Fotografien von Herlinde Koelbl:So sieht Angela Merkels Abschied aus

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Die Fotografin Herlinde Koelbl im Gespräch mit Kurt Kister, ehemaliger Chefredakteur der SZ, im Literaturhaus. (Foto: Florian Peljak)

Die Münchner Fotografin Herlinde Koelbl stellt beim Literaturfest ihren Bildband über die scheidende Bundeskanzlerin vor.

Von Jürgen Moises, München

Ob sie Angela Merkel bewundert? Bei dieser Frage braucht Herlinde Koelbl erstmal Bedenkzeit. Und nach kurzem Schweigen antwortet die Münchner Fotografin ziemlich diplomatisch, dass sie eigentlich nur wenige Menschen bewundere. Sie gibt aber zu: "Ich habe Respekt." Die Bundeskanzlerin habe gut regiert. Im Ausland habe man sie sehr oft auf Angela Merkel angesprochen. Und Koelbl ist sich sicher: "Deutschland hat durch sie an Ansehen gewonnen." Das bestätigt auch Kurt Kister, der ehemalige SZ-Chefredakteur, dass er das im Ausland oft gehört habe. Das wäre schon mal ein erstes Resümee zur "Ära Merkel", die im Literaturhaus beim Literaturfest München am Dienstagabend im großen Saal unter dem gleichnamigen Titel das Thema war.

Eine Frage der Haltung: Fotografin Koelbl blickt im Buch auf Angela Merkel und ihre Ära. (Foto: Florian Peljak)

"Ein Abend mit Herlinde Koelbl" lautete der Untertitel der Veranstaltung, bei der die Fotografin im Gespräch mit Kurt Kister ihren großen Bildband "Angela Merkel. Portraits 1991 - 2021" vorstellte. Dabei zuhören durften nur vergleichsweise wenige Leute. Wegen der aktuellen Corona-Beschränkungen waren die Sitzplätze auf ein Viertel reduziert. Deswegen waren auch die Bühne und die Stühle anders aufgestellt. Einige Interessierte mussten wegen der Beschränkung abgewiesen werden, zwei oder drei mussten wieder gehen, weil sie keinen aktuellen, negativen Corona-Test vorlegen konnten. Und im Saal wurden zwei Besucher von einer Mitarbeiterin gebeten, ihre abgenommenen Masken wieder aufzusetzen. Dinge, die aktuell bei Veranstaltungen normal sind und angesichts der hohen Inzidenzen auch ihre Richtigkeit haben. Etwas steifer, trockener und formeller macht das kulturelle Zusammentreffen trotzdem.

Politische Macht verändert die Menschen

Womit wir zurück bei Angela Merkel wären, die in den 16 Jahren ihrer Amtszeit oft sehr streng und zurückhaltend wirkte. Ob das ihrem Wesen entspricht? Durchaus, erfuhr man von Herlinde Koelbl, während draußen, hinter den Glasfenstern, ein starker Wind tobte. In der Art, wie sie langfristig und analytisch denke oder ihr Ego im Griff habe, darin sei die studierte Physikerin Merkel eigentlich immer die Wissenschaftlerin geblieben, so Koelbl. Aber auch die Macht habe diese Zurückhaltung gebracht. Denn dass ein politisches Amt Menschen verändert, das hat schon Koelbls von 1991 bis 1998 durchgeführte, fotografische Langzeitstudie "Spuren der Macht" ans Tageslicht gebracht. Manche werden arrogant und viele dicker, was man besonders deutlich an Joschka Fischer sah. Auch bei Angela Merkel, die damals neben etwa Gerhard Schröder oder Heide Simonis unter den Porträtierten war, haben sich Körper und Mimik verändert. Aber vor allem das emotionale Fell ist dicker geworden.

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Das passierte sehr stark beim Übergang zur Kanzlerschaft. Merkel trug von da an Blazer, Make-up, ihr Haar wurde von Udo Walz frisiert. Und sie machte mit ihren Händen ihre Raute. Ein Phänomen, das Koelbl erstmals 1998 fotografiert hat, noch bevor es in den Medien einen Namen dafür gab, wie Kurt Kister bemerkte. Und davor? Wirkte Merkel offener, neugieriger, scheuer, musste ihre Rolle als Bundesministerin und spätere CDU-Generalsekretärin erst finden. Aber: Sie hatte schon "etwas Eigenwilliges", man hatte "das Gefühl, dass sie was will". Das sei ihr als Fotografin damals aufgefallen, sagt Koelbl. Als Merkel 2005 dann Kanzlerin wurde, fragte die mit Fotoserien wie "Das Deutsche Wohnzimmer" oder "Faszination Wissenschaft" bekannt gewordene Münchnerin Merkel, ob sie sie weiter fotografieren dürfe. Die gemeinsame Abmachung: Koelbl wird mit niemandem darüber sprechen. Die Bilder werden erst nach Merkels politischer Karriere publiziert. Es gibt nur einen Stuhl, eine weiße Wand und alles andere wird weggelassen.

Beim Fotografieren Fragen gestellt

Das in den letzten Wochen wie kaum ein anderes Buch besprochene Ergebnis hat nun 248 Seiten. Es enthält Essays und Zitate von Merkel, denn Herlinde Koelbl hat Merkel beim Fotografieren auch immer Fragen gestellt. Kurt Kister wollte von der 82-Jährigen wiederum wissen, ob sie sich eine vergleichbare Serie mit Olaf Scholz, mit Christian Lindner oder Robert Habeck vorstellen könne. Aber auch hier blieb die sehr lebhaft und charmant auftretende Fotografin mit ihrem typischen feuerroten Haar sehr diplomatisch. Ihre Fragen zum Thema Macht hätten sich erledigt, sie würde sich als Fotografin da nur wiederholen. Sie sagte dann aber doch, dass Scholz ja immer das gleiche Gesicht habe. Merkel würde sie dagegen gerne nochmal fotografieren. Aber wenn die baldige Bundeskanzlerin a.D. etwas entschieden habe, dann bleibe es meistens dabei. "Ich glaube nicht, dass sie dann wieder einen Schritt zurück macht." Und was würde man dann sehen? Merkel wie Gerhard Schröder bei der Gartenarbeit? Das kann man sich in der Tat doch nur schwer vorstellen.

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