Kirche:Ein Gute-Laune-Bischof für München

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Pfarrer Christian Kopp radelt viel. Und redet leidenschaftlich gerne und kompetent über Fahrräder. (Foto: Stephan Rumpf)

Der evangelische Regionalbischof Christian Kopp tastet sich mit positiver Ausstrahlung, Freundlichkeit und vor allem Vorsicht in sein neues Amt. Die Jugend fordert er auf, Verrücktes zu machen.

Von Bernd Kastner

Der Mann wirkt. Nach zwei Stunden wird man ihn irgendwie beschwingt und heiter verlassen. Was war das? Ein Motivations-Seminar für den Alltag und andere Widrigkeiten? Wie ich lerne, das Dunkle in der Welt ein wenig heller zu machen? Christian Kopp lacht gern und akzentuiert. Er denkt positiv, er redet positiv, vieles ist für ihn einfach "großartig". Er sagt: "Ich schaue gerne auf die Dinge, die gut laufen, und möchte das verstärken." Kopp ist ausgebildeter Organisationsberater und Theologe, vor allem aber ist er Pfarrer und jetzt der Nachfolger von Susanne Breit-Keßler und damit evangelischer Regionalbischof. München hat einen Gute-Laune-Bischof.

Wer mit einem Fahrradhelm in der Hand Kopps Büro betritt, findet sich sofort in einem Fahrradfachgespräch. Der Bischof besitzt mindestens fünf Fahrräder, ein Trekkingrad für jeden Tag, ein Mountainbike, ein Faltrad, das er im Zug mitnimmt, und zwei Rennräder, ein altes aus Stahl, eines aus Karbon. Im Winter aber rennradelt Kopp nicht, weil ihm im Schnee die Reifen zu schmal sind, und auch ohne Schnee sei es ihm zu kalt, 18, 20 Grad hätte er schon gerne, er mag zwar das Auf und Ab der Hügel, aber "ein bisschen bequem" sei er dann doch. Lachen.

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Kopp mag es gut temperiert. Das gilt ebenfalls fürs Gespräch, in dem es auch ums Auf und Ab gehen soll. Gerade bei unangenehmen Themen, sei es das Schrumpfen der Kirche oder das Geifern der Rechten, findet Kopp wärmende Worte. Da berichtet er etwa, dass ihn ein vermutlich Rechtsradikaler auf einer Demo mal angespuckt habe, aber anstatt sich zu empören betont er, dass ja immer so viele von den Guten da sind, um sich den ganz Rechten in den Weg zu stellen.

Bisher war Kopp Pfarrer in Nürnberg, genauer gesagt Dekan für Nürnberg-Süd. Er war zwischen oben, wo sie entscheiden, und unten, wo sie die Arbeit machen, wie sie in der Kirche sagen, aber er würde das so natürlich nicht sagen. Lachen. Sein neues Amt als Regionalbischof für München und Oberbayern, zuständig für 150 evangelische Kirchengemeinden, hat Kopp im Dezember angetreten. Diesen Sonntag wird er offiziell eingeführt, von seinem Büronachbarn im Landeskirchenamt und Vorgesetzten Heinrich Bedford-Strohm, dem Landesbischof und Vorsitzenden des Rats der evangelischen Kirche in Deutschland.

Christian Kopp hat schon mal in München gelebt, Mitte der Achtzigerjahre war das, nach der Schulzeit in Partenkirchen begann er hier sein Theologiestudium. Es folgten: Erlangen, wo er die Liebe seines Lebens kennenlernte und später heiratete, dann Bern ("Ich liebe die Schweiz") und Tübingen. Zwei Kinder haben die Kopps, sie sind längst erwachsen, der Sohn erkundet gerade die Welt. Die Frau des Pfarrers Kopp ist - Pfarrerin; noch arbeitet Julia Rittner-Kopp in St. Johannis in Nürnberg, demnächst steht auch ihr Umzug nach München an.

Jetzt, bei seiner Rückkehr nach München, sei ihm "das unvorstellbare Tempo dieser Stadt, die unheimliche Verdichtung" aufgefallen, sagt Christian Kopp. Wie es auf den Radwegen zugehe, selbst auf den Fußwegen, und in die U-Bahn sei er neulich gar nicht mehr reingekommen, alles so voll. Zeichen einer neuen, einer anderen und anstrengenden Zeit. Aber, er wollte es so, und München sei ja auch so grün. "Jetzt bin ich supergern wieder hier."

Als die Stelle des Regionalbischofs frei wurde, weil Susanne Breit-Keßler sich nach 18 Jahren in den Ruhestand verabschiedete, habe er sich gefragt, ob er bleiben solle, wo er war, und dann wohl für immer, oder ob er noch mal was Neues anfangen solle. Männer in seinem Alter, er ist 55, stellten sich nun mal diese Frage.

Er habe ein vierseitiges Bewerbungsschreiben verfasst, wobei ihm seine Erfahrung als Hochschulpfarrer zugutekam, da habe er mit Studenten das Bewerben geübt. "Ich bin ein bisschen vom Fach", sagt er. "Ich habe Lust auf Gestaltung und ich liebe Veränderungen", das habe er sinngemäß geschrieben. "Aber nur Veränderungen, die den Menschen dienen." Diese stünden an in diesen Zeiten, gerade in seiner Institution, über die die Zeitungen immer schreiben, dass ihr die Mitglieder davonlaufen. "Reagieren wir nur oder sagen wir: Das ist eine ganz große Chance für uns?" Kopp mag rhetorische Fragen. Eine "große Herausforderung" sei das gerade, "das ist die Zeit der Gestaltung".

Kopp ist ausgebildeter Optimist. "Ich bin ein ganz großer Freund von Aufmerksamkeitsfokussierung." Er fokussiere eben auf das Positive. Neulich habe ein Ehrenamtlicher aus dem östlichen Oberbayern beklagt, dass der Seniorenkreis seiner Gemeinde statt 40 nur noch 30 regelmäßige Besucher habe. Beunruhigt das den Bischof? Ach wo! "Ein Zeichen gegen die Einsamkeit" sei es doch, wenn über Jahrzehnte ein Ort des Miteinanders bestehe.

"Es läuft unendlich viel gut. Wir schaffen unendlich viele Begegnungsräume", sagt Kopp. Er verstehe die Kirche als großes Miteinander, als Rederaum, und der Bischof mittendrin. "Ich rede gern mit Menschen. Ich komme vom dialogischen Prinzip her", sagt er, und: "Wir können viel miteinander bewegen."

Könnten sie. Aber warum wollen immer weniger? Zählte die evangelische Kirche 1998 noch 551 000 Mitglieder im Kirchenkreis München und Oberbayern, sank diese Zahl auf zuletzt 482 000. Das ist ein Rückgang um gut zwölf Prozent in 20 Jahren. Warum gehen nicht mehr Menschen in die Kirchen und engagieren sich in den Gemeinden? "Wir leben im Jahr 2020", sagt Kopp. Und dieses Jahr, diese Zeit sei nun mal geprägt durch gesellschaftliche Megatrends, einen technischen Fortschritt, "der uns alle an die Grenzen der Belastbarkeit bringt". Das liege an der globalen Informationsflut, aber auch an der "enormen Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft", dem Konkurrenzdruck, die Unsicherheit, das raue Klima. Sensibel reagierten darauf viele Menschen, welche mit Depression, andere mit Aggression. Und die Kirche, die müsse versuchen auszugleichen. "Wir sind eine Zusammenhaltsorganisation."

Bloß, wie lange noch? Wieder so eine negative Frage, Kopp kennt sie, er hört sie auch in den eigenen Reihen. Viele Vorstände der Gemeinden fragten ihn das: Wie geht es weiter, jetzt, da die Kirchen an Bindungskraft verlieren. "Wir werden bestimmte Dinge in Zukunft nicht mehr machen können", sagt er.

Weniger Geld bedeute, dass nicht jedes Gemeindehaus zu halten und über manche kirchliche Kita nachzudenken sei. Nicht in München, da finanziere die Stadt sehr viel, aber draußen auf dem Land. "Da gibt es Traurigkeit", so beschreibt Kopp die Stimmung in mancher Gemeinde. In dieser Phase nicht die Energie zu verlieren, sei eine große Aufgabe. Dabei zählt er auf den Nachwuchs: "Ich erwarte von der evangelischen Jugend, dass sie die Kirche antreibt, ein bisschen crazy ist und was Verrücktes macht." Es dürfe auch mal laut werden, auch im Gottesdienst, sollen sich die Leute ruhig beschweren. Der Bischof bittet die Jugend um Unruhe.

Zugleich kommen neue Aufgaben hinzu, die EKD kauft gerade mit anderen Organisationen ein Schiff, um Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken zu bewahren. Ist das die Zukunft der Kirche? Muss sie, in Zeiten von Hass und Menschenfeindlichkeit, in Deutschland und Europa, politischer werden?

"Noch politischer?", fragt Christian Kopp. "Die Kirche ist politisch, immer schon gewesen", schon Jesus habe diesen Auftrag gegeben. Ja, es gelte, die Gesetzgebung zu beeinflussen, sagt Kopp, klingt dann aber zurückhaltend: "Ich weiß nicht, ob wir noch politischer werden sollen." Nein? Na ja, so pauschal könne man das nicht sagen, sagt der Bischof. Sicher sei, dass man was tun müsse, und zwar für die Schwachen und Entrechteten.

Sollte Christian Kopp ein Bischof mit Ecken und Kanten sein, dann weiß er sie noch zu verbergen. Er redet bisweilen, als wolle er niemanden verschrecken, zumindest noch nicht, als wolle er sich mit Freundlichkeit, Vorsicht und so mancher Floskel ("Man muss der Realität ins Auge schauen") ins neue Amt hineintasten. Man muss schon gut hinhören, um mehr von ihm zu erfahren, als dass ihm das Leben Freude und das Arbeiten Spaß macht und er die Seinen motivieren will, die Sonne auch im Dunkeln scheinen zu lassen.

Zu den Rechten aber äußert er sich klar, zu jenen, die Flüchtlinge nicht willkommen heißen. Auf Distanz gehen? Nein, "mit denen rede ich doch", AfD-Anhänger gebe es überall, wohl auch in jeder Gemeinde. Aber er ziehe Grenzen: Alle, die menschenverachtende Parolen schreien, "müssen als menschenverachtend markiert werden". Ist die grassierende Menschenfeindlichkeit dann nicht doch Anlass zur Sorge? Ja, schon. "Wer in dieser Zeit nicht beunruhigt ist, hat etwas nicht verstanden."

Deutlich wird Kopp auch, wenn es um die Schwachen geht. Die will er einbinden und einladen. Gerade in München frage man sich doch: "Wer hat Platz in so einer reichen Stadt, wo du das Geld auch siehst." Er meint die teuren Autos. "Das Geld steht auf der Straße." Kopp wünscht sich eine Vesperkirche, auch in München.

Das Konzept kommt aus dem Württembergischen, wo sie Vesper sagen zum Essen, wo sie in Stuttgart angefangen haben, Kirchen über mehrere Wochen zu öffnen, damit die Bedürftigen sich wärmen können und ein Drei-Gänge-Menü kriegen für einen Euro. Langsam breite sich die Idee der Vesperkirche in Bayern aus, Kopp möchte sie nach München holen, es sei aber nicht so einfach, eine entsprechend große Kirche zu finden und genügend Helfer, Hunderte brauche man für ein paar Wochen. "Ich suche Energieträger", sagt Christian Kopp.

© SZ vom 06.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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