Bienenzuchtverein Lochhausen:120 000 Kilometer Flug für ein Glas Honig

Bienenzucht, 2019

Ein Bienenvolk produziert zwischen 20 und 30 Kilo Honig pro Jahr.

(Foto: Florian Peljak)

Wer das Imkern lernen will, braucht Geduld: Zwei Jahre wird ein Neuling von seinem Paten unter die Fittiche genommen.

Von Ellen Draxel, Lochhausen

Wilhelm Völker trägt weder einen Schleierhut noch Handschuhe, wenn er seine Bienen besucht. "Diese Verkleidung", schmunzelt der 79-Jährige, "braucht man heutzutage nicht mehr". Vorausgesetzt, man reagiere nicht allergisch auf Bienenstiche. "Deutsche Imker", sagt er, "betreiben bereits seit 1960 gezielt Auslesezucht auf sanftmütige Bienen".

Völker ist Bienenfachwart des Landesverbandes Bayerischer Imker und Mitglied im Bienenzucht- und Obstbauverein Lochhausen, der heuer sein 125. Jubiläum feiert. Mit Vereinskollegen steht er an diesem frühen Abend im Lehrbienenstand des drei Hektar großen Geländes an der Aubinger Lohe. Neben der Gruppe raucht der Smoker, als Völker mit bloßen Händen eines der zehn Rähmchen aus dem obersten Kasten eines mehrstöckigen Bienenhauses herausnimmt.

In dieser sogenannten Zarge sammeln die Bienen ihren Honig. Der Qualm aus dem mit Kräutern gefüllten, kannenähnlichen Smoker-Gefäß gaukelt den Bienen Waldbrand vor - weshalb die Tiere bei Arbeiten am offenen Stock auf ihren Waben sitzen bleiben. An die tausend Bienen können das auf jeder Seite des Rähmchens sein. Die Blütenpollensammler glauben, sich auf die Flucht vorbereiten zu müssen und füllen ihre Honigblase auf Vorrat - ein Gefahr-Verhalten, das Imker nutzen.

Völker imkert seit 40 Jahren. In seinem Garten stehen 20 Bienenstöcke, jeder ist mit rund 40 000 Tieren bestückt. Sein Faible für die Nutztiere entdeckte Völker bereits als kleiner Junge. "Damals hielt ich in den Obstgärten von Bauern Wache. Sobald die Bienen ausgeschwärmt sind und ich es gemeldet habe, bekam ich zur Belohnung ein Butterbrot." Heute liegen seine Prioritäten woanders. Heute freut es ihn, wenn er sein Wissen weitergeben kann: an Kinder in Schulen und Kindergärten, aber auch an Gleichgesinnte. 230 Mitglieder zählt der Lochhausener Verein mittlerweile, jedes Jahr kommen neue - zunehmend jüngere - Bienenfreunde dazu. Zu pachtende Parzellen mit Obstpflanzen gibt es nur 35, die sind auch alle längst vergeben.

Aber das Potenzial des Vereins liegt ohnehin in der fachlichen Kompetenz. Einmal im Jahr, im März, veranstaltet der Verein einen Wochenendkurs zum Imkern. Um eine erste Starthilfe für das naturnahe Hobby zu geben und bei Interessenten ein Bewusstsein für das Leben der Biene und ihre Aufgaben in der Natur zu wecken. "Der Kurs beinhaltet Wissenswertes zur Anatomie, zum Lebenszyklus und zur artgerechten Haltung von Honigbienen im Jahresverlauf", erzählt der zweite Vorstand Markus Leitgeb. Außerdem gibt die Schulung Infos zu den Beuten, den Behausungen der Bienen.

Das eigentliche Imkern jedoch, betont Völker, beginne erst nach der Theorie. "Imkern lernt man nicht vom Bücherlesen oder Zuhören." Fürs Imkern braucht es Paten - Leute mit Praxiserfahrung, die die Neulinge zwei Jahre lang unter ihre Fittiche nehmen. "Das erfordert Teamgeist: Ein Bienenpate investiert locker 50 Stunden in seinen Zögling." Völker selbst ist für diesen Job schon bis nach Inning am Ammersee gefahren.

Im Lochhausener Bienenzuchtverein erklären sich in der Regel fünf bis zehn Engagierte pro Jahr bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Zunächst geht es darum, einen idealen Platz auf dem Grundstück des Neu-Imkers für die Bienenstöcke auszusuchen. Dann braucht es ein Bienenvolk - ein großes mit Königin oder alternativ einen Brut-Ableger, einen vom Imkerpaten aus seinen Völkern abgetrennten Schwarm, für den die Königin erst noch herangezogen werden muss. Die neuen Kästen müssen dann regelmäßig gemeinsam kontrolliert und die Tiere beobachtet werden - bis die Bienen ihre Waben verschlossen haben und der Honig darin, üblicherweise im Juni, entnommen werden kann.

Der Verein verfügt über einen eigenen Schleuderraum, ein Volk produziert zwischen 20 und 30 Kilo Honig pro Jahr. Für den Winter bekommen die Bienen Zuckerwasser zugefüttert mit einem Rest Honig - auch dies eine Mischung, die der Neuling vom Paten erlernt. Alle Hände voll zu tun übers Jahr haben aber auch die Leiter des Lehrbienenstands auf dem Vereinsgelände. Dort kann man Imkern auf Probe, mit fachlicher Unterstützung der Kenner. Und der Honig wird aufgeteilt.

Für ein einziges Gramm des süßen Stoffes müssen Bienen 8000 bis 10 000 Blüten besuchen. Um ein ganzes Glas zu füllen, fliegen die fleißigen Sammlerinnen gar die immense Strecke von 120 000 Kilometer, das ist so weit wie dreimal um den Erdball. Dabei ist Honig nicht das Einzige, was Bienen herstellen. Sie sind auch Wachs- und Antibiotikum-Lieferanten. "Bienen produzieren Propolis, ein Harz, mit dem sie ihren Stock sauber halten", erklärt Völker. Sie kleben es an den Eingang und desinfizieren sich jedes Mal damit, wenn sie heimkommen. Indianer und die alten Griechen wussten das bereits.

So teuer wie 1923 ist Honig heute zum Glück nicht mehr, damals kostete ein Glas des flüssigen Goldes aus Lochhausen 21 Milliarden Mark - inflationsbedingt. Werbung für ihren Honig brauchen die Imker aus der Bienenheimstraße 11 dennoch keine zu machen, der Verkauf läuft über Mundpropaganda. Weit über Lochhausens Grenzen hinaus bekannt ist auch die vereinseigene Gaststätte Bienenheim, 1900 unter dem Namen "Bienenmeisterhaus" errichtet. Das Gebäude wurde mehrmals umgebaut und vergrößert, 2018 außen komplett renoviert. Vor Kurzem, erinnert sich das Vorstands-Team, fragte eine Dame im Biergarten, warum das 120 Jahre alte Wirtshaus denn eigentlich Bienenheim heiße. Die angrenzend fünf Millionen fliegenden Bienen hatte sie offensichtlich nicht bemerkt.

Sein 125. Jubiläum feiert der Bienenzucht- und Obstbauverein Lochhausen am Samstag, 6. Juli, von 10 Uhr an mit dem Einzug verschiedener Vereine und einem Gottesdienst, einem Tag der offenen Tür mit einem Puppenspieler, Führungen über das Gelände von 14 bis 18 Uhr und einer Partynacht im Festzelt mit der Wiesn-Band "Flottn3er".

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