Man wird Markus Söder vermutlich nicht zu nahe treten, wenn man ihm unterstellt, dass er in dieser Aufgabe etwas ungeübt ist. Er hatte sich, dieser Eindruck entstand jedenfalls, etwas Großes vorgenommen, etwas Grundsätzliches und auch zutiefst Menschliches. Er wollte sich bei einem früheren engen Freund, den er auf maximale Weise gedemütigt hatte, entschuldigen. Die Gelegenheit bot sich am Donnerstagabend auf dem Parteitag der Münchner CSU, auf dem sich Ludwig Spaenle als Bezirkschef zurückzog, und der Ministerpräsident und Parteichef als Ehrengast eine Rede halten sollte.
Söder traf also auf Spaenle, zwei wirklich enge Freunde - früher. Man unternahm gemeinsam Urlaub in Rom, "ein Ritual", sagt Söder. Spaenle ist außerdem der Pate seines Sohnes. Die enge Beziehung nahm 2018 ein jähes Ende, als der Ministerpräsident und Parteichef (Söder) seinen Freund und Superminister (Spaenle) völlig überraschend aus dem Kabinett geworfen hat.
Überwältigendes Ergebnis:Münchner CSU wählt Georg Eisenreich zum Bezirkschef
Der 50 Jahre alte bayerische Justizminister erhält auf dem Parteitag 83 von 84 Stimmen. OB-Kandidatin Kristina Frank wird von den Delegierten abgestraft.
Karriere beendet, Freundschaft zerstört. Söders Versuch einer Entschuldigung beim Treffen der Münchner CSU, eingepackt in eine Corona-Rede, klang dann so: "Ich möchte eine kleine persönliche Anmerkung machen", lief er sich warm. "Ich korrigiere meine eigenen Personalentscheidungen ungern. Vielleicht war da manches auch nicht optimal, manchmal tut mir das ehrlich gesagt auch ein bisschen - auch aus freundschaftlicher Sicht - leid. Aber ich will dir heute sagen: Wie du das gemeistert hast, diese schwierige Zeit, und wie du dich auch entwickelt hast und was du für eine Power und für eine Leidenschaft hast für Menschen, die heute wieder bedrängt werden, das ist echt einzigartig."
Danach folgte donnernder Applaus. Die Münchner CSU-ler standen dazu auf. Doch sie feierten nicht den Ministerpräsidenten, der vielleicht dachte, für so einen seltenen Entschuldigungsversuch Beifall verdient zu haben. Sie klatschten für Spaenle, lange und demonstrativ. Danach sagte Söder etwas perplex: "Das war jetzt nicht geplant."
Und Ludwig Spaenle? Er hatte nie öffentlich mit Söder abgerechnet, und das tat er auch auf dem Parteitag nicht. Er reagierte auf seine Weise. Zweimal stand er am Mikrofon, für Söders Begrüßung und den Dank für seine Rede. Zweimal schaffte er es dabei, demonstrativ die Worte "Markus Söder" nicht in den Mund zu nehmen. Man darf prophezeien: Gemeinsam nach Rom fahren die beiden so schnell nicht wieder. Wahrscheinlich aber: nie mehr.