Münchner Momente:Beten für die Bahn

Lesezeit: 2 min

Glänzende Aussichten: Münchner Bahngleise im Licht der Abendsonne. (Foto: Ralph Peters/imago)

Das Unternehmen kündigt am Hauptbahnhof an, einen Zug nach der Abfahrt in einen Bus zu verwandeln. Das ist ein Wunder - bitte mehr davon.

Glosse von Bernd Kastner

Erstaunliches haben sie verkündet, neulich, am Hauptbahnhof, Gleis 14. Eine Stimme aus einem Lautsprecher sprach nicht etwa von Verspätung oder Zugausfall oder Stellwerksstörung, sie sprach: "Dieser Zug verkehrt heute als Bus zwischen Augsburg und Donauwörth."

Das ist groß, das ist gewaltig, das hat allenfalls früher, also ganz früher, mal ein bärtiger Mann in Galiläa vollbracht, Wasser zu Wein und so. Aber was ist schon so ein biblischer Trunk im Vergleich zu dem, was der Deutschen Bahn gelingt. Sie verwandelt einen in München startenden Zug. Nicht in einen Schienenbus, das wäre zu billig, sondern in einen leibhaftigen Bus, brummbrumm. Das ist kein Schienenersatzverkehr, das ist ein Wunder.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Kennerinnen und Kenner der Schienenszene rund um München wird die Magie der Bahn nicht überraschen. Was hat sie zuletzt nicht alles vollbracht, selbst Menschen hat sie verwandelt. Von Wesen, die schimpfen und toben, wenn ein Zug sich um 55 Minuten verspätet oder stehen bleibt und umdreht, in Geschöpfe, die ertragen, was der Gott der Gleise ihnen auferlegt. Bestens zu beobachten ist diese vieltausendfache Verwandlung im Werdenfelser Land, auf dem Streckennetz zwischen München und Mittenwald. Im Angesicht der Alpen fährt seit dem Unfall im Juni bei Garmisch nicht mehr viel auf Schienen, nicht mal zu den Passionsspielen nach Oberammergau. Und was passiert? Nichts.

Die Bahn hat es geschafft, zahlende Kunden in duldsame Lämmer zu verwandeln. Still und stumm stehen sie auf den Bahnsteigen, warten, quetschen sich in Züge, die übervoll sind nicht wegen des 9-Euro-Tickets, sondern weil so viele reguläre Verbindungen nichts und niemanden mehr verbinden.

Wer weiß, was die DB noch alles schafft, der Bedarf an Wundern ist groß. Begrüßenswert wäre, wenn sie im kommenden Jahr einen neuen Tunnel unter der Stadt herzaubert. Okay, ist vielleicht etwas viel verlangt, vielleicht sollte die Bahn nach der Zug-Bus-Wandlung mit einfacheren Übungen weitermachen. Wie wäre es, wenn sie ihr Personal so informiert, dass man an der Hotline nicht die Auskunft bekommt, die Ausfälle im Werdenfelser Land seien von langer Hand geplant? Wenn sie Züge einsetzt, deren Türen sich schließen und bei Bedarf auch wieder öffnen? Oder Waggons, die genügend Platz haben, auch für jene Menschen, die mit Rollstuhl, Kinderwagen oder Fahrrad unterwegs sind?

Jede Kundin, jeder Kunde ist eingeladen, die DB bei der Verwandlung in ein zuverlässiges Unternehmen zu unterstützen. Wer Wunder will, das lehrt die Erfahrung, sollte beten. Beten für die Bahn geht auf jedem Bahnsteig, Zeit ist ja.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nahverkehr in München
:Schluss mit dem Genuschel: MVG testet Computer-Durchsagen

Die MVG testet eine synthetische Stimme, die S-Bahn stellt um. CSU-Stadträtin Alexandra Gaßmann hatte das "Genuschel am Bahnsteig" moniert.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: