Geflüchtete soll Helfer erstochen haben:"Ich sterbe, ich sterbe"

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Die 52-jährige Olena K. muss sich vor dem Münchner Landgericht verantworten. (Foto: Robert Haas)

Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Dachauers, der eine Ukrainerin bei sich aufgenommen hatte, berichten der Sohn und die frühere Frau von dessen großer Angst vor der Frau - und von seinen letzten Minuten.

Von Andreas Salch

Er hatte Angst vor der Frau in seiner Wohnung. Angst davor, dass sie ihn wieder würgen, schlagen oder kratzen würde - so, wie sie es schon oft getan haben soll. Zuletzt hatte Klaus R. (Name geändert) sogar Angst davor, überhaupt nach Hause zu gehen, deshalb übernachtete er öfter in seinem Auto, bei seiner Ex-Frau, seiner Tochter, seinem Sohn oder im Büro an seinem Arbeitsplatz. Er wollte Olena K. nicht begegnen.

Klaus R. und die 52-jährige Ukrainerin hatten vor vielen Jahren ein Verhältnis. Seit 2013 waren sie allerdings nur noch befreundet. Wegen des Krieges in ihrer Heimat hatte R. Olena K. Ende März 2022 in seiner Wohnung in Dachau "aus Hilfsbereitschaft und Mitleid aufgenommen", wie es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft am Landgericht München II heißt, in dem sich Olena K. wegen Totschlags verantworten muss. Eigentlich wollte Klaus R. Olena K. nur vorübergehend bei sich wohnen lassen. Doch sie wollte nicht mehr gehen.

Bei einem Gerangel soll Olena K. Klaus R. am frühen Abend des 5. Februar vergangenen Jahres in der Küche seiner Wohnung mit einem Küchenmesser mit einer circa 16 Zentimeter langen Klinge erstochen haben. An diesem Tag hatte Klaus R. seinen Sohn, seine Ex-Frau sowie deren neuen Mann gebeten, zu ihm zu kommen. Sie sollten Olena K. dazu bringen, die Wohnung endlich zu verlassen. Sein Vater habe geweint, als er die Tür geöffnet habe, berichtet Vincent R. (Name geändert) am Montag, bei seiner Vernehmung dem Vorsitzenden des Schwurgerichts, Richter Thomas Bott. Er habe seinen Vater in den Arm genommen und versprochen: "Heute wirst du sie los."

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Klaus R. hatte seiner Frau zuvor erzählt, dass er nicht mehr könne. Die 55-Jährige, die das Gericht ebenfalls am Montag vernahm, sagt, ihr früherer Mann habe ihr berichtet, dass Olena K. nachts einmal mit einem Messer in der Hand in seinem Schlafzimmer gestanden habe. "Spinnst du?", habe sie ihn angefahren und gefragt, warum er nicht die Polizei alarmiert habe. Ihr Mann, sagt Lucille R. (Name geändert), habe dies immer wieder hinausgeschoben und erwidert, Olena K.s Visum laufe bald ab. Dann werde sie schon gehen. Und warum er sich nicht gegen körperliche Angriffe der 52-Jährigen wehre, habe sie von ihm wissen wollen. "Ich trau' mich nicht, sie anzufassen. Wenn sie fällt, tut sie sich was", habe er ihr darauf geantwortet.

Als Vincent R. am frühen Abend an jenem 5. Februar die Wohnung seines Vaters betrat, habe Olena K. seine Mutter beleidigt, indem sie ihr ihren nackten Po entgegengestreckt habe. Sein Vater sei dazwischen. Ihm habe Olena K. beide Wangen zusammengedrückt, erinnert sich Vincent R. Dann habe sich Olena K. theatralisch zu Boden fallen lassen und getan, als sei bewusstlos. "Da ist nix, das macht die öfter", habe sein Vater beruhigt. Vincent R. verständigte die Polizei. Es dauerte, bis eine Streife kam. Vincent R. ging hinunter auf die Straße, wartete vor dem Haus.

Inzwischen war auch der neue Mann von R.s früherer Frau hinauf in die Wohnung gegangen. Vincent R. hörte, wie oben in der Küche ein Teller zersplittert. "Jetzt drehen sie alle durch", habe er sich gedacht, sagt der 23-Jährige zu Richter Bott. Vincent R. lief nach oben und sah "blutige Fußspuren". "Wir brauchen Tücher", habe seine Mutter ihm zugerufen. Klaus R. hatte zwei tiefe Stiche unterhalb des rechten Schlüsselbeins und blutete stark. Was sein Vater zuletzt gesagt habe, fragt der Vorsitzende Vincent R. noch: "Ich sterbe, ich sterbe." Der Prozess wird fortgesetzt.

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