Die Pläne des Staatstheaters am Gärtnerplatz:Die Freiheit der Kunst beschwören

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Demnächst zu Gast am Gärtnerplatz: Choreograf Marco Goecke wird im Rahmen eines Doppelabends Strawinskys "Le Sacre du Printemps" neu interpretieren. (Foto: Christophe Gateau/picture alliance/dpa)

Das Staatstheater am Gärtnerplatz stellt seine Pläne für die Saison 2024/25 vor. Der Schwerpunkt wird wieder stärker auf größeren Opern liegen.

Von Michael Stallknecht, München

"La liberté!", heißt der Schlachtruf am Ende des zweiten Akts von Bizets "Carmen". Dass die Kunst frei sein muss, auch von allzu moralistischen Ansprüchen, gehört ebenso zu den Überzeugungen von Josef E. Köpplinger. Man mag also programmatisch lesen, dass der Intendant des Gärtnerplatztheaters seine nächste Spielzeit mit diesem Klassiker eröffnet. Herbert Föttinger wird ihn in der Fassung der Uraufführung inszenieren, also mit (französischen) Dialogen, was zu einem Haus mit Spieloperntradition passt. Dennoch wird der Schwerpunkt 2024/25 stärker als in der laufenden Spielzeit wieder auf größeren Opern liegen, wie bei der Pressekonferenz deutlich wurde. Magdalene Fuchsberger gibt ihr Regiedebüt am Gärtnerplatz bei Händels "Alcina", als Mehrspartenproduktion mit Ballett, bei der Chefdirigent Rubén Dubrovsky seine Kompetenz in Sachen historischer Aufführungspraxis ausspielen kann. Später folgt Donizettis "Liebestrank" in einer Inszenierung von Dirk Schmeding.

Operettenfreunde werden dennoch nicht zu kurz kommen: Köpplinger selbst wird als Regisseur Johann Strauß mit dem fast nie gespielten "Waldmeister" zum 200. Geburtstag gratulieren. Eher auf Bewährtes greift er dagegen mit Sullivans "Piraten von Penzance" zurück, die hier zuletzt 2009 Premiere feierten und damals wie jetzt von Anthony Bramall dirigiert wurden; mehr noch mit "La Cage aux Folles" als Musicalpremiere.

Für größeres Aufsehen dürfte da eine Besetzung bei der einzigen Ballettpremiere sorgen: Marco Goecke, der im Rahmen eines Doppelabends Strawinskys "Le Sacre du Printemps" neu interpretiert. Der Choreograf ist auch einer weniger tanzaffinen Öffentlichkeit bekannt, seit er einer Kritikerin den Kot seines Hundes ins Gesicht schmierte. Er verlor seinen Job als Ballettdirektor in Hannover, selbst Wiederaufnahmen dürfen seitdem nur noch von Assistenten einstudiert werden. Er verurteile den Vorfall, sagt Ballettdirektor Karl Alfred Schreiner nun, aber man müsse die Person von der Arbeit trennen. Und Goecke bleibe nun mal "einer der wichtigsten deutschen Choreografen" (was er nicht zuletzt am Gärtnerplatztheater mit einer gefeierten Umsetzung von Fellinis "La Strada" unter Beweis gestellt hat). Im christlichen Bayern sollte man auch etwas von Vergebung verstehen, fügt Köpplinger hinzu, Goecke habe "eine zweite Chance" verdient.

Die Stückwahl wird nicht nur den spannenden Vergleich mit Pina Bauschs klassischer Version ermöglichen, die kurz zuvor an der Bayerischen Staatsoper einstudiert wird, sondern birgt auch eine gewisse Ironie, nachdem der "Sacre" bei seiner Uraufführung einen der größten Skandale der Theatergeschichte auslöste. Köpplinger bleibt damit jedenfalls seinem Credo treu: im Zweifel für die Kunstfreiheit.

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