Pandemie:Holetschek wirbt mit millionenschwerer Kampagne für Corona-Impfungen

Pandemie: Die Impfbereitschaft stagniert zurzeit in Bayern, dabei könnte die Quote nach der Ansicht von Experten höher sein. Eine Kampagne soll helfen.

Die Impfbereitschaft stagniert zurzeit in Bayern, dabei könnte die Quote nach der Ansicht von Experten höher sein. Eine Kampagne soll helfen.

(Foto: Leonhard Simon)

Der Sommer stiehlt dem Virus gerade die Aufmerksamkeit, doch es ist immer noch da. Und in der Impfstatistik ist noch viel Luft nach oben.

Von Johann Osel

Der Marienplatz in München ist gut gefüllt, viele Besucher sind in Vorfreude, Handys zum Filmen gehen in die Höhe, sogar Applaus ertönt. Dann ist das Glockenspiel mit den tanzenden Figuren im Rathausturm auch schon wieder vorbei. Es ist kurz nach 11 Uhr am Dienstag, die Veranstaltung des bayerischen Gesundheitsministeriums zur Corona-Impfkampagne beginnt - und die Reihen der Passanten lichten sich zügig. Ein schlechtes Omen?

Nun gut, die Beobachtung ist etwas unfair, sind doch unter den Turmguckern auch viele Touristen, die den Namen Klaus Holetschek wohl noch nie gehört haben. Doch im Grunde trifft das Geschehen hier die Situation ganz gut: Die Pandemie und die Sorgen um das Virus scheinen in diesem Sommer weit weg zu sein. Jedenfalls sind sie ziemlich sicher nicht mehr die Hauptsorge der meisten Menschen. Eben besagte Kommunikationskampagne - Titel: "Na sicher" - soll das Thema wieder aufs Tapet bringen.

Daher der Startschuss der Aktion mit einer Pressekonferenz "mitten im Herzen der Landeshauptstadt", wie es Gesundheitsminister Holetschek nennt. "Auch wenn wir bei dem schönen Wetter vielleicht nicht mehr richtig dran denken", sagt er - im Herbst könne es "die eine oder andere Herausforderung" geben, wenn sich Aktivitäten in die Innenräume verlagerten.

Der CSU-Politiker betritt mit der Münchner Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek und der Virologin Ulrike Protzer die Bühne. Außer den Pressevertretern bleiben dann doch immer wieder Interessierte stehen und hören zu. "Die kenn ich aus'n Fernsehen", tuscheln norddeutsche Urlauber, als sie Wissenschaftlerin Protzer sehen. Andere, darunter auch mancher Impfskeptiker, zeigen schließlich mit dem Finger auf, stellen Fragen, als die Journalisten dazu eingeladen werden. Holetschek lässt sich darauf ein und öffnet den Pressetermin auch offiziell zur spontanen Runde mit Bürgerinnen und Bürgern.

Pandemie: "Luft nach oben" sieht Gesundheitsminister Klaus Holetschek bei Bayerns Impfstatistik.

"Luft nach oben" sieht Gesundheitsminister Klaus Holetschek bei Bayerns Impfstatistik.

(Foto: Florian Peljak)

"Je höher der Impfschutz in der Bevölkerung ist, desto besser starten wir in den Herbst und Winter - das schützt unser Gesundheitssystem, vor allem aber die Menschen selbst", sagt der Minister. Damit ist nicht unbedingt die vierte Impfung gemeint, die seit Kurzem von der Stiko für Menschen ab 60 Jahren oder mit Vorerkrankungen empfohlen wird - sondern auch die dritte, Booster Nummer eins also. Beim aktuellen Stand sieht Holetschek "Luft nach oben", in der Impfstatistik gibt es seit Monaten fast keine Bewegung mehr: In Bayern sind derzeit gut etwa 75 Prozent der Menschen zweifach geimpft. 58,8 Prozent haben einen Booster erhalten (den zweiten Booster mittlerweile knapp sechs Prozent). In anderen Bundesländern liegt die Quote der Dreifach-Geimpften übrigens teils deutlich höher: in Schleswig-Holstein bei 70, im Saarland, in Niedersachsen oder Bremen bei mehr als 65 Prozent.

Auf der Checkliste mit den Vorbereitungen für den Corona-Herbst "darf die Impfung nicht fehlen", verkündet Holetschek. Checklisten sind auch tatsächlich ein zentrales Kampagnenelement, das auf Plakaten in Bayerns Städten und Gemeinden oder in sozialen Medien zu sehen sein soll. Oft sind es zum Hingucken oder Stirnrunzeln anregende Reihungen, mit Häkchen daneben. Zum Beispiel: "Morgen: Yoga, Hecke schneiden, Friseur, Auffrischungsimpfung". Oder "Diese Woche: Auffrischungsimpfung, Dirndl umnähen, Sparbuch auflösen, Wiesnstart".

Vier Millionen Euro kostet die Kampagne

Das ist Aufklärung und Information weniger mit dem Zeigefinger, dieser Eindruck entsteht. Vielmehr sollen die Menschen animiert dazu werden, sich über ihren Impfstatus Gedanken zu machen oder mit ihrem Arzt darüber zu reden. Auffällig oft fallen an diesem Tag Begriffe wie "Eigenverantwortung". Offensiver wird dagegen schon seit gut einer Woche in stationären Pflegeeinrichtungen geworben, dezidiert für die zweite Auffrischung. Dazu soll jedes Impfzentrum einen Beauftragten benennen, der die Heime beim Boostern der Bewohnerinnen und Bewohner betreut.

Bereits im Juli hatte das Ministerium die Pläne zur Kampagne im Gesundheitsausschuss des bayerischen Landtags vorgestellt. Damals wurden Gesamtkosten in Höhe von vier Millionen Euro genannt. Die Kommunikationsoffensive soll sich später auch den Hygieneregeln widmen und Händewaschen, Abstand und Masken in Erinnerung rufen. Apropos Masken, da werde sich "morgen noch etwas tun", mutmaßt Holetschek. Das Bundeskabinett berät am Mittwoch über den Entwurf der Ampel zu möglichen Corona-Maßnahmen. Dieser sieht vor, dass die Länder von Oktober an wieder eine Maskenpflicht in Innenräumen einführen können. Ausgenommen davon soll allerdings unter anderem sein, wer in den drei Monaten davor frisch geimpft wurde. Für Holetschek ist diese Idee "nicht umsetzbar im Vollzug", zum Beispiel in Restaurants oder Sportstätten. Generell gilt bei künftigen Maßnahmen offenbar Augenmaß, der Minister verspricht: "Wir handeln, wenn es notwendig ist, und nur so viel wie nötig."

Virologin Protzer stellt auf Nachfrage einer Passantin außerdem klar, dass man bei Auffrischungen nicht auf neue Impfstoffe warten solle, selbst bei Aufkommen einer neuen Virusvariante. Beispiel Omikron: Das jetzt in England zugelassene angepasste Vakzin beziehe sich auf eine Untervariante, die hierzulande im Januar zirkulierte und inzwischen schon nicht mehr. Der Effekt der ursprünglichen, derzeit in Deutschland verfügbaren Impfstoffe "in puncto Krankheitsverlauf" (bei der Ansteckung "leider" weniger als anfangs erhofft) sei aber ebenso gut.

Die aktuelle Corona-Welle ist derweil offenbar auf dem Rückzug. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat liegt aktuell bei 271,8, noch vor wenigen Wochen war es das Dreifache. Experten gehen aber von einer hohen Zahl nicht erfasster Fälle aus - weil bei Weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen und nur diese in der Statistik zählen. Doch auch in Kliniken, konkret auf den Intensivstationen, sinken die Fallzahlen. Am Dienstag waren in Bayern 156 Intensivbetten mit Corona-infizierten Patienten belegt. Ende Juli waren es zwischenzeitlich mehr als 280, eine rote Alarmstufe ist in der bayerischen Warnampel bei 600 vorgesehen. Dennoch bleibt die Situation in vielen Krankenhäusern angespannt, Intensivstationen laufen mitunter in eingeschränktem Betrieb. Grund sind vor allem Corona-Infektionen und krankheitsbedingte Ausfälle beim Personal.

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