Kritik an Freistaat vor Christopher Street Day:"Noch immer das reaktionäre Schlusslicht"

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Schon in früheren Jahren strömten die Menschen in München zum CSD - dieses Jahr könnten es mehr als 400 000 werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

München erwartet die bislang größte CSD-Parade. Veranstalter der anstehenden "Pride Weeks" und Unterstützer kritisieren, dass die bayerische Staatsregierung nicht genug für queere Menschen tue - und fordern einen Aktionsplan.

Von Bernd Kastner

In München werden in den beiden kommenden Wochen viele Regenbogenfahnen wehen. Die Stadt erwartet die umfangreichsten "Pride Weeks", die es je gab. Sie beginnen an diesem Samstag und enden mit dem Straßenfest am Wochenende vom 24./25. Juni. Höhepunkt soll die Parade zum Christopher Street Day (CSD) am Samstag, 24. Juni, sein. Im vergangenen Jahr kamen zum Straßenfest rund 400 000 Menschen, diesmal könnten es noch mehr werden. Zur Polit-Parade haben sich mehr als 170 Gruppen angemeldet, sie wollen mit Wagen oder zu Fuß teilnehmen.

Es ist laut den Veranstaltern die größte derartige Demonstration für gesellschaftliche und geschlechtliche Vielfalt in Süddeutschland. Mit dem Christopher Street Day erinnert die queere Community weltweit an den Aufstand von Homosexuellen gegen Polizeigewalt am 28. Juni 1969 in der Christopher Street in New York.

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Kurz vor der bayerischen Landtagswahl ist die CSD-Parade mit einem politischen Ziel verbunden: Die Veranstalter in München und 19 weiteren bayerischen Städten fordern einen "queeren Aktionsplan" für den Freistaat. Durch diesen soll die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen sowie queeren Menschen gefördert und Diskriminierung und Gewalt gegen sie bekämpft werden. Bayern sei das einzige Bundesland, in dem es einen solchen Aktionsplan noch nicht gebe, kritisieren sie. Allerdings hatte Ministerpräsident Markus Söder unlängst überraschend einen solchen Aktionsplan angekündigt.

"Es geht um Sichtbarkeit", sagt nun Kai Kundrath, Geschäftsführer des schwul-queeren Zentrums Sub, am Mittwoch. München sei in Bayern Vorreiter: Auf dem Land lebten viele queere Menschen zurückgezogen, Ressentiments seien noch größer als in der Stadt. Die CSU-geführte Staatsregierung müsse die speziellen Bedürfnisse und den Schutz der Community ernst nehmen.

Auch Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) macht sich für diese Anliegen stark. In München habe sich zwar vieles verbessert, aber auch hier erlebten queere Menschen Ablehnung und Gewalt, sagt sie. "Ich stehe unerschütterlich an der Seite aller queeren Menschen." Auch sie fordert die Staatsregierung auf, einen Aktionsplan umzusetzen. Sie sei es leid, sagt sie, dass Bayern "noch immer das reaktionäre Schlusslicht" in der Bundesrepublik sei.

"Awareness"-Teams sind mit Luftballons unterwegs

Julia Bomsdorf von "LesCommunity" erklärt, welche einzelnen Forderungen und Ziele ein Aktionsplan enthalten müsse: Die Beratung müsse beispielsweise ausgebaut werden, ebenso Bildung und Aufklärung über unterschiedliche sexuelle Identitäten, beginnend mit den Lehrplänen in den Schulen. Um die Sicherheit für queere Menschen zu verbessern, müsse die Polizei sensibilisiert werden für queerfeindliche Hasskriminalität.

In den Pride Weeks und beim Straßenfest zum CSD wird es laut den Veranstaltern einige Neuerungen geben. Erstmals werden während und nach der Parade "Awareness"-Teams unterwegs sein. Sie sollen Menschen helfen, die sich in einer potenziell unsicheren Situation Unterstützung wünschen oder ihre Grenzen verletzt sehen. In der Menge sollen die Zweier-Teams an Luftballons zu erkennen sein.

Das Straßenfest am Wochenende 24./25. Juni erstreckt sich über weite Teile der Innenstadt. Die Party-Area zieht vom Rindermarkt auf den Platz vor der Feldherrnhalle um. Dort gebe es viel mehr Platz, und wenn es zu voll werde, könne man bis in die Ludwigstraße ausweichen, heißt es. In der Sendlinger Straße werde vor dem ehemaligen SZ-Gebäude eine "Musikinsel" aufgebaut. Als Hauptacts auf den großen Bühnen sollen Mélovin, James Indigo und Tom Neuwirth alias Conchita Wurst auftreten.

Im Rahmen der Pride Weeks wird neben Sport-, Musik- und Kunst-Veranstaltungen sowie Workshops und Gottesdiensten auch die zuletzt heftig diskutierte Lesung für Kinder von Drag Kings in der Bogenhauser Filiale der Stadtbibliothek stattfinden.

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Die Debatte war nach dem Post eines CSU-Stadtrats entstanden. Hinterher beklagte sich die CSU-Fraktion, dass sie angeblich wegen ihrer Kritik nicht an der CSD-Parade teilnehmen dürfe. Dem widerspricht Alexander Kluge, Geschäftsführer des CSD, nochmals: Die CSU sei nicht ausgeladen worden, sie habe sich erstmals angemeldet. Ihre Teilnahme an der Parade habe man aber schon vor der Debatte um die Lesung abgelehnt, weil das Grundsatzprogramm der Partei nicht zum queer-freundlichen Anspruch der CSD-Organisatoren passe. Die Partei könne nicht einerseits angesichts der Drag-Queen-Lesung polemisieren und dann an einer Demonstration für geschlechtliche Vielfalt teilnehmen.

Die Vereinigung LSU, Lesben und Schwule in der Union, sei hingegen weiter willkommen, habe sich aber nicht angemeldet. Beim Straßenfest am CSD-Wochenende werde die CSU mit einem Infostand vertreten sein. Dies begrüße man auch, sagt Kluge, denn dort könne man miteinander über die Politik der CSU diskutieren.

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