München:Pandemieleugner attackiert Journalisten und droht mit Vernichtung

Lesezeit: 3 min

Ein Mann aus der rechten Szene attackiert am Rande einer Pressekonferenz einen Reporter des Bayerischen Rundfunks. Die BR-Intendantin zeigt sich entsetzt. Doch die Gewalt gegen Journalisten nimmt weiter zu.

Von Martin Bernstein und Anita Naujokat

Ein Reporter des Bayerischen Rundfunks (BR) ist am Rande einer Pressekonferenz in München von einem Mann aus der rechten Szene angegriffen worden. Der Reporter habe Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Der Vorfall habe sich am Dienstag bei einer Pressekonferenz von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zu einer Kampagne für Corona-Auffrischimpfungen auf dem Marienplatz ereignet. Die Polizei geht außerdem Hinweisen nach, wonach möglicherweise noch ein Fotograf angegriffen worden sei.

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Nach BR-Angaben hatte der Mann den Reporter am Dienstag zunächst mit mehreren Faustschlägen auf den Kopf attackiert. Nachdem Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts den Mann zurückgedrängt hatten, habe der Angreifer immer wieder vergeblich versucht, an sein Opfer heranzukommen. Ihm wurde daraufhin ein Platzverweis für den Marienplatz erteilt. Offenbar lauerte der Mann jedoch dem Reporter auf dem Weg zum Auto auf und attackierte ihn dann auf dem Münchner Marienplatz erneut mit Faustschlägen. Die Polizei spricht von wiederholten Schlägen ins Gesicht.

Zuvor hatte der Angreifer nach Angaben des Bayerischen Rundfunks den Reporter noch wüst beschimpft und gesagt: "Ich vernichte Euch alle." Andere Journalisten bezeichnete er als "Volksverräter" und "Impfterroristen". Nach seiner Festnahme beleidigte und bedrohte er auch die eingesetzten Polizisten. Sie nahmen den wegen Widerstandshandlungen und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte polizeibekannten Mann in Sicherungsgewahrsam, um zu verhindern, dass er zur Veranstaltung zurückkehrte.

Der Angreifer soll schon Gewaltfantasien im Internet verbreitet haben

Ob der BR-Reporter gezielt angegriffen wurde, konnte die Polizei am Mittwoch nicht sagen. Der Tatverdächtige habe sich nicht geäußert. Allerdings dürften sich beide schon öfter auf diversen Veranstaltungen gesehen haben, mutmaßte Polizeisprecher Werner Kraus.

Nach BR-Recherchen soll es sich bei dem Angreifer um einen jungen Mann handeln, der bereits Gewaltfantasien im Internet verbreitet hat. Der laut Polizei 23-Jährige pflegt intensive Kontakte in die Szene rechter Pandemieleugner - schon vor zwei Jahren war er in München auf verschwörungsideologischen Kundgebungen im Gespräch mit bekannten Rechtsextremisten zu sehen.

BR-Intendantin Katja Wildermuth verurteilte den Angriff am Mittwoch. "Jeder Angriff auf Journalisten ist auch ein Angriff auf die Pressefreiheit." BR-Chefredakteur Christian Nitsche sprach vom bislang schwersten Angriff auf einen BR-Kollegen. Reporter seien während der Corona-Pandemie auf Demonstrationen zwar immer wieder verbal angegangen worden. "Die jetzige gewalttätige Attacke sprengt diese Dimension", sagte Nitsche: "Mich entsetzt dieses Maß an Enthemmung und Verrohung." Dass jemand Reporter hinterrücks angreife und Vernichtungsfantasien äußere, überschreite jede Grenze.

Auch Gesundheitsminister Holetschek verurteilte die Attacke scharf. "Jeder gewalttätige Angriff auf Journalistinnen und Journalisten ist auch ein Angriff auf die Pressefreiheit und die Demokratie. Die Medien müssen ohne Angst vor Einschüchterung frei berichten können", teilte er am Mittwoch mit.

Die Impfgegner und Pandemieleugner forcieren seit Wochen Angriffe auf Medienvertreter

Die verschwörungsideologisch geprägte Szene der Impfgegner und Pandemieleugner forciert seit Wochen Angriffe auf Medienvertreter, aber auch auf Polizisten. "Verrecken sollt ihr, ihr Dreckspack", schrie ein Teilnehmer der Mittwochsdemonstration am 10. August in München einen Polizisten an. Ein anderer soll einen Fotografen körperlich bedrängt haben.

Der preisgekrönte Münchner Fachjournalist Robert Andreasch musste am Samstag seine Berichterstattung von einem Pandemieleugner-Aufmarsch in Nürnberg einstellen, nachdem Hunderte aggressiver Teilnehmer ihn und weitere Journalisten umkreist, massiv bedroht und bedrängt hatten. Aufrufe seien zu hören gewesen, die Reporter "zu Boden zu bringen". Andreasch twitterte: "Eine weitere Dokumentation wäre lebensgefährlich."

Für die Attacke auf den BR-Reporter vom Dienstag kommt aus der Szene öffentlich geäußertes Verständnis. "Leider wird auch die GEZ Gebühr gewaltsam eingezogen", relativierte ein User auf Twitter den Angriff. Ein anderer fragte: "Welche Pressefreiheit soll hier angegriffen worden sein?" Ein User kommentierte: "Mir kommen die Tränen - liegt aber sicherlich nicht auch ein Stück an eurem Auftreten die letzten Monate." Ein anderer rechtfertigte die Tat mit fehlender "Sympathie für die Lügenpresse", einer kommentierte: "Selbst schuld ... Menschen wehren sich gegen eine Mafia."

Seit Wochen macht die Szene mit sogenannten "Mahnwachen" vor Münchner Medienhäusern Stimmung gegen Journalisten. Auch für Donnerstag sind ungeachtet der Attacke vom Dienstag bereits derartige Auftritte angekündigt.

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