Fußgängerzonen:Die Tücken der autofreien Innenstadt

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Viele wünschen sich, das Tal zur Fußgängerzone zu machen. Doch was passiert dann mit Bussen und Radlern? Außerdem sollen während des Baus der zweiten S-Bahn-Stammstrecke Lastwagen hier durchfahren. (Foto: Stephan Rumpf)

In den kommenden Jahren soll die Innenstadt Stück für Stück autoärmer werden. Doch so einfach ist das nicht.

Von Andreas Schubert

Wer in Wien als Besucher erstmals in die Innere Mariahilfer Straße kommt, könnte sich über eine ungewohnte Verkehrsführung wundern. Dort gibt es eine 430 Meter lange Fußgängerzone, die von zwei sogenannten Begegnungszonen eingefasst ist, in denen Auto-, Rad- und Fußgängerverkehr gleichberechtigt sind und ein Tempolimit von 20 Kilometern pro Stunde gilt. Parkplätze gibt es keine mehr. Das Modell war bei der Einführung vor fünf Jahren zunächst heftig umstritten, nicht zuletzt, weil der Handel extreme Einbußen fürchtete. Es kam anders, inzwischen wird die Verkehrsberuhigung als Erfolg gefeiert.

Eins zu eins lässt sich eine solche Begegnungszone in Deutschland bislang nicht umsetzen, da der gesetzliche Rahmen fehlt. Für das Tal in München, mit dem sich der Mobilitätsausschuss am nächsten Mittwoch befasst, kommt eine solche Lösung derzeit deshalb nicht infrage, wie das Planungsreferat erklärt. Auch nicht die Regelung, die auf der sogenannten Kustermann-Fahrbahn am Viktualienmarkt gilt. Diese ist eigentlich eine Fußgängerzone, in der Taxis und Lieferverkehr in eine Richtung sowie Linienverkehr zugelassen sind. Wegen der Busse ist dort aber der Gehweg nach wie vor von der Fahrbahn baulich getrennt. Außerdem ist die Strecke ein Teil der Fahrrad-Hauptroute durchs Zentrum, seit der Marienplatz komplett zur Fußgängerzone wurde.

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Im Tal hingegen herrscht nach wie vor reger Verkehr. Zwar befürwortet der Bezirksausschuss Altstadt-Lehel, dass die 29 Kurzzeitparkplätze im Tal gestrichen werden, sobald die Tiefgarage am nahen Thomas-Wimmer-Ring fertig ist. Dennoch verbleiben immer noch Anwohner- und Lieferverkehr sowie Taxis, die Buslinie 132 der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Busse für Stadtrundfahrten. Und natürlich die Radfahrer. Diese Gemengelage macht die Verkehrsberuhigung oder gar eine bauliche Umgestaltung zur Fußgängerzone im Tal schwierig.

In den nächsten Jahren soll die Innenstadt sukzessive autofrei - oder besser: autoarm - werden. Dazu gehört natürlich die Ausweitung der Fußgängerbereiche. Grundsätzlich, so heißt es in einer Vorlage der Verwaltung, sei eine Fußgängerzone beziehungsweise die Verbreiterung der Gehwege im Tal "in jedem Fall zu befürworten". Doch dem stehen die genannten Hindernisse im Weg. Da wäre zudem auch noch die Baustelle für die zweite S-Bahn-Stammstrecke. Die in der Baugenehmigung festgelegte Route für den Lastwagenverkehr nämlich führt ausgerechnet durch das Tal über die Sparkassen-, Pfisterstraße und Hofgraben zum Marienhof. Das wird noch bis 2028, wahrscheinlich sogar länger, so bleiben. Derzeit sieht das Planungsreferat deshalb aktuell keine Möglichkeit, das Tal zur Fußgängerzone umzubauen. Auch für die Stadtbuslinie 132, die normalerweise durchs Tal fährt, müsste eine Lösung gefunden werden. Denn den Marienplatz noch weiter vom öffentlichen Busverkehr abzuschneiden, ist nicht erwünscht. Schon die Verbannung der MVG-Busse vom Marienplatz vor vier Jahren war umstritten.

Bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Rathaus-SPD am Donnerstag gab es allerdings viel Lob für den umgestalteten Marienplatz, und zwar vom Gewerbeverein City-Partner. Dessen Geschäftsführer Wolfgang Fischer bezeichnete die Maßnahme als eine der erfolgreichsten seit Einführung der Fußgängerzone überhaupt. Er schlug für das Tal vor, schnellstmöglich mit Anwohnern und Gewerbe ins Gespräch zu kommen. Nikolaus Gradl, der verkehrspolitische Sprecher der Rathaus-SPD, forderte ein Gesamtkonzept für die Altstadt. Er ist optimistisch, dass sich schon in vier bis fünf Jahren sichtbare Veränderungen ergeben könnten. Dazu beitragen könnte aus Sicht der SPD ein elektrisch betriebener City-Bus, der die Erschließung des Zentrums gewährleisten würde.

Auch das Parkraummanagement ist ein essentieller Aspekt einer autoarmen Innenstadt. Derzeit gibt es innerhalb des Altstadtrings rund 3500 oberirdische und öffentliche Parkplätze, die nach und nach verschwinden sollen. Die grün-rote Rathauskoalition will pro Jahr 500 davon streichen. Ein Effekt soll sein, dass sich der sogenannte Park-Such-Verkehr deutlich reduziert. Außerdem entsteht so mehr Platz, der unterschiedlich genutzt werden könnte. Die SPD etwa wünscht sich - nicht nur für das Tal - mehr konsumfreie Aufenthaltsbereiche, eine Mobilitätsstation, weitere Stellplätze für Menschen mit Mobilitätseinschränkung oder weitere Lieferzonen. Erreichbar müsse das Zentrum nach wie vor für alle Menschen bleiben, betonte SPD-Fraktionschefin Anne Hübner.

© SZ vom 07.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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