Umweltbelastung:München will dreckige Diesel-Fahrzeuge aussperren

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Gilt als besonders problematischer Luftverpester: der gleichnamige Kraftstoff. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Stadt möchte von Februar 2023 an ein stufenweises Fahrverbot umsetzen, das auch auf dem Mittleren Ring gelten soll. Damit soll die jahrelange Überschreitung von Abgas-Grenzwerten gestoppt werden.

Von Heiner Effern

Die Stadt will das Fahrverbot für Dieselfahrzeuge deutlich verschärfen. Das haben Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) und Umweltreferentin Christine Kugler bei der Präsentation des neuen Luftreinhalteplans bekannt gegeben. Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse Euro 4 sollen vom 1. Februar 2023 an nicht mehr in die bereits geltende Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings einfahren dürfen.

Sollte sich die Situation nicht schnell verbessern, soll das Verbot von 1. Oktober 2023 an auch für Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklasse 5 gelten. Zur Umweltzone soll künftig auch der Mittlere Ring gehören, dieser war bisher ausgenommen. Für Anwohner und Lieferverkehr soll es Ausnahmen geben.

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Kommentar von Heiner Effern

Die grün-rote Koalition begründet das geplante Dieselverbot mit Druck durch drei Klagen wegen der Verletzung geltender Grenzwerte bei Stickstoffdioxid. Die Hotspots Landshuter Allee, Tegernseer Landstraße und Leuchtenbergring liegen seit Jahren regelmäßig im Jahresmittel über den erlaubten 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Der Freistaat hatte diesen Rechtsverstoß stets ignoriert und dafür Strafen bezahlt, im Jahr 2021 aber die Verantwortung dafür an die Stadt übertragen. Diese findet sich nun als offiziell Beklagte wieder. Eine Verurteilung habe nur mit den nun präsentierten neuen Regeln vermieden werden können, sagte Bürgermeisterin Habenschaden.

Diese fußen auf intensive Verhandlungen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem ökologischen Verkehrsclub (VCD). Diese hatte für saubere Luft geklagt und sich nun auf einen Vergleich mit der Stadt geeinigt. Der sieht auch eine dritte Stufe vor, falls die Grenzwerte für Stickstoffdioxid zum 1. April 2024 immer noch nicht eingehalten werden. Dann würden alle pauschalen Ausnahmen für Anwohner des Gebiets innerhalb des Mittleren Rings und für den Lieferverkehr wegfallen.

Die Koalition geht davon aus, dass die ersten beiden Stufen des Dieselfahrverbots nicht mehr zu verhindern sind. Das würde bedeuten, dass zum 1. Oktober 2023 grundsätzlich 140 000 Münchner Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse 5 und schlechter nicht mehr auf dem Ring und den Gebieten innerhalb davon fahren dürfen. Die etwa 30 000 betroffenen Anwohner der Innenstadt und Handwerker mit Parkausweis oder Lieferwagen werden pauschal verschont.

Das Dieselverbot wird auch zahlreiche Pendler aus dem Umland treffen

Die restlichen Münchner können für Fahrzeuge lediglich individuelle Ausnahmen beantragen. Dazu wird das Dieselverbot auch zahlreiche Pendler und Besucher aus dem Landkreis München selbst und dem Speckgürtel treffen, die einen hohen Teil des städtischen Verkehrs ausmachen. Im Jahr 2019 fuhren laut Mobilitätsreferat etwa eine halbe Million Fahrzeuge von außerhalb ins Stadtgebiet ein. Wie viele davon betroffene Dieselfahrzeuge sind und in die Umweltzone wollten, ist nicht erfasst.

Der Stadtrat soll das Verbot noch im Oktober 2022 beschließen. Gern habe sich die Koalition nicht darauf eingelassen, sagte Bürgermeisterin Habenschaden: "Ich halte Fahrverbote vor allem im Lichte der gegenwärtigen finanziellen Belastungen der Bürger und Bürgerinnen für eine Zumutung. Gleichzeitig dürfen wir es nicht akzeptieren, dass Tausende Münchner und Münchnerinnen täglich gesundheitsgefährdende Abgase einatmen." Dass es nun auch "großzügige Ausnahmen" gebe, sei ihr sehr wichtig.

Der Koalitionspartner trägt die "weitreichenden Eingriffe" mit, erklärte SPD-Fraktionschefin Anne Hübner. Sie verwies darauf, dass die Verbote zeitlich und sozial abgefedert werden sollen. Betroffene Autofahrer bräuchten "erst in eineinhalb Jahren eine schriftliche Ausnahmegenehmigung", sagte Hübner. Handwerker würden ebenso verschont. Das wolle die SPD auch für Menschen erreichen, "die auf ihr Auto angewiesen sind, sich aber kein neues Fahrzeug leisten können".

Die CSU wirft der Koalition gerade wegen der finanziellen Sorgen vieler Menschen "politische Arroganz" vor. "Wer sich kein neues Auto leisten kann, hat Pech gehabt", sagte der Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl. Zudem würden nun Autos, "die keine zehn Jahre alt sind, ausgesperrt". Das sei alles andere als nachhaltig. In Summe seien die Verbote ein "Schlag ins Gesicht" vieler Münchner.

Die beiden Kläger werfen dem Freistaat "Klientelpolitik" vor

So sehen die Vertreter der beiden Kläger DUH und VCD eher das Verhalten der Staatsregierung, die Gerichtsurteile schlicht ignorierte. "Seit nunmehr zwölf Jahren betreibt der Freistaat eine Klientelpolitik für seine Automobilhersteller und gegen seine Bürgerinnen und Bürger", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Erst nachdem der Europäische Gerichtshof über eine Zwangshaft gegen den Ministerpräsidenten entscheiden habe müssen, habe der Freistaat reagiert: Er gab die Zuständigkeit an die Stadt ab. Nicht zum Schaden der Bürger, wie er betont: "Damit kehrte eine sachliche und lösungsorientierte Diskussionskultur ein."

Die Zustimmung zum Vergleich sei ihm auch nicht leicht gefallen, sagte Resch, da auch mit diesem zu erwarten sei, "dass es im Jahr 2023 noch zu Grenzwertüberschreitungen kommen wird". Letztlich geht es ihm wie seinem Kläger-Kollegen Christoph von Gagern vom VCD. "Wir haben erreicht, dass nun endlich Maßnahmen ergriffen werden, um die bereits seit 2010 geltenden NO₂-Grenzwerte einzuhalten", freute sich dieser.

Umweltreferentin Kugler hält die Fahrverbote ebenfalls für erforderlich. "Auch wenn die Luft in München in den letzten Jahren besser geworden ist, so reicht der aktuelle Luftreinhalteplan mit seinen 115 Maßnahmen leider immer noch nicht aus", sagte sie. "Die gutachterlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass mildere Maßnahmen wie Zufluss-Dosierungen nicht ausreichen, um den Stickstoffdioxid-Grenzwert einzuhalten."

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