Flohmärkte in München:Feilschen mit klaren Regeln

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Unter strengen Auflagen dürfen sich Verkäufer und Trödelfans wieder treffen. Die Geschäfte laufen zwar noch verhalten, doch die Stimmung ist bestens.

Von Tom Soyer

Der Wolpertinger ist ein Fabelwesen, - und doch begegnet er einem in Bayern da und dort. "Wir sind vom Infektionsschutzrecht her auch ein Wolpertinger", sagt Claudia Hartl über ihren riesigen Flohmarkt hinter dem Riemer Messegelände, an einen Stehtisch gelehnt, mit Mund-Nasenschutz: "Sind wir ein Markt? Einzelhandel? Oder eine Großveranstaltung?" Irgendwie von allem etwas - und seit Ende Juni nach monatelanger Pause auch wieder behördlich genehmigt. "Wir lieben trödeln, mit Abstand!" steht nun am Handgelenk jedes Besuchers und Flohmarkthändlers. Ein Flohmarkt-Samstag in Corona-Zeiten - ein Stückchen mühsam wiedergewonnener Normalität.

"Wir waren der erste Flohmarkt in Bayern, der wieder aufsperren durfte", sagt Hartl als Geschäftsführerin der Betreiberfirma "Flohmarkt München-Riem GmbH" nicht ohne Stolz. Sie und ihr Bruder veranstalten diesen riesigen Trödelmarkt mit ihrer GmbH für den Bezirksverband Oberbayern des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern. Stolz ist sie deshalb, weil sie selbst ein durchaus anstrengendes Hygiene- und Veranstaltungskonzept entworfen hat - das wohl der Grund dafür war, dass die Behörden den Flohmarkt-Wolpertinger am De-Gasperi-Bogen in der Messestadt-Ost nun im Gegensatz zu anderen Großveranstaltungen erlauben konnten.

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Wichtigster Baustein: Niemand kommt aufs Gelände, ohne sich und sein Fahrzeug vorher online registriert zu haben. Weil da auch für Parkplatz und Besucherticket 2,50 Euro fällig werden, geht das nur mit Angabe echter Daten. Bedeutet mit den Worten Claudia Hartls: "Bei mir steht dann eben kein ,Dagobert Duck' in der Gästeliste, sondern wir können wirklich rückverfolgen, wer da war, wenn's nötig werden sollte."

Der Buchungsvorgang ist kompliziert, zweimal muss man seine persönlichen Daten eingeben, das kann auch abschrecken. Aber Hartl jammert nicht, sondern freut sich, "dass wir wieder da sind". Einige Händler hätten ihr vor lauter Freude Wein oder Pralinen gebracht zum Wiederbeginn. Freude über Normalität, das ist auch das prägende Gefühl für einen regelmäßigen Verkäufer wie Olli Müller aus München, der das alles ohnehin "seit 30 Jahren aus Passion fürs Nachhaltige" macht. Dass "die Geschäfte noch verhalten laufen", stehe für ihn nicht im Vordergrund, mehr schon der "gemütliche, ruhige Tag mit Spaß an Kommunikation". Denn natürlich werden mit den gebrauchten Stücken immer auch Geschichten erzählt. Und wenn das gut laufe, dann seien Verkäufer und Käufer zufrieden. "Man muss gönnen können", das sei da sein Motto, sagt Müller, der die strengen Corona-Auflagen nicht nur am Samstag in Riem, sondern unter der Woche auch in seinem Job in der Großmarkthalle München respektiert.

Sein Standnachbar, der Rudi, bleibt indes auf seinen Fahrrädern offenbar sitzen, und so ergeht es auch Anbietern von Kaffeemaschinen und anderen Elektrogeräten: Da sei "Corona" schon zu spüren, die Grenzen nach Osteuropa seien derzeit nicht offen. Und die Händler aus Ungarn, Bulgarien und anderen Ländern fehlten. Die, so berichtet Olli Müller, kauften das nämlich hier gerne auf und handelten dann in ihrer Heimat mit Gewinn damit. Dafür gebe es jetzt mehr Haushaltskram, "die Leut' ham dahoam aufgramt".

Auf dem Gelände stehen die Stände locker verteilt, mit viel Abstand, überall gibt es Desinfektionsmöglichkeiten, und ab und zu erinnern Claudia Hartl und ihre Helfer Passanten, doch bitte auch die Nase mit der Maske zu bedecken. Ohne Stress, freundlich und immer mit Soforterfolg.

Online-Registrierung? Das will man den Senioren nicht zumuten

Gar nicht weit entfernt im Münchner Osten, an der Trabrennbahn Daglfing, fährt Edith Reber mit ihrem ebenfalls riesigen Traditionsflohmarkt eher das klassische Biergarten-Zugangskonzept: Online-Registrierung wolle sie ihren Senioren nicht zumuten. Reber, die auch die Gastronomie an der Rennbahn betreibt und sogar Traber dort laufen hat, verdeutlicht es an ihrem Paradebeispiel: "Ich hab eine Dame, die ist 83 und fährt von Anzing da her, die verkauft selbstgestrickte Babysachen. Und die frag' ich dann nach einem Online-Ticket?"

An den beiden Zugängen muss sich deshalb jeder in Listen eintragen und erhält ein nummeriertes Armbändchen. So wird kontrolliert, dass nur maximal 1000 Menschen am Rande der Trabrennbahn und hinter den Tribünen im Schatten um Dinge feilschen wie eine alte Sepp-Maier-Figur oder ein altes Röhrenradio. Ähnlich wie in Riem herrscht sehr gelassene Stimmung, die Menschen halten wirklich Abstand und, ja, sie scheinen auch nicht mehr wahllos alles anzufassen, sondern nur noch gezielt zu prüfen - und das alles vor dem schönen Panorama trainierender Traber-Gespanne hinten auf der Rennbahn.

Trödeln zwischen Villen und herrlichen Höfen

Besonders hübsch ist auch die Kulisse in der Pasinger Villenkolonie, wo an diesem Samstag viele Luftballons draußen hängen: Hofflohmarkt in Pasing-Nord. Da hängt dann ein edelrotes Ballkleid unterm Baum, in einem Vorgarten steht ein Dixie-Klo, und Julia Engelhardt in der Peter-Vischer-Straße ist begeistert, dass es "dieses Jahr richtig abgeht". Dass sich die Pasinger echt viel Mühe geben, auf Masken, Abstand und Desinfektionsmöglichkeiten zu achten, hat auch damit zu tun, dass Hofflohmarkt-Organisator René Götz am Morgen alle Teilnehmer abgeklappert und auf unbedingte Corona-Disziplin eingeschworen hat. Noch seien Hofflohmärkte nur ausnahmsweise vom KVR genehmigt.

In der August-Exter-Straße stehen zwei junge Männer vor einem Haus und regeln per Handsignal flüssig und elegant, wer wann hineindarf, damit's immer ohne Gedränge bleibt. Ihnen sei "ein gerechter Anteil" an den Einnahmen versprochen, sagt Niko Fellner und lacht. Das Trödel-Shopping vor den herrlichen Häusern des Architekten August Exter in Pasing ist auch mit Mund-Nasen-Schutz ungemein anregend, wie Anwohnerin Jutta verrät: Als ihr Hofflohmarkt-Team am Nachmittag das Kleingeld zählt, sind's mehr als 500 Euro. Ein hübscher Normalitäts-Gewinn. Und weil alle auf eineinhalb Meter Mindestabstand achten, auch ein sicherer: Diese Flohmärkte lassen dem Floh keine Chance - der kann nur einen Meter weit springen.

Die nächsten Hofflohmärkte finden im Westparkviertel (25. Juli), in Allach (8. August) und in Untermenzing (22. August) statt, jeweils von zehn bis 16 Uhr. Weitere Infos unter www.hofflohmaerkte.de/muenchen.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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