"Mit der Kooperativen Ganztagsbildung schlagen wir in München ein neues Kapitel bei der Bildung und Betreuung von Grundschulkindern auf." Dieser Satz stammt von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der das im Schuljahr 2018/19 erstmals getestete Modell in den höchsten Tönen lobt. Die Idee dahinter ist, dass Unterricht und Betreuung verbunden werden, Lehr- und Erziehungskräfte zusammenarbeiten und alle Räume von allen genutzt werden. Dieses Ganztagsangebot könne "ein echter Gewinn für die Münchner Familien sein", so Reiter.
Ähnlich angetan von der Kooperativen Ganztagsbildung sind auch die Eltern an der Ruth-Drexel-Grundschule in Bogenhausen - in der Theorie. In der Praxis jedoch erleben sie eklatante Mängel, wie nun mehrere von ihnen in einem Schreiben beklagen. Grund hierfür sei der Platzmangel in der Schule. "Aus unserer Sicht laufen das Konzept des Kooperativen Ganztags aus Gründen der Raumknappheit und das gesamte Betreuungskonzept sehenden Auges gegen die Wand", heißt es im Schreiben der Eltern. Und dies führe wiederum dazu, sagt Katharina Phillip, deren Tochter die 2. Klasse an der Ruth-Drexel-Schule besucht, "dass die besonders kostbaren Erzieher ihre Motivation verlieren und die Einrichtung verlassen".
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Klagen darüber, dass die 2017 im Prinz-Eugen-Park eröffnete Grundschule zu klein ist, gibt es bereits seit Jahren. Auch der Bezirksausschuss Bogenhausen (BA) hat sich mehrfach mit dem Thema beschäftigt und zuletzt eine "schnellstmögliche" Aufstockung der dortigen Schul- und Hortcontainer gefordert. "Schon jetzt platzt die Schule aus allen Nähten", heißt es im Dringlichkeitsantrag des BA. Im neuen Schuljahr rechne man mit erheblich mehr Schülerinnen und Schülern. Daher seien die Eltern "in höchster Sorge, dass ihre Kinder nicht mehr ausreichend versorgt werden können".
Laut dem Referat für Bildung und Sport (RBS) besuchen die Ruth-Drexel-Schule, die als Außenstelle der Grundschule an der Knappertsbuschstraße firmiert, aktuell 409 Kinder in 17 Klassen - fünf mehr als geplant. Am Standort in der Knappertsbuschstraße werden 163 Kinder in acht Klassen unterrichtet, wodurch die Gesamtzahl in dem Sprengel bei 572 liegt. Im kommenden Schuljahr werden es laut Prognose des Bildungsreferats 640 Kinder sein, 2024/25 dann sogar 660, ehe die Zahlen wieder sinken sollen. Insgesamt zeige sich jedoch, "dass die Schule von vornherein viel zu klein geplant wurde", kritisiert Katharina Phillip, die dem Elternbeirat des Horts an der Ruth-Drexel-Schule angehört.
Eine kurzfristige Aufstockung lehnt das Bildungsreferat ab
Mit dem Vorwurf der Fehlplanung konfrontiert, verweist das Bildungsreferat auf die umfangreiche Analyse, die den Schülerprognosen zugrunde liege. "Trotz oder gerade wegen der vielen unterschiedlichen Faktoren, die die Zahlen beeinflussen, kann eine Prognosezahl nie auf das einzelne Kind genau ermittelt werden", teilt ein Sprecher mit. "Das RBS wird daher gemeinsam mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung weiter analysieren, warum bei der Sprengelprognose der Grundschule Ruth-Drexel-Straße der Bestand von der früheren Prognose abweicht."
Den Vorwurf der Eltern, wonach die Kooperative Ganztagsbildung unter der Raumnot leide, weist der Sprecher zurück. Das Modell zeichne sich gerade dadurch aus, dass den Kindern vor- und nachmittags nicht nur einzelne Klassenräume, sondern der gesamte Bildungscampus zur Verfügung stehe. Werde dieser genutzt, "so ist auch im neuen Schuljahr genügend Raum für die Kinder vorhanden", betont der Sprecher.
Unabhängig davon ist das Referat bemüht, den Platzmangel in der Grundschule zu beheben. Laut der Behörde soll dem Stadtrat vorgeschlagen werden, im fünften Schulbauprogramm eine Containerlösung in der Knappertsbuschstraße vorzusehen. Dem Wunsch des BA nach einer kurzfristigen Lösung durch eine Aufstockung erteilt das RBS jedoch eine Absage. In ihrer Erklärung verweist die Behörde zum einen auf "bautechnische Gründe". Zum anderen müssten für eine Aufstockung die vorhandenen Container ausgelagert werden, "was zu einer Raumverknappung führen würde".