Großdemo gegen rechts:Welche Reden nicht gehalten wurden

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Dass es Mut machen kann, wenn man gemeinsam auf die Straße geht, fanden Demonstranten wie Redner. (Foto: Michaela Stache/AFP)

Die Demo gegen rechts musste am Sonntag vorzeitig abgebrochen werden, viele Wortbeiträge blieben so ungehört. Die SZ hat sie gesammelt und in Auszügen zusammengefasst.

Von Barbara Galaktionow

Bei der Demo gegen rechts am Sonntag protestierten Zehntausende, vielleicht auch Hunderttausende Menschen in München gegen Rechtsextremismus und die AfD. Reden und Moderationen auf der Bühne lösten allerdings auch Irritationen unter den Teilnehmenden aus, da der Protest gegen die extreme Rechte zum Teil mit Kritik an der Ampel-Regierung zusammengerührt wurde.

Da die Veranstaltung wegen des großen Zustroms von Demonstranten vorzeitig abgebrochen werden musste, wurden nur drei von 13 geplanten Reden gehalten, die es im Verlauf der Kundgebung auf der Bühne oder vom Lautsprecherwagen aus geben sollte. Einige Rednerinnen und Redner haben der SZ ihre Texte im Nachhinein zur Verfügung gestellt. Wir stellen sie hier in Auszügen vor.

Sapir von Abel, Kuratorin Kulturvermittlung im Jüdischen Museum München

Sapir von Abel wollte laut ihrem Text als "Jüdin, die die meiste Zeit ihres Lebens in Deutschland verbracht hat" zu den Demonstranten sprechen. Antisemitismus sei eine Konstante in ihrem Leben und dem von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Doch nun liege die AfD bei einem "Viertel Wähler*innenzustimmung". Der Hass gegenüber marginalisierten Gruppen sei "hoch wie nie".

"Ich fühle mich nicht mehr sicher in Deutschland", heißt es weiter. Ihre jüdische Identität werde als Bedrohung wahrgenommen. Ihre Migrationsgeschichte sei Grund, ihre Deportation laut "auszudenken", ihre Herkunft Legitimierung, ihr Gewalt anzudrohen. Von Abel appelliert an die Gesellschaft, Stimmen marginalisierter Gruppen ernst zu nehmen - und mitzudenken, wenn es um die Gestaltung und Zukunft der deutschen Gesellschaft geht. "Unsere Kämpfe gegen rechts müssen gemeinsam geschehen. Wir dürfen uns weder instrumentalisieren noch gegeneinander ausspielen lassen." Antisemitismus gehe alle an.

Barbara Mundel, Intendantin der Kammerspiele

Barbara Mundel betont in ihrem Text, dass die Münchner Kammerspiele Menschen mit diversen Erfahrungen beschäftigten. Sie seien das erste Stadttheater in Deutschland, das ein inklusives Schauspiel-Ensemble habe. Was für Rechte ein "Ideologieprojekt" sei, sei bei ihnen Alltag - und das werde auch so bleiben. Die Kammerspiele bildeten mit ihrem Programm verschiedene Lebensrealitäten ab und arbeiteten ständig daran, dass sich alle bei ihnen willkommen fühlen. "Alle außer Nazis."

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Anonym, Mitarbeiterin der Kammerspiele

Noch eine weitere Mitarbeiterin der Kammerspiele sollte bei der Demo zu Wort kommen - allerdings nicht direkt, ihre Rede sollte durch einen Kollegen vorgetragen werden. Grund sind offenbar Ängste um ihre Sicherheit: "Würde ich heute hier vor euch stehen, könnte allein das ein Nachspiel für mich haben", heißt es im Text. Rassismus existiere nicht nur in der AfD, auch wenn sie dort besondere Formen annehme. Bereits die jetzt bestehende Integrations-, Migrations- und Flüchtlingspolitik sei rassistisch.

Die Autorin bittet darum, "nicht nur laut gegen die AfD zu sein, sondern gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Unterdrückung". Menschen müssten sich füreinander einsetzen, Parteien für soziale Gerechtigkeit.

Sie wisse, dass bei der Demo viele unterschiedliche Menschen zusammengekommen seien, die bestimmt in vielen Dingen nicht einer Meinung seien. "Das macht mir Hoffnung. Dass wir trotzdem zusammenkommen. Dass wir nicht nur gegen etwas kämpfen, sondern hoffentlich auch für etwas."

Nesrin Gül, Münchner Migrationsbeirat

"Wir sind angesichts der aktuellen Ereignisse entsetzt, aber nicht überrascht", heißt es im Redetext der früheren Vizevorsitzenden des Migrationsbeirats Nesrin Gül im Hinblick auf die vor Kurzem bekannt gewordenen Deportationspläne der extremen Rechten. Alltägliche Hetze, Diskriminierung und rechte Gewalt verletzten Menschen Tag für Tag. Nun werde der Hass "sichtbar größer, gewalttätiger und strategischer".

Gül fordert die demokratischen Parteien zum Handeln auf. Sie sollten die Menschen ernst nehmen, aufhören, das "Wording von Faschisten" zu übernehmen und das "Menschenrecht auf Asyl zum Spielball eurer Wahlkampfpolitik" zu machen.

Sie verlangt effektive Strategien gegen Rechtsextremismus. Doch auch Sicherheitskräfte, Medien, Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft müssten die Demokratie verteidigen. "Wenn wir nicht jetzt handeln, riskieren wir, morgen in Realitäten aufzuwachen, von denen wir uns weder distanzieren, noch so einfach retten können", schreibt Gül.

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:"Das war zwar wichtig, aber das reicht nicht"

Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch befürchtet, dass die Proteste gegen Rechtsextremismus schnell wieder abflachen werden. Deswegen sei es jetzt wichtig, dass sich die Menschen weiter engagieren - in Verbänden, Vereinen und in der Politik.

Interview von Bernd Kastner

Michael Movchin, Vorsitzender des Verbandes Jüdischer Studenten in Bayern

Das Jahr 2023 habe viele Jüdinnen und Juden in Deutschland den sprichwörtlichen Koffer wieder packen lassen, heißt es im Redetext von Michael Movchin unter Verweis auf kommunalpolitische Erfolge der AfD und vor allem den 7. Oktober, den Tag des Angriffs der Hamas auf Israel, - seitdem sei für die jüdischen Menschen in Deutschland "eh nichts mehr wie es einmal war".

Antisemitismus stelle eine konkrete Gefahr für Jüdinnen und Juden dar, heißt es weiter. Der Ausruf "Gegen jeden Antisemitismus!" müsse die Praxis des Handelns werden, fordert Movchin. "Im Kampf gegen die AfD und die Normalisierung von rechtsextremem Gedankengut braucht es uns alle."

Von den demokratischen Parteien verlangt er eine "konstruktive Kompromissbereitschaft - unabhängig vom Parteibuch". Er dankt den Menschen, die nun auf die Straße gehen, betont jedoch, "dass das nicht genug ist". Weiteres Engagement müsse folgen.

Ronja Hofmann, "Fridays for Future"

Es sei schwierig, Worte zu finden angesichts der "menschenverachtenden Pläne, die da in Potsdam geschmiedet wurden", heißt es in Ronja Hofmanns Text in Bezug auf die Correctiv-Enthüllungen. Hier zeige sich das "grässliche Gesicht der neuen Rechten in aller Deutlichkeit".

Zudem reichten Worte nicht, dass müssten auch die politischen Parteien begreifen. Mit der AfD dürfe es auf keiner Ebene eine Zusammenarbeit geben. Mit Blick auf CDU, CSU und Freie Wähler mahnt Hofmann, den Abstand in Taten, aber auch Worten zu wahren.

"Ja, die Politik ist gefragt", heißt es. Die Ampel müsse eine bessere Politik machen. "Aber auch wir sind gefragt." Demokratie müsse tagtäglich verteidigt werden. In der Arbeit, im Verein, auch in der Familie. Allein fühle man sich oft klein und ohnmächtig. Doch genau deshalb sei man auf dieser Demo: Um die Ohnmacht und die Einsamkeit zu überwinden und zusammen klarzumachen, "dass Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde unverhandelbar sind".

Jörg Mertens, Hashtag #ichbinarmutsbetroffen

Jörg Mertens, der selbst von Armut betroffen ist und sich für die Rechte armer Menschen einsetzt, verweist in seinem Redetext darauf, dass all die Organisationen, Bündnisse, aber auch einzelnen Menschen, die an der Demo teilnahmen, eines zeigen wollten: "Wir lassen uns unser demokratisches Gemeinwohl nicht durch Rechtsextreme und deren Sympathisant*innen zerstören!"

Die Gründe für Armut in Deutschland seien ganz unterschiedlich, doch eines hätten die betroffenen Menschen gemein: "Sie werden von Rechten als faul und nicht dazugehörig diffamiert." Ja, es werde sogar davon gesprochen, wie man sie entfernen könne. So etwas habe in Deutschland schon einmal stattgefunden.

Nun entwickle sich eine "Phalanx von Rechtsradikalen mit Allmachtsfantasien". Und die AfD schicke sich an, Geschichte zu wiederholen. Das dürfe man nicht zulassen. Mertens appelliert daran, trotz unterschiedlicher Meinungen einen demokratischen Grundkonsens zu wahren. Und er spricht sich für ein demokratisches, gerechteres und soziales Miteinander aus - "ohne Faschisten und Nazis!"

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung war der Name der Kuratorin Kulturvermittlung des Jüdischen Museums München falsch geschrieben. Wir haben das im Text korrigiert, sie heißt Sapir von Abel.

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