das Haus sei nicht einsturzgefährdet, aber unbewohnbar. Und wird es auch für lange Zeit bleiben. Von einem halben Jahr soll ein Sachverständiger gesprochen haben, der am Mittag da war. Am Donnerstag sollen die Bewohner bei einer Informationsveranstaltung über das Ergebnis der Begutachtung des Schadens informiert werden. Noch ist unklar, was den Brand ausgelöst hat. Nicht einmal Brandstiftung kann derzeit offenbar ausgeschlossen werden.

Verena Dietl sagt: "Ich habe umgehend einen Termin vor Ort angesetzt und veranlasst, dass den Betroffenen möglichst schnell und unbürokratisch jede denkbare Hilfe zuteilwird, die seitens der Münchner Wohnen oder der Landeshauptstadt erbracht werden kann." Das heißt: Jede Familie, die "Bedarf" habe, werde erst einmal in einem Hotel untergebracht, noch am Mittwoch oder spätestens am Donnerstag. Bedarf haben sie hier alle. Und wenn feststeht, wie lange die Sanierung des Hauses dauert, beginnt die Suche nach Übergangswohnungen oder gleich nach einer dauerhaften neuen Bleibe für die Menschen.

Noch lange sitzen die Bewohner mit der städtischen Delegation im Alten- und Servicezentrum gleich ums Eck zusammen. Schnelle Lösungen sollen gefunden werden, die Mobiltelefone laufen heiß. Immer wieder sind Sätze der Verzweiflung zu hören. "Ich kann seit dem Brand nicht mehr schlafen", sagt eine Frau. "Das alles kommt erst jetzt hoch. Am Freitag, da wollten wir einfach nur raus, raus."

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