Mit weißen Fahnen als Zeichen des Friedens will München dieses Jahr an die Befreiung vom Nationalsozialismus erinnern. Am 30. April jährt sich zum 75. Mal, dass US-Truppen in die Stadt einmarschierten; das Deutsche Reich kapitulierte schließlich am 8. Mai 1945. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Kulturreferent Anton Biebl haben einem Gedenkkonzept der Künstler Wolfram Kastner und Michael Wladarsch zugestimmt. Reiter übernimmt die Schirmherrschaft, das Kulturreferat will die Aktion mit bis zu 15 000 Euro fördern. Wegen der Corona-Krise könnten geplante Veranstaltungen nicht stattfinden, so Biebl. "Umso wichtiger ist es, dass wir andere Formen finden, um an den 30. April 1945 zu erinnern."
"Tag der Befreiung" wollen die Künstler auf Fahnen drucken und sie von 30. April bis 8. Mai gut sichtbar hängen lassen. Geprüft werde derzeit, ob man dafür die städtischen Fahnenmasten in der Kaufingerstraße verwenden könne. Zudem wünscht sich Kastner, dass auch an öffentlichen Gebäuden weiße Fahnen hängen werden. Den ursprünglichen Plan, eine Fahne am Rathausturm anzubringen, wo einst eine Hakenkreuzfahne hing, habe die Stadt aus formalen Gründen abgelehnt, berichtet Kastner. Die Beflaggungsverordnung lasse dies nicht zu.
Auch die Bürger wollen die Künstler einbeziehen: Sie wollen alle Münchner aufrufen, aus ihren Fenstern weiße Tücher oder Laken zu hängen, am liebsten auch mit der Aufschrift "Tag der Befreiung". Ergänzen werden Kastner und Wladarsch ihre Aktion mit einem Online-Museum: Bürger sollen private Fotos aus den letzten Tagen der NS-Herrschaft und der ersten Zeit danach hochladen und so ein digitales Erinnerungsforum schaffen.
"Am 30. April 1945 waren nur wenige weiße Fahnen in München zu sehen. 75 Jahre danach sollen weiße Fahnen und Tücher in der ganzen Stadt wehen, als Zeichen für Frieden und Freiheit, gegen Krieg, Hass und Gewalt", schreiben die Künstler in ihrem Konzept. Trotz der Corona-Beschränkungen müsse man an den Jahrestag erinnern: "Wir erstarren nicht vor Angst, wir ignorieren nicht die Gefahren. Nichtstun wäre ein falsches Signal. Wir zeigen, dass wir aus der Geschichte lernen, Würde und Freiheit aller Menschen zu achten und uns für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen."