Demonstration in München:Polizei setzt Schlagstöcke bei Hanau-Gedenken ein

Lesezeit: 3 min

Am Wochenende werden Hunderte Demonstranten aus verschiedenen Lagern zu Anti-Siko-Protesten in München erwartet - hier ein Bild aus dem vergangenen Jahr. (Foto: Robert Haas)

Eskalation in München: Bei der Demo gegen die Sicherheitskonferenz gibt es nur kleinere Zwischenfälle, doch bei einer Gedenkveranstaltung zum rassistischen Anschlag in Hanau kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und Polizisten.

Von Catherine Hoffmann und Franz Kotteder

Bei einer Gedenkveranstaltung zum zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau kam es am Samstag zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke gegen die Teilnehmer der Versammlung ein. Zuvor hatten am Nachmittag rund 1600 Menschen in der Innenstadt friedlich gegen die Münchner Sicherheitskonferenz demonstriert, es gab nur kleinere Zwischenfälle.

Das Kollektiv Communique, ein Zusammenschluss von Journalisten und Fotografen, die regelmäßig von Demonstrationen berichten, teilte auf Twitter ein Video, das zeigt, wie Polizeikräfte mit Schlagstöcken gegen Teilnehmer der Gedenkveranstaltung vorgehen. Nach Angaben der Polizei hatten sich am frühen Samstagabend rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Königsplatz versammelt. Sie wollten der neun überwiegend jungen Menschen gedenken, die in Hanau am 19. Februar 2020 erschossen worden waren - die Motive waren Rassismus und Hass. Gegen 19 Uhr zogen die Teilnehmer wie angemeldet Richtung Hauptbahnhof mit dem Ziel Georg-Freundorfer-Platz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

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In der Luisenstraße kam es dann zur Rangelei zwischen Demonstranten und der Polizei. An einer Baustelle wurde es eng. Die Polizei, die die Versammlung seitlich begleitet hatte, geriet nach Angaben eines Polizeisprechers in Kontakt mit Teilnehmern aus dem schwarzen Block, die Polizeibeamte angegriffen und unvermittelt an einen Bauzaun gedrückt haben sollen. "Das angebliche Bedrängen der Polizei hat nicht stattgefunden", heißt es dagegen in einer Mitteilung des Antifa-Stammtischs München. Unstrittig ist, dass die Polizei Schlagstöcke und viel Pfefferspray einsetzte. "Wir mussten etwa zehn Menschen die Augen ausspülen", berichtet ein Demonstrant, der auch als Sanitäter auf der Gedenkfeier war. Auch drei Polizisten wurden leicht verletzt.

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Die Sicherheitskräfte hatten Informationen über gewaltbereite Personen aus dem linken Spektrum

Während des Zwischenfalls habe ein 20-Jähriger einen Polizisten mit einer verkürzten Fahnenstange auf den Kopf geschlagen. Er wurde nach der Versammlung am Hauptbahnhof unter großem Widerstand seiner Begleiter festgenommen. Auch hierbei sei ein Schlagstock eingesetzt worden, so die Polizei in einer Mitteilung vom Sonntag. Auch von diesem Einsatz kursieren Videos im Netz. Die Polizei habe, so heißt es auf einer Pressekonferenz am Sonntag, vor der Veranstaltung Informationen gehabt, dass gewaltbereite Personen aus dem linken Spektrum hätten teilnehmen wollen.

Riikka Prögler, die sich für Geflüchtete und gegen Rassismus engagiert, wollte der Toten von Hanau gedenken. Sie erlebte auf dem Königsplatz zunächst eine "sehr würdevolle, friedliche und ergreifende Kundgebung", an deren Ende Nelken auf den Stufen der Staatlichen Antikensammlung abgelegt wurden. "Aber die Präsenz der Polizei war extrem hoch", sagt Prögler, die sich auch dem Zug durch die Luisenstraße anschloss und dabei war, als es zum Zusammenstoß mit der Polizei kam; allerdings war sie nicht mittendrin. Die Teilnehmer des Demonstrationszugs hätten skandiert "Wo wart ihr in Hanau?" und "Wir sind friedlich, was seid ihr?" Der Zug sei dann aufgehalten worden. "Mir ist es zu heiß geworden", sagt sie. Auf dem Weg zurück zum Königsplatz habe sie ein Polizist angebrüllt: "Mach die Fliege, Abmarsch!" Sie fragte ihn: "Schämen Sie sich nicht?" Prögler findet das Verhalten der Polizei respektlos.

"Bei einer Gedenkveranstaltung finde ich so einen Polizeieinsatz fast schon pietätlos"

Auch Kerem Schamberger, der ebenfalls zum Gedenken auf den Königsplatz gekommen war und die Veranstaltung mit organisiert hatte, hält den Polizeieinsatz für problematisch. "Bei einer Gedenkveranstaltung finde ich so einen Polizeieinsatz fast schon pietätlos", sagt der Linken-Politiker, auch weil sich das Gedenken kritisch mit der Polizeiarbeit auseinandersetze. "Da fehlt es der Polizei an Fingerspitzengefühl", sagt Schamberger, den auch der "massive Polizeieinsatz" bei der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz störte. Schamberger gehört zu dem Team, das das Gedenken an Hanau organisiert hat; er ist auch im "Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz" aktiv.

Unter dem Motto "Stoppt den Kriegskurs der Nato-Staaten" hatten sich am Samstagnachmittag rund tausend Demonstranten auf dem Stachus zur Auftaktkundgebung versammelt, während im Hotel Bayerischer Hof der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine das beherrschende Thema war. Pünktlich um 14 Uhr setzte sich von dort ein Zug in Bewegung, zu beiden Seiten begleitet und geleitet von der Polizei. Die stoppte den Zug kurzzeitig 20 Minuten später, im "Jugendblock" war ein sogenannter "Bengalo" gezündet worden, eine rote Rauchfackel, wie man sie aus der FC-Bayern-Fankurve im Stadion kennt.

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Neun überwiegend junge Menschen wurden am 19. Februar 2020 erschossen - die Motive waren Rassismus und Hass. Bei der Gedenkfeier wird deutlich, wie enttäuscht die Angehörigen von der "umfangreichen Aufklärung" sind, die ihnen versprochen wurde.

Von Constanze von Bullion

Die einzig heikle Situation war wohl am Odeonsplatz zu erwarten. Dort war die Polizei gut vertreten, schirmte den Platz mit einer Menschenkette in Uniform und an die 30 Mannschaftswagen ab. Denn dort forderten vor der Feldherrnhalle im eingezäunten Karree knapp 300 Menschen "Frieden für die Ukraine", was sich im Prinzip ja mit den proklamierten Zielen der Demo gegen die Sicherheitskonferenz überhaupt nicht widersprach. Über den Weg zu diesem Ziel gab es freilich durchaus unterschiedliche Ansichten. Also beäugten sich manche Demonstranten über die Polizeikette hinweg neugierig bis misstrauisch. Aber auch am Odeonsplatz blieb alles friedlich, und die Demonstranten zogen weiter zur Schlusskundgebung am Marienplatz.

Insgesamt sind 3500 Beamte im Einsatz

Dort habe sich nach Polizeiangaben ein 49-Jähriger offenbar an einer Polizei-Kamera gestört und diese weggedrückt. Andere Teilnehmer hätten sich mit ihm solidarisiert, es sei zu einem Gerangel mit den Einsatzkräften gekommen. Letztlich habe sich die Lage wieder beruhigt, teilte die Polizei mit. Der 49-Jährige wurde festgenommen. Festgenommen wurde auch eine 31-Jährige, die mit einer Holzstange gegen den Kopf eines Polizeibeamten geschlagen hatte.

Insgesamt waren am Wochenende zwischen Donnerstag und Sonntag rund 3500 Polizeibeamten aus Bayern und sieben weiteren Bundesländern sowie der Bundespolizei im Einsatz. "Mit dem Gesamtverlauf unseres Polizeieinsatzes bin ich sehr zufrieden", resümiert der Einsatzleiter der Münchner Polizei, Polizeivizepräsident Michael Dibowski.

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