Überraschender Vorstoß:Söder hisst die Regenbogenfahne

Überraschender Vorstoß: Die Regenbogenfahne ist eines der Symbole für queeres Leben.

Die Regenbogenfahne ist eines der Symbole für queeres Leben.

(Foto: Alexander Pohl/Imago)

In seinem Podcast kündigt der Ministerpräsident en passant strategische Maßnahmen gegen die Diskriminierung queerer Menschen an. Gerade so, als wäre es seit jeher das präferierte Thema der CSU.

Von Johann Osel

Bei einer Tasse Tee oder Kaffee kommen einem oft spontan die klügsten Gedanken in den Sinn. So geschehen nun im Podcast von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Auf eine weiß-blaue Tasse" heißt das Gesprächsformat, in Folge vier mit Dietmar Holzapfel, Urgestein der Schwulenszene in Bayern, legendärer Wirt der "Deutschen Eiche" im Münchner Glockenbachviertel, Restaurant, Hotel und Gay-Sauna.

Und irgendwann bei Minute 28 räumt Söder da plötzlich ein Thema ab, das der Staatsregierung seit Jahren massive Kritik von Verbänden und aus der queeren Community beschert, den Vorwurf der Blockade und ewigen Gestrigkeit. Es geht um einen Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.

Bayern will einen solchen Plan verfassen, kündigt Söder an, en passant. Gemeint wäre damit, wie im Rest der Republik längst der Fall, eine Bestandsaufnahme für alle Lebensbereiche, wo es hakt bei der Unterstützung lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher und anderer queerer Menschen. Mit Maßnahmen gegen Diskriminierung, mit fundierten Konzepten für Beratung, Schule, Gesundheit, für den Umgang mit Opfern von Hasskriminalität.

"Also was wir machen müssen, das fällt mir auf in Bayern, wir brauchen so einen Queer-Aktionsplan", sagt Söder im Podcast. In der bisherigen Arbeit seiner Regierung sei "zwar alles schon ein bisschen verteilt und es gibt viel. Aber das muss noch ein bisschen anders gemacht werden". Er habe schon mit Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) darüber geredet. Fraglich ist der Zeithorizont. Man arbeite bereits daran, der Aktionsplan müsse "möglichst breit gefächert sein, was Zeit in Anspruch nehmen wird", meldet das Ministerium am Mittwoch auf Nachfrage der SZ.

In Regierungskreisen war nach Söders Äußerungen Überraschung zu vernehmen

Es handelt sich um eine Dauerforderung etwa des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), sie wurde bisher von der Staatsregierung gekonnt ignoriert oder gar als überflüssig abgelehnt. Als Anfang März im Landtag über eine Interpellation der Grünen zum queeren Leben in Bayern debattiert wurde, wusste der CSU-Sozialexperte Thomas Huber offenbar noch nichts von Söders neuester Idee. "Bedarfsgerechte Maßnahmen" ja, sagte Huber, aber es "kommt nicht darauf an, wie die Verpackung heißt", ob das in einen Aktionsplan gegossen sei. Und nach dem Podcast war in Regierungskreisen durchaus Überraschung über Söders Wende zu vernehmen. Obwohl er schon länger demonstrativ progressive Signale sendet, es gab schon mal die Regenbogenflagge an der Staatskanzlei.

Ob Söders Eingebung aus dem guten Gespräch mit Holzapfel heraus kam? Im Podcast geht es auch um Filme und Hunde, zwei Söder-Leidenschaften. Oder um Freddy Mercury, der in der Eiche einst Gast war. Holzapfel erzählt vom Coming-Out früher und heute, die beiden sprechen über die Aids-Krise in den Achtzigern und das damals martialische Vorgehen des CSU-Politikers Peter Gauweiler, über Vorurteile und Ängste. Er sei froh, dass das alles überwunden sei, sagt Söder, "keiner von uns kann sich aussuchen, wen er liebt". Dass einer seiner Vorgänger bei der Homo-Ehe noch von "Teufelsanbetung" gesprochen hat, wie Holzapfel anmerkt, sei "Quatsch".

Als der Eiche-Wirt von der Schwulensauna spricht und beginnt, über Kondome und womöglich gleich noch mehr Details zu reden, leitet Söder dann doch rasch zum Restaurant über. Thema nun: andere Fleischeslust, nämlich Bratwürste und Schweinebraten. Ganz sicheres Terrain für den Ministerpräsidenten.

Dass Söder "endlich einlenkt und das Thema als Angriffspunkt im diesjährigen Landtagswahlkampf abräumen will, sehen wir als Chance", sagt Markus Apel vom bayerischen LSVD-Vorstand, der sich jetzt proaktiv einbringen will. Der Aktionsplan diene als "Kompass", Diskriminierung und Gewalt seien für viele queere Menschen Alltag.

Er fragt sich aber, ob Söder wirklich wisse, was er da anstoße: Einerseits müsse der Plan eine ressortübergreifende Strategie sein, koste Geld, erfordere wohl gar Gesetzesänderungen. Man dürfe da nicht bestehende Förderungen zusammenschreiben und eine Schleife dranbinden. Andererseits, sagt Apel, gehe es um sexuelle und die geschlechtliche Vielfalt - wo die CSU immer wieder mit "Falschbehauptungen" und Witzen über Transpersonen negativ auffalle.

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