Coronavirus-Pandemie:Ein paar Reserve-Betten mehr

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Bereiten sich auf die Omikron-Welle vor: die Krankenhauskoordinatoren Dominik Hinzmann und Viktoria Bogner-Flatz (Foto: Yoav Kedem)

Ende November wurden einige kleinere Kliniken in München verpflichtet, auch Covid-19-Patienten aufzunehmen. Hat sich die Situation seitdem entspannt?

Von Ekaterina Kel

Die eine Welle hat sich gerade gelegt, die nächste zeichnet sich schon wieder am Horizont ab. Nur innerhalb einer Woche hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz in München von 203 auf aktuell 305,8 erhöht. Was Omikron genau für die Krankenhäuser bedeutet, ist noch unklar.

In dieser Phase könne man bloß ausharren, sagt Dominik Hinzmann, Notfallmediziner und einer der beiden Krankenhauskoordinatoren für München. Gerade habe sich die Situation im Vergleich zu Ende November zwar etwas stabilisiert. "Aber es gibt nach wie vor eine anhaltend extreme Auslastung der Intensivstationen und einen hohen Bedarf an ECMO-Plätzen." Damit sind Maschinen gemeint, an die Menschen mit Lungenversagen angeschlossen werden, sogenannte künstliche Lungen. Die Kliniken haben bereits über den einen oder anderen schweren Fall mit Omikron berichtet. "Es ist wichtig, dass wir uns bereithalten, auch weil wir nicht wissen, was mit Omikron genau auf uns zukommt. Die Krankenhausbelegungen können extrem ansteigen."

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Auch die Sorge, dass das Personal in den Kliniken womöglich massenhaft wegen einer Quarantäne nach Omikron-Kontakt ausfällt, treibt die Krankenhauskoordinatoren um. "Neben dem, was potenziell an Hospitalisierungen auf uns zukommt, ist die größte Herausforderung das Personal", sagt die Notfallmedizinerin und zweite Krankenhauskoordinatorin Viktoria Bogner-Flatz.

Es wurden Pärchen gebildet zwischen kleinen und großen Häusern

Mit Gewissheit über ein paar Betten in Reserve mehr schläft es sich besser. Deshalb soll ein Instrument vorerst beibehalten werden, wie Hinzmann bestätigt: die Anordnung der Regierung von Oberbayern, die Krankenhäuser dazu verpflichtet, sich an der Versorgung der Corona-Patienten zu beteiligen. Was viele größere Krankenhäuser mit Notaufnahmen ohnehin seit Monaten getan haben - nicht dringliche medizinische Eingriffe zu verschieben, um Kapazitäten für Covid-19 freizuräumen - sollten ab Ende November auch einige kleinere, privat geführte Kliniken in der Stadt zusätzlich tun. "Diese Kliniken, die bislang Covid-19-Patienten nicht oder nur untergeordnet behandelt haben, sollen nun ebenfalls stationäre Kapazitäten (...) reservieren", hieß es in der Anordnung vom 30. November. Etwas, das zum Beispiel Axel Fischer, Geschäftsführer der München Klinik, die die größte Corona-Last in der Stadt trägt, wiederholt gefordert hatte. Was ist seitdem geschehen?

"Es wurden jetzt keine neuen Notaufnahmen aus dem Boden gestampft, das wäre auch nicht sinnvoll gewesen", sagt Bogner-Flatz. Der Sinn der Anordnung sei gewesen, Akutkliniken zu entlasten. "Das gelingt vor allem durch Patientenverlegung. Dafür wurden Pärchen gebildet zwischen kleinen und großen Häusern", erklärt sie. So kooperiert etwa das Isarklinikum am Sendlinger Tor mit dem LMU-Klinikum - diese Absprache gab es schon vor der Anordnung. Oder die orthopädische Sana-Klinik in Sendling mit dem Klinikum rechts der Isar. Man stelle derzeit acht Normalstationsbetten für die Versorgung von Covid-19-Patienten zur Verfügung, sagt eine Sprecherin. Auch eine Sprecherin der Schön-Klinik in Harlaching berichtet, man habe sich schon vor Erlass der Anordnung freiwillig gemeldet, um Covid-19-Patienten zu versorgen und "entsprechende Bettenkapazitäten" freizuhalten.

Von den meisten Kliniken kommt große Hilfsbereitschaft

Der Gedanke dahinter ist immer der gleiche: Patienten, die nicht oder nicht mehr intensivpflichtig und stabil sind, von den Normalstationen der großen Krankenhäuser "abzuverlegen", wie es im Fachjargon heißt, und so Kapazitäten freizubekommen für die schweren Fälle. So konnte man wieder mehr Personal auf die Intensivstationen entsenden, berichtet Hinzmann. Man habe mit jeder Klinik individuell einen Prozentteil ihrer Kapazitäten abgesprochen, den sie habe zur Verfügung stellen können. "So haben wir die großen Kliniken wieder handlungsfähiger gemacht", sagt Bogner-Flatz. Es habe ein paar hartnäckige Kliniken gegeben, die nur durch die Anordnung hätten bewegt werden können. Verbunden ist diese mit Freihaltepauschalen für die freigeräumten Betten. Von den meisten Kliniken sei aber schon vor der Anordnung von der Regierung "sehr große Hilfsbereitschaft" gekommen, so Bogner-Flatz.

Dies berichtet auch die Ärztliche Direktorin und Chefärztin des Krankenhauses für Naturheilweisen, Michaela Moosburner. Da sich das Haus auf dem Gelände der München Klinik Harlaching befindet, gebe es einen Austausch mit den Kollegen dort, sagt sie. "Als die Situation im November zu eskalieren drohte, haben wir uns mit den Kollegen von der Pneumologie abgestimmt, wie wir entlasten könnten." Seitdem habe man etwa 20 nicht intensivpflichtige Covid-Patienten von drüben übernommen, dafür musste eine Station zugemacht werden. Noch heute lägen vier bei ihnen - "die Liegezeiten sind sehr lang, das sind sehr kranke Leute", sagt Moosburner.

Viele spezialisierte Häuser haben gar nicht das Personal für komplexe Corona-Fälle

Die meisten dieser neu verpflichteten Kliniken sind stark spezialisiert, etwa auf bestimmte orthopädische Eingriffe. Sich einfach so auf demselben Niveau in die Covid-Versorgung einzuklinken, wie es die großen Krankenhäuser seit Beginn der Pandemie machen, wäre gar nicht möglich gewesen. Auf diesen Umstand weist auch Dominik Hinzmann hin: "Viele sind auf ganz spezielle Verfahren, zum Beispiel Gelenk-OPs spezialisiert. Die haben gar nicht das Personal für komplexe Fälle." Eine Generalverpflichtung wie in der ersten Welle sei rückblickend nicht sinnvoll gewesen. "Daraus haben wir gelernt."

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