Corona-Demo in München:Polizei spricht von überregionaler Mobilisierung bei Protestteilnehmern

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Die Polizei war am Mittwochabend mit 1000 Beamten im Einsatz, um das Verbot von Corona-Demonstrationen durchzusetzen. (Foto: Timo Weber / aal.photo via www.imago-images.de/imago images/aal.photo)

Wer waren die 5000 Personen, die am Mittwochabend durch München zogen? Die Polizei beobachtet, dass sie teilweise von sehr weit außerhalb gekommen waren. Die Stadt verlängert unterdessen das Verbot für unangemeldete Proteste.

Von Ingrid Fuchs, Anita Naujokat und Susi Wimmer

Die Wortwahl ist diesmal ganz anders. Aus dem Münchner Rathaus ist am Donnerstag kein Murren zu hören, Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) spricht am Tag nach den verbotenen Corona-Demonstrationen in der Innenstadt von "ausgezeichneter Zusammenarbeit", dem "richtigen Signal" und "großem Dank". Es ist Lob für Polizei und Kreisverwaltungsreferat (KVR), denen es gelungen ist, den Aufmarsch von Impfgegnern, Kritikern der Corona-Maßnahmen und auch Vertretern aus rechten Milieus im Zaum zu halten.

1000 Beamtinnen und Beamte waren am Mittwochabend im Einsatz, um die Demonstrationszüge aufzuhalten. Die Polizei spricht von 5000 Teilnehmern, die trotz des Verbots kreuz und quer durch die Innenstadt strömten. Wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass mancher Demonstrant doppelt gezählt worden sei.

"Wir hatten das Katz- und Mausspiel in der Hand", sagt Polizeisprecher Andreas Franken. Durch das flexible Vorgehen, unterstützt von einem Polizeihubschrauber und Videoaufnahmen, habe man größere Aufzüge verhindern können. Es sei aber auch anspruchsvoll gewesen, ständig Kräfte zu verlagern und zugleich andere Orte nicht aufzugeben.

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Diesmal geht die Taktik der Münchner Polizei voll auf. Für diejenigen, die im Glauben losmarschierten, Vorschriften hätten keine Bedeutung, kann das ein teurer Abendspaziergang werden.

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Einige Demonstranten etwa konnten erst kurz vor der Mauer an der Synagoge am Sankt-Jakobs-Platz als neuralgischem Ort gestoppt werden. Man habe alle sensiblen Stellen wie das NS-Dokumentationszentrum oder den Platz der Opfer des Nationalsozialismus im Auge gehabt, erklärt Franken. Wenn aber gerade nicht viel los gewesen sei, sei die Polizeipräsenz geringer gewesen. Letztlich seien die Protestler aber gestoppt worden - und dabei hatte die Polizei viel Arbeit.

Es kam zu mehr als 700 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten. Es ergingen etwa 1300 Platzverweise, 450 mal wurde die Identität von Teilnehmern festgestellt. In mehr als 220 Fällen griffen die Einsatzkräfte durch Schieben und Drücken ein, sogenannter "unmittelbarer Zwang", elfmal setzten sie Schlagstöcke ein. Dazu kamen 20 weitere Strafanzeigen unter anderem wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, Beleidigung, Körperverletzung mit mindestens einem Verletzten, Gebrauch falscher Gesundheitszeugnisse und Aufforderung zu Straftaten.

Unter den Demonstranten machte die Polizei laut Franken auch Protagonisten "extremer Ideologien" aus. Beobachtungen, wonach "Spaziergänger" auch von sehr weit außerhalb Münchens gekommen waren, bestätigte der Sprecher, es habe eine "überregionale Mobilisierung" gegeben, sagte er. "Die Fokussierung auf München ist bundesweit."

Die Allgemeinverfügung der Stadt gilt nun auch im Januar noch

Was den Einsatzkräften geholfen hat, waren die klaren Bestimmungen der Stadt: Per Allgemeinverfügung waren für Mittwoch und auch diesen Donnerstag unangemeldete Demos und spontane "Spaziergänge" verboten worden. Diese Regelung wurde nun verlängert, sie gilt auch am 1., 3. und 5. Januar im gesamten Stadtgebiet. Grundsätzlich dürfen Menschen weiter gegen Corona-Maßnahmen demonstrieren - allerdings muss dies mindestens 48 Stunden vorher angemeldet und gemäß der erlassenen Auflagen durchgeführt werden.

Die Konsequenzen für die Menschen, die sich am Mittwochabend nicht an die Regeln gehalten haben, werden nun in erster Linie Polizei und KVR beschäftigen. Die mehr als 700 Anzeigen werden zunächst bei der Polizei fertiggestellt und nach Anhörung der Betroffenen schnellstmöglich an die Bußgeldstelle im KVR abgegeben. "Dort werden sie vorgezogen und umgehend abgearbeitet", sagt Sprecher Johannes Mayer. "Die Betroffenen können sich auch im weiteren Verfahren zu den Sachverhalten erneut äußern." Am Ende werde die jeweilige Bußgeldhöhe festgelegt - und die kann bis zu 3000 Euro gehen.

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Legen die Betroffenen Einspruch ein, landet die Angelegenheit vor dem Amtsgericht. Bereits im Laufe des Jahres, sagt Pressesprecherin Julia Burk, habe man aufgrund der Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Corona in der zuständigen Abteilung personell etwas aufgestockt. Die Verhandlungen gegen Demo-Teilnehmer seien meist zeit- und arbeitsaufwendig. Aktuell warte man ab, wie viele Fälle tatsächlich vor Gericht gehen, man rechne nicht damit, dass "alle in einem Schwung ankommen".

Straftaten aus dem Versammlungsgeschehen wie Körperverletzungen oder Widerstände gegen Polizisten verfolgt die Staatsanwaltschaft mit ihrer politischen Abteilung. "Wir sind da gut aufgestellt", sagt Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Die Demo am Mittwochabend sei vergleichsweise friedlich abgelaufen. Im Ernstfall hätte man aber auch in München bei massiven Straftaten Hauptverhandlungshaft anordnen und eine Verhandlung vor dem Schnellgericht beantragen können.

Bürgermeisterin Dietl ist am Tag nach der Demo noch ein Aspekt wichtig: Ihr Dank gelte auch "den 84 Prozent der Erwachsenen in unserer Stadt, die bereits gegen Corona geimpft sind, und allen, die sich auch sonst vernünftig an die Regeln halten."

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