Religion:Frauen dürfen taufen - wenn Priester fehlen

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Ein Priester tauft einen Säugling, so verlangt es die katholische Kirche. Im Bistum Essen werden dafür nun auch 17 Frauen eingesetzt - ganz legal. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

In der katholischen Kirche darf die Taufe nur ein Priester oder ein Diakon spenden. Doch es gibt da ein Schlupfloch im Kirchenrecht. Im Bistum Essen taufen nun auch Frauen - zum ersten Mal in Deutschland.

Von Annette Zoch, München

"Wenn mir das vor einem Jahr jemand erzählt hätte", sagt Sandra Schnell, "ich hätte es nicht geglaubt." Die Pastoralreferentin darf taufen - als Frau, ganz offiziell. Was bei Protestanten Normalität ist, ist für die katholische Kirche immer noch ein Novum. Seit etwas mehr als einem Monat dürfen im Bistum Essen auch Laien die Taufe spenden, und damit auch Frauen. Für das Amt hatten sich 17 Frauen und ein Mann beworben, Anfang März hat Bischof Franz-Josef Overbeck sie offiziell in den Dienst berufen. Dass nun erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche 17 Frauen in Deutschland mit Kirchensegen taufen, sei reiner Zufall und kein politisches Zeichen, wie man im Bistum versichert. In elf der 40 Pfarreien des Ruhrbistums sind sie im Einsatz. Die 52-jährige Pastoralreferentin Sandra Schnell in Altena im Sauerland ist eine von ihnen.

In der katholischen Kirche in Deutschland ist viel in Bewegung. Kardinäle denken öffentlich über den Zölibat nach, queere Angestellte müssen mancherorts nicht mehr die Kündigung befürchten - und Frauen fordern mehr Gleichberechtigung. Nach dem Vorstoß von Bischof Overbeck werden auch in anderen Diözesen Stimmen laut, die das Tauf-Amt für Frauen fordern.

Nach katholischer Lehre darf das Sakrament der Taufe nur durch einen geweihten Mann, also einen Priester oder Diakon gespendet werden. Overbeck aber nutzte ein Schlupfloch im Kirchenrecht: Dort heißt es in Artikel Can. 861, dass der Bischof die Taufe delegieren darf, wenn es nicht genügend "ordentliche" Taufspender gibt. Im Schweizerischen Bistum Basel dürfen Frauen mit dieser Begründung bereits seit Längerem taufen, auch der frühere Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff hatte wegen einer unbesetzten Pfarrstelle in einer Pfarrei vorübergehend Taufvollmachten an Laien erteilt.

Die Taufe ist an die richtige innere Haltung gebunden

Dem liege ein ähnlicher Gedanke zugrunde wie der Nottaufe, sagt Liturgie-Expertin Theresa Kohlmeyer, die den Lehrgang für Laien-Taufspender im Bistum Essen geleitet hat. Wenn ein ungetaufter Säugling nach der Geburt in akuter Lebensgefahr schwebt, darf jeder Mensch gültig taufen. Die Taufe ist also nicht zwingend an das Priestertum gebunden, noch nicht mal an die Konfession - nur an die "richtige innere Haltung" zur Taufhandlung, so Kohlmeyer.

Das Bistum Essen leidet - wie viele andere deutsche Diözesen - unter Priestermangel. Viele kleine Pfarreien wurden in großen "pastoralen Räumen" zusammengefasst, diese sind mit Priestern chronisch unterversorgt. Auch die Gemeinde St. Matthäus in Altena, in der Pastoralreferentin Sandra Schnell arbeitet, hat keinen eigenen Pfarrer mehr, nur noch einen "moderierenden" Priester.

Pastor Johannes Broxtermann ist eigentlich schon Ruhestandsgeistlicher und als solcher eingesetzt in Lüdenscheid. Alle zwei Wochen schaut er aber am Sonntag in der gotischen Backsteinkirche in Altena vorbei, feiert die Eucharistie, und damit es sich auch lohnt, gleich zweimal hintereinander. Dazwischen gibt es Wortgottesdienste oder es kommen andere Priester vorbei. Den eucharistischen Einsatzplan macht Sandra Schnell. Denn sie leitet die Pfarrei - und auch damit ist sie eine Pionierin in Deutschland.

Die katholische Pastoralreferentin Sandra Schnell leitet die Pfarrei in Altena und darf nun auch Kinder taufen. (Foto: Michael Schnell)

"Die seelsorgerlichen Dinge jenseits der Eucharistie machen ich und mein Pastoralassistent. Ich kümmere mich um die Netzwerkarbeit, er um die Erstkommunionvorbereitung", sagt Schnell. Neben Pastor Broxtermann organisiert Sandra Schnell auch Beerdigungen. Sie hält den Kontakt zu den Kitas und Schulen in der Gemeinde, gestaltet das Pfarreimagazin, kümmert sich um die Senioren, organisiert das Pfarramt. Als sie anfing, hätte sie mit mehr Widerstand gerechnet, sagt Schnell: "Aber ich bin erstaunt, wie positiv das aufgenommen wurde. Die große Mehrheit ist total zufrieden, dass ich da bin." Und nun kommen eben noch die Taufen hinzu - für Schnell ist das nur ein logischer Schritt.

In anderen Diözesen liegt das noch in weiter Ferne. Doch die Stimmen mehren sich, die Bischöfe auffordern, es Essen gleichzutun. Im Bistum Rottenburg-Stuttgart beriet im März sogar der Diözesanrat über die Möglichkeit der Laientaufe. Bischof Gebhard Fürst sagte, man müsse dies gründlich prüfen. Es gehe um "Qualität vor Schnelligkeit".

Im Bistum Würzburg forderte die Frauenkirchenkonferenz in einem offenen Brief Bischof Franz Jung auf, es seinem Mitbruder Overbeck gleichzutun. Jung blieb in seinem Antwortbrief unverbindlich. Overbeck habe "eine breite Diskussion in der Deutschen Bischofskonferenz ausgelöst", schreibt Jung, ohne auf die Frage der Taufspende für seine Diözese näher einzugehen. Im Moment beschäftigten sich drei bischöfliche Kommissionen mit den Fragestellungen, die diese Entscheidung ausgelöst habe, so Jung weiter: "Ziel ist es, unter den übrigen deutschen Diözesen eine möglichst einheitliche Vorgehensweise abzustimmen."

"Wir wollen als Laien und Laiinnen nicht nur der Notnagel sein"

Sabine Mehling-Sitter ist Leiterin der Frauenseelsorge im Bistum Würzburg, sie hat den offenen Brief mit verschickt. In Würzburg sei es im Moment noch kein Problem, genügend Priester und Diakone für Taufen zu finden, sagt sie. "Ich finde, man kann dennoch die Frage stellen, ob nur ein Priester alle Sakramente spenden kann und ob man sich die Aufgaben nicht auch teilen kann", sagt Mehling-Sitter. "Wir wollen als Laien und Laiinnen ja auch nicht nur der Notnagel sein, wenn Priester fehlen."

Agnes Wuckelt von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) kann diesen Gedanken nachvollziehen. Aber: "Wir müssen da leider so formal vorgehen, weil uns kirchenrechtlich die Hände gebunden sind", sagt die emeritierte Professorin für katholische Theologie an der Uni Paderborn. Es sei trotzdem richtig, alle kirchenrechtlichen Schlupflöcher zu nutzen, ohne dass Rom sich beschweren kann. "Beim Blick auf die Sakramente gibt es bei der Eucharistie, dem Bußsakrament und bei der Krankensalbung leider im Moment keinen Spielraum", sagt Wuckelt.

Aber neben der Taufe "könnten Frauen zum Beispiel auch als Assistenz bei der Eheschließung mitwirken. Denn die Ehe ist ein Sakrament, das sich die Brautleute gegenseitig spenden. Die Anwesenheit eines Klerikers ist also nicht unbedingt nötig." Dass Frauen in der Eucharistiefeier predigen dürfen, daran arbeitet gerade auch der Synodale Weg, das Gesprächsforum der Katholischen Kirche. Ein erster Handlungstext zu einer Änderung der Predigtordnung hat in erster Lesung bereits eine Mehrheit erhalten.

"Diese Fragen berühren natürlich am Ende auch das priesterliche Selbstbild", sagt Wuckelt. Doch das kann vielleicht auch eine Chance für den Priesterberuf sein. Und manche Priester empfänden die stärkere Einbindung der Laien auch als Entlastung, sagt Theresa Kohlmeyer, die die Taufspenderinnen geschult hat. Der Bischof habe eben nicht warten wollen, "bis sämtliche Priester im Erzbistum auf dem Zahnfleisch gehen". Für die Gläubigen selbst, sagt Sandra Schnell, sei der Unterschied zwischen Klerikern und Laien oft nicht so wichtig. "Die gehen da mit einer großen Unbefangenheit heran. Die wollen vor allem gut begleitet werden."

Das ist auch Theresa Kohlmeyer wichtig: "Es geht ja nicht nur um die Taufhandlung an sich, sondern um die gesamte Taufpastoral", sagt sie. "Sollen die Taufgespräche hektisch und unter Stress geführt werden oder in Ruhe? Kann ich die Familie auch nach der Taufe begleiten? Wollen wir die Taufen für die Familien besonders individuell gestalten oder wollen wir Sammeltaufen? Es geht ganz grundsätzlich um die Frage: Wie menschenzugewandt wollen wir sein."

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