"Auf, auf, frisch ans Werk!" Ellen Ammann, Gründerin des Katholischen Deutschen Frauenbundes in Bayern und prägende Figur der katholischen Mädchen- und Frauensozialarbeit, soll diese Worte häufig gerufen haben. Ammann erbat 1917 vom damaligen Erzbischof Michael Faulhaber die Diakoninnen-Weihe. Erst am vergangenen Wochenende sprach sich der heutige Erzbischof Reinhard Marx für Diakoninnen aus, der Kardinal würdigte die berühmte Katholikin Ammann und versprach, sich für deren Seligsprechung einzusetzen. Mit Ammanns Worten wenden sich nun Frauen der Erzdiözese München und Freising an Marx. Ihre Forderung lautet: Im Erzbistum München sollen Laien - und damit automatisch auch Frauen - taufen und trauen dürfen.
Einen entsprechenden Aufruf, der der SZ vorliegt, will das Frauenforum, ein Zusammenschluss von rund 40 haupt- und ehrenamtlichen Frauen aus der Erzdiözese München und Freising, an diesem Samstag veröffentlichen. Dann nämlich feiert Marx in der Schwabinger Kirche St. Ursula mit einem Gottesdienst "50 Jahre Pastoralreferenten und -referentinnen". So lange gibt es in der Erzdiözese bereits dieses Berufsbild der hauptamtlichen Laien, doch deren Aufgabengebiet wirke "wie aus der Zeit gefallen", sagt Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Münchner Katholikenrats und eine der Sprecherinnen des Frauenforums. "Statt auf Notwendigkeiten wie den Priestermangel endlich mit innovativen ersten Ansätzen der Ermächtigung wie Beauftragung zu Taufe und Eheassistenz zu reagieren wie in der Diözese Essen, sind wir in München mit einer merkwürdigen Lähmung bezüglich der Umsetzung von Visionen konfrontiert", so Schönheit.
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Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hatte im Frühjahr einigen Wirbel ausgelöst, als er in seinem Bistum Laien mit der Taufspende beauftragte. Marx' Mitbruder berief sich auf den Priestermangel und nutzte ein kirchenrechtliches Schlupfloch, wonach jede geeignete Person vom Bischof zur Taufspende beauftragt werden kann, wenn ordentliche Taufspender wie Priester oder Diakone fehlen. Sobald Laien im Spiel sind, stehen die betreffenden Ämter auch Frauen offen - in Essen dürfen nun 17 Pastoralreferentinnen und ein Pastoralreferent offiziell die Taufe spenden.
Erzbischof Marx könne es "ohne weiteres und ohne sich mit anderen Diözesanbischöfen abstimmen zu müssen" Overbeck gleichtun, fordern die Frauenforums-Sprecherinnen Hiltrud Schönheit und Schwester Susanne Schneider, Vertreterin der Ordensfrauen für Menschenwürde. "Als etwas vom Kirchenrecht ausdrücklich Vorgesehenes kann dies theologisch kein Problem sein", heißt es in dem Aufruf weiter.
Die Münchner Frauen gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie wollen, dass Frauen auch Trauungen vornehmen dürfen. Theologisch gesehen ist das gar nicht so abwegig: Die Ehe gilt im katholischen Verständnis als ein Sakrament, das sich die Eheleute gegenseitig spenden. Die Anwesenheit eines geweihten Mannes ist also gar nicht unbedingt nötig, ein kirchlicher Amtsträger mit der nötigen Traubefugnis reiche aus, argumentieren die Münchner Frauen. Auch diese Möglichkeit eröffnet das katholische Kirchenrecht. Laut Can. 1112 CIC kann der Diözesanbischof - da wo Priester und Diakone fehlen - die sogenannte "Eheschließungsassistenz" delegieren. Marx solle sich für eine entsprechende Empfehlung bei der Deutschen Bischofskonferenz einsetzen und danach um eine Erlaubnis beim Heiligen Stuhl bemühen, fordern die Frauen.
Seit Jahren wird in der katholischen Kirche in Deutschland um diese Fragen gerungen: Wie lässt sich die Gleichberechtigung von Frauen verwirklichen? Wie viele Aufgaben hängen am Priester? Muss er alles allein machen oder lässt sich die Verantwortung sinnvoll teilen? Große Empörung hatte im Jahr 2020 ein Papier der Kleruskongregation in Rom ausgelöst, der Tenor damals lautete: Nur ein Priester kann eine Pfarrei leiten, sonst niemand. Doch ausgerechnet in diesem Papier erwähnt die Kleruskongregation bereits die Möglichkeit, Taufe und Eheschließung an Laien zu delegieren - freilich in erster Linie mit dem Ziel, Priester zu entlasten. Dennoch dürften diese Möglichkeiten im Kirchenrecht nicht unausgeschöpft bleiben, schreiben die Mitglieder des Frauenforums. "Es geht hierbei nicht nur um eine Entlastung der Priester und Diakone, sondern nicht zuletzt um Fragen der Gerechtigkeit uns Frauen gegenüber."