Mini-München:"Könnte ich bitte Ihr Visum sehen?"

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Ein Kosmos für sich: die Innenstadt von Mini-München. (Foto: Leonhard Simon)

Die Spielstadt steht Kindern und Jugendlichen wieder offen. Im Fröttmaninger Showpalast können sie arbeiten, sich vermählen und sogar zum Bürgermeister gewählt werden. Eltern haben nur begrenzten Zutritt.

Von David Pister

"Erster Bankraub" und "Neuer Skandal im Rathaus" - so lauten die Titel der Mimüz in den ersten Erscheinungstagen. Obwohl der dritte Spieltag gerade erst begonnen hat, ist in der Redaktion von Mini-Münchens Tageszeitung viel los. Kinder und Jugendliche tippen eifrig in die Tastaturen der Laptops und Computer. Amr steht inmitten des Treibens und hält sein Arbeitsgerät, einen Notizblock, fest in der Hand. Der Zwölfjährige hat sich entschlossen, an diesem Tag in die Welt des Journalismus einzutauchen. "Man kann anderen berichten, was in Mini-München passiert, und bringt sie auf den neuesten Stand, obwohl sie nicht dabei gewesen sind", sagt Amr. Vier Mimüs, die Währung der Spielstadt, kostet eine Zeitung. Das ist so viel, wie jedes Kind abzüglich der Stadtsteuern pro Stunde verdient - egal ob Taxifahrer oder Richterin.

Viel zu tun gibt es in der Schneiderei. (Foto: Leonhard Simon)

Bis zu 2000 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis 15 Jahren können seit Montag auf dem Showpalast-Gelände in Fröttmaning für drei Wochen all das tun, was man auch in einer normalen Stadt so macht. Sie arbeiten und studieren, gehen essen und ins Kino, lassen sich vermählen oder adoptieren Kinder. Das beliebte Ferienprogramm gibt es schon seit mehr als 40 Jahren. Mini-München ist ein vielfach ausgezeichnetes und europa-, wenn nicht weltweit bewundertes Projekt des Vereins Kultur und Spielraum im Auftrag der Stadt München.

Nur eine Stunde gültig: das Eltern-Visum. (Foto: Leonhard Simon)

Von 9 Uhr an hat das Einwohnermeldeamt der Spielstadt alle Hände voll zu tun. Künftige Mini-Münchner können sich dort registrieren lassen. "Könnte ich bitte Ihr Visum sehen?", fragt ein Visum-Kontrolleur in grell-blauer Warnweste die Erwachsenen, die er auf dem Gelände erspäht. Denn Erwachsene müssen sich beim Einwohnermeldeamt ein zeitlich befristetes Eltern-Visum ausstellen lassen - das Visum ist dann für eine Stunde gültig. Es gibt auch strikt elternfreie Zonen. Allerdings werden die Spielstadt-Einrichtungen wie Reise-Büro, Museum und Universität von erwachsenen Helferinnen und Helfern betreut.

Aus der Redaktion der Mimüz, der Mini-München-Zeitung, fällt der Blick auf den Reinigungsdienst. (Foto: Leonhard Simon)

Spielen indes ist Sache der Kinder. Taxifahrer transportieren auf selbstgebauten Schubkarren andere Kinder und Jugendliche auf dem Gelände umher. Die Müllabfuhr tut ihr Bestes, um das Gelände sauber zu halten, zwei Mädchen verkaufen aus dem Bauchladen Brezen. Egal ob Sekretär, Mitarbeiterin beim Arbeitsamt oder Reisebüro-Angestellte: Die Kinder und Jugendlichen legen einen erstaunlichen Ehrgeiz und große Ernsthaftigkeit an den Tag. In den Holzhütten im und um den Showpalast herrscht geordnetes Chaos. Von 10 Uhr an können sich bereits registrierte Mini-Münchnerinnen und Mini-Münchner dort anstellen, wo sie gerne arbeiten möchten.

Für die beliebte Spielstadt Mini-München will Stadtbaurätin Merk einen festen Platz suchen. (Foto: Leonhard Simon)

Noa-Awa hat sich für das Restaurant "Zur fetten Sau" entschieden. Sie arbeitet in dem großen Zelt als Kellnerin und versorgt die Kinder und Jugendlichen mit Pizza und belegten Brötchen. "Es gibt auch Trinkgeld", sagt die Zwölfjährige und zeigt einige Scheine, die in ihrer weinroten Schürze stecken. Um 11 Uhr öffnet das Arbeitsamt und verteilt die übrig gebliebenen Jobs. Sicherheitsdienste überwachen das Geschehen: "Immer in Dreierreihen aufstellen! Nicht drängeln!", rufen sie den Neuankömmlingen zu. Die Kinder und Jugendlichen können sich dabei jeden Tag neu aussuchen, welchen Beruf sie gerne ausprobieren möchten.

Im vergangenen Jahr wurde Mini München auf dem Gelände des Cavalluna-Parks in Fröttmaning ausgerichtet. Im Showpalast versammelte man sich zur Wahl des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin. (Foto: Leonhard Simon)
Hat erfolgreich als Oberbürgermeisterin kandidiert: Eleamalou Schnebel. (Foto: Leonhard Simon)

Wöchentlich wird eine neue Bürgermeisterin oder ein neuer Bürgermeister gewählt. Um sich aufstellen lassen zu können, muss man allerdings Vollbürger sein. Wer vier Stunden Arbeit, vier Stunden Studium und einen Zoff-Kurs hinter sich gebracht hat, erhält die Vollbürgerschaft. Ob die Hörsäle deshalb so gut besucht sind? In einem Gebäude auf dem Showpalast-Gelände, wohl ein ehemaliger Pferdestall, sind eigens Vorlesungssäle eingerichtet. Im Hörsaal 1 läuft eine Vorlesung zur griechischen Mythologie, in einem anderen Raum lehrt Doktor Theresa die Grundlagen der Psychologie. Auch die Vorlesungen sind fest in Kinderhand.

Um eine Vorlesung halten zu dürfen, muss man aber einen Doktortitel haben. Den erhält man, nachdem man bei einer Vorlesung hospitiert hat, eine Doktorarbeit geschrieben und eine Probestunde abgehalten hat. Der Doktortitel geht nie verloren, sodass die Universität in Mini-München schon am ersten Tag etwa 40 Vorlesungen anbieten kann. "Der Origami-Kurs, der Zoff-Kurs und der Schafkopf-Kurs sind sehr beliebt", erklärt Studienberaterin Ellen.

Den Radiosender "Radio Mikro Mini München" gibt es zwar schon seit einigen Jahren. Dieses Jahr sendet der Spielstadt-Radiosender aber auf einer echten UKW-Frequenz. Anahi Sanchez betreut die Radio-Station. Außerhalb der Spielstadt arbeitet sie beim Ausbildungs- und Fortbildungssender M94,5. Sanchez feiert dieses Jahr 20-jähriges Mini-München-Jubiläum. Schon als Kind sei sie dabei gewesen. "Es ist erstaunlich, aber als Kind habe ich nie ein Überforderungsgefühl gespürt. Man hat sich einfach ins Getümmel geworfen. Mini-München war dann die Realität", sagt die 28-Jährige.

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Um das Ferienprogramm zu besuchen, ist an diesem Tag auch eine Delegation aus Salzburg angereist. Gäste aus Wien und Japan haben sich bereits angekündigt. Benjamin aus Salzburg stellt fest: "Mini-München ist viel größer, und es gibt mehr Jobs als bei uns." Was die Delegation an diesem Tag noch vor hat? Ab "Zur fetten Sau" - da gibt es für die Mini-Botschafter gebackenen Camembert mit Salat. Na dann, guten Appetit!

Mini-München, Showpalast Fröttmaning, Hans-Jensen-Weg 3, Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, das Einwohnermeldeamt öffnet schon um 9 Uhr.

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