Proteste in München:Scharmützel um die IAA

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Ein Polizeisprecher begründete das harte Vorgehen damit, dass etwa 100 Demonstranten versuchten, eine Polizeiabsperrung an der Münchner Theresienwiese zu durchbrechen. (Foto: dpa)

Polizisten und IAA-Gegner liefern sich den ganzen Tag über ein anstrengendes Kräftemessen, meist friedlich, doch dann kommen Schlagstöcke und Pfefferspray zum Einsatz.

Von Thomas Anlauf, Martin Bernstein, Bernd Kastner und Joachim Mölter

Hunderten Gegnern der Automobilmesse IAA Mobility ist es am Freitag trotz massiven Polizeiaufgebots an mehreren Stellen in der Stadt gelungen, ihre angekündigten Stör- und Blockadeaktionen durchzuführen. Während die Polizei einen angemeldeten Demonstrationszug vom Klimacamp durchs Bahnhofsviertel mit Hunderten Beamten begleitete und einzelne Gruppen immer wieder stoppte, gelang es Aktivistinnen und Aktivisten aus Gruppen wie "Sand im Getriebe" und "Smash IAA" unter anderem, die sogenannte Blue Lane auf der Autobahn nahe dem Messegelände zu blockieren und auf den von der IAA als "Open Space" genutzten Königsplatz vorzudringen. Bereits am Vormittag hatte die Polizei auf der Theresienwiese, wo sich seit Beginn der Messe etwa eintausend Menschen in dem angemeldeten Protest-Camp aufhalten, Aktivisten gewaltsam zurückgedrängt.

Kurz vor zehn Uhr zieht eine Gruppe Demonstranten vom Camp zur Südspitze der Theresienwiese. Als der Zug startet, setzen sich auch zahlreiche Polizeiwagen in Bewegung. An der Ecke Bavariaring/Hans-Fischer-Straße stellen sich Beamte den Demonstranten in den Weg. Zuerst drücken beide Seiten gegen die andere, dann setzen Polizisten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Etwa eine halbe Stunde lang liefern sich Aktivisten und Polizisten südlich der Theresienwiese ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Autos auf der Fahrbahn.

Proteste gegen IAA
:Rauch, Schlagstöcke und Pfefferspray

Bei Demonstrationen gegen die Automesse IAA ist es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei gekommen. Die Proteste in Bildern.

Die Polizei tut sich sichtlich schwer, die Demonstranten aufzuhalten. Eine Kette aus USK-Beamten riegelt die Fahrbahn ab. Als ein paar Demonstranten zwischen Bäumen über eine Wiese auf Polizisten zulaufen, brüllt ein Uniformierter ihnen entgegen, es hört sich aus ein paar Meter Entfernung an wie: "Jeder, der durchkommt, kriegt 'nen Stock." Später, als ein Teil der Demonstration eines der Camp-Eingänge passiert, gibt ein Polizist per Funk an Kollegen durch: "Die biegen jetzt ins Camp ab und dann sind sie wieder verräumt."

Andere Gruppen kommen trotz des massiven Polizeiaufgebots aus dem Gelände und können ihre Protestaktionen durchziehen. Um kurz vor zwölf gelingt es einer Gruppe von Aktivisten, erneut eine Autobahn zu blockieren, diesmal die A 94. Von einer schmalen Eisenbahnbrücke zwischen Messegelände und der Hofbräu-Brauerei hängt sich ein junger Mann mit Seilen und einer Art Hängematte ans Geländer.

Die Polizei sperrt die stadteinwärts führende Spur am Autobahnkreuz Feldkirchen, es ist ein Teil der Blue Lane zwischen Messe und Innenstadt. Fünf Aktivisten waren auf die schmale Brücke gegangen, vier von ihnen werden laut Polizei widerstandslos festgenommen. Der junge Mann an den Seilen wird nach etwa einer Stunde von Beamten des Spezialeinsatzkommandos übers Geländer bugsiert. Bei seiner Festnahme leistet er passiven Widerstand. Er wird gefesselt, durchsucht und von der Brücke geführt, am Ende getragen.

Insgesamt verläuft die Aktion ruhig. Unterdessen machen sich unbemerkt von der Polizei Dutzende Menschen von "Smash IAA" mit der U-Bahn auf den Weg in den Münchner Osten. Geheimer Sammelpunkt ist in kleinen Nebenstraßen des Karl-Preis-Platzes. Dann um 11.53 Uhr geht es los. Im Laufschritt hinunter zur U-Bahn, kurz vor der Station Kreillerstraße ruft eine Aktivistin "Warnwesten anziehen", alle Menschen im Abteil stehen auf, streifen sich grüne Westen über, dann rennen sie im Pulk die Treppen der Station hoch und laufen mitten auf der St.-Veit-Straße zum Boschwerk. Das von der Schließung bedrohte Werk an der Truderinger Straße ist ihr Ziel.

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Innerhalb von Sekunden entrollen die Aktivisten Banner. "Die Klimabewegung kämpft auf eurer Seite, smash IAA", steht auf einem Transparent, "Autokonzerne entmachten und enteignen" auf einem anderen. Drei Aktivisten klettern über eine Leiter auf das Vordach zum Eingang des Boschwerks, entzünden drei rote Bengalos und entrollen ein weiteres großes Transparent. Nach zehn Minuten ziehen die Aktivisten friedlich ab. Die Polizei rückt erst 15 Minuten später an.

Im Lauf des Tages schaffen es IAA-Gegner immer wieder, die Polizei an weitere Einsatzorte zu zwingen. Selbst aus der von zahlreichen Polizisten und etlichen Einsatzwagen auf ihrem Weg durch die Stadt eskortierte Demonstration von "No future for IAA" heraus gelingt den IAA-Gegnern eine Aktion. Der Zug mit rund 350 Teilnehmern stoppt plötzlich in der Karlstraße auf Höhe der Hausnummer 20, es entsteht Gedränge mit den Polizisten, einige der in weiße Overalls gekleideten Demonstranten versuchen, auf Bäume zu klettern.

Andere hatten das leer stehende Haus offenbar bereits in der Nacht besetzt: Aus den oberen Stockwerken werden Banner entrollt mit der Aufschrift "Block IAA" und Bengalos gezündet. Unten auf der Straße setzen Polizisten derweil Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Zumindest eine Demonstrantin wird bei der Aktion so sehr verletzt, dass sie am Straßenrand behandelt und schließlich auf einer Trage weggebracht wird. Gegen 14.30 Uhr wiederum blockieren etwa 150 Aktivisten den Stand-Eingang von Mercedes vor der Feldherrnhalle. Ein bis zwei Stunden ist der Betrieb dort lahmgelegt; später einigen sich Polizei und Demonstranten darauf, aus dem Protest eine offizielle Versammlung zu machen. Gegen 17.40 setzen sich Aktivisten von "Sand im Getriebe" vor den Eingang des Audi-Stands am Wittelsbacher Platz. Die Polizei lässt sie gewähren. Um sieben abends löst sich alles auf, es regnet in Strömen. Die verbliebenen Aktivisten ziehen skandierend nach Hause, ins Klimacamp.

© SZ vom 11.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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