Kampf gegen Luxussanierung:Stadt gibt Mietern Millionen-Zuschuss zum Kauf ihres Hauses

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Vor knapp einem Jahr tauchte das 1894 erbaute Haus plötzlich in einem Immobilienportal auf. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Aus Angst vor einer Luxussanierung sammeln die Bewohner der Wörthstraße 8 in Haidhausen Kreditzusagen, um selbst Eigentümer zu werden. Am Beitrag des Rathauses gibt es auch Kritik.

Von Patrik Stäbler

Gut ein Jahr, nachdem die Mieterinnen und Mieter in der Wörthstraße 8 jene Hiobsbotschaft ereilt hat, sitzt Katrin Göbel am Mittwochvormittag auf der Galerie des Sitzungssaals im Rathaus und blickt gebannt hinab auf die Mitglieder des Feriensenats des Stadtrats, wie sie die Hände zur Abstimmung heben. Im Juli 2022 hatte eine Bekannte auf eine Anzeige in einem Immobilienportal hingewiesen. Dazu der Satz: "Das ist doch euer Haus!"

Seit diesem Tag treibt die 13 Wohnparteien in dem 1894 erbauten Gebäude, die aktuell Mieten um die zehn Euro pro Quadratmeter zahlen, die Angst um. Schließlich kennt man gerade in Haidhausen zig Geschichten von Immobilien, die erst verkauft und dann saniert werden. Und danach schießen die Mieten mal eben aufs Doppelte. Doch anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, nahm die Hausgemeinschaft in der Wörthstraße den Kampf auf.

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Um ihre Immobilie der drohenden Spekulation zu entziehen, fassten zehn Parteien den Plan, das Gebäude selbst zu kaufen. Hierzu gründeten sie einen Verein, sammelten bislang 160 Kreditzusagen über 2,5 Millionen Euro und wandten sich überdies an die Stadt mit der Bitte um Unterstützung.

Diese hat der Feriensenat nun gewährt: Gegen die Stimmen von CSU, Freien Wählern und FDP bewilligte das Gremium eine Förderung, die auf eine Summe von gut einer Million Euro hinausläuft. Für "Wörth 8", wie sich die Hausgemeinschaft nennt, heißt das: Sie hat nun die Mittel beisammen, um in die Verhandlungen über den Hauskauf einzutreten.

"Wir haben uns gefreut und sind erleichtert", sagt Katrin Göbel nach der Sitzung. "Für uns ist die Unterstützung der Stadt ein wichtiger Baustein bei unserem Ziel, das Haus zu kaufen." Genau genommen möchte der Verein "Wörth 8" nur eine Hälfte der Immobilie erwerben. Der andere Teil gehört inzwischen einer Stiftung, mit der die Mietergemeinschaft einen Erbpachtvertrag abschließen will. Der Besitzer der zweiten Haushälfte bietet diese für 4,5 Millionen Euro auf dem freien Markt an, was für "Wörth 8" bedeutet: Der Verein muss inklusive Nebenkosten circa 5,3 Millionen Euro aufbringen - vor allem über Direktkredite von Privatpersonen.

Katrin Göbel (li.) und Ulrike Brugger vom Verein "Wörth 8" sind erleichtert, aber nicht euphorisch - denn noch fehlen 1,5 Millionen Euro. (Foto: Robert Haas)

Den tatsächlichen Kauf soll dann eine GmbH tätigen, der neben "Wörth 8" auch das Mietshäuser-Syndikat angehört. Diese nicht-kommerzielle Initiative aus Freiburg unterstützt Menschen dabei, gemeinschaftlich eine Immobilie zu kaufen oder zu bauen, um sie dauerhaft dem Spekulationsmarkt zu entziehen. Bundesweit gibt es knapp 200 solcher Syndikatshäuser - in München aber bislang nur ein einziges, nämlich in der Ligsalzstraße im Westend.

Die Wörthstraße 8 könnte nun also das zweite werden und wäre ein "Leuchtturmprojekt" in der Stadt, ist Andy Ebert überzeugt, der ebenfalls in dem Haus wohnt. Viele Nachahmer erhofft sich auch Dieter Reiter (SPD), wie der Oberbürgermeister in der Sitzung des Feriensenats betont. Anders als CSU-Stadtrat Fabian Ewald, der vor der Schaffung eines Präzedenzfalls und dem "erheblichen Finanzaufwand" warnt, spricht Reiter von einem "guten Deal" für die Stadt.

Sie sichert sich nämlich im Gegenzug für die Förderung die Belegrechte in fünf Wohnungen des Hauses für einen Zeitraum von 80 Jahren. Bedeutet: Sobald sie frei werden, muss dort jemand einziehen, der Anspruch auf geförderten Wohnraum hat. Solange dies nicht der Fall ist, erhält die Stadt für das nicht ausgeübte Belegrecht eine jährliche Ablösung. Überdies verpflichtet sich "Wörth 8" dazu, dass die Mieten in den betreffenden Wohnungen zehn Prozent unter dem städtischen Mietspiegel bleiben.

Mit diesem Förderkonstrukt betritt die Stadt Neuland, entsprechend ist von einem Pilotprojekt die Rede. Zwar erwirbt das Rathaus bereits seit 2018 Belegrechte, jedoch bisher nur an unvermieteten Wohnungen. "Die Mieterinnen und Mieter der Wörthstraße 8 kämpfen seit über einem Jahr mit riesigem Engagement für den Erhalt ihres Hauses", betont Anne Hübner, Vorsitzende der Fraktion SPD/Volt. "Dass wir als Stadt jetzt spürbar unterstützen können, ist ein großer gemeinsamer Erfolg."

Lob für das Pilotprojekt kommt auch von der Linken und der Fraktion Grüne/Rosa Liste. Deren Stadtrat Christian Smolka sagt mit Blick auf die nun beschlossene Förderung: "Es eröffnen sich interessante Perspektiven für Mieterinnen und Mieter, die sich auf diese Weise für das von ihnen bewohnte Haus engagieren wollen. Die Stadt erhält langfristige Belegrechte in einem Erhaltungssatzungsgebiet, das von Luxussanierungen bedroht ist und dringend preiswerten Wohnraum benötigt."

Derweil freuen sich die Bewohnerinnen und Bewohner in der Wörthstraße 8 über einen "großen Schritt in Richtung unseres Ziels", sagt Katrin Göbel. Für allzu viel Euphorie sieht sie - auch mit Blick auf gut 1,5 Millionen Euro, die der Verein noch einsammeln muss - jedoch keinen Anlass. "Der große Jubel mit Champagner kommt erst", sagt Katrin Göbel, "wenn wir das Haus wirklich gekauft haben."

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