"Grüffelo"-Erfinder:"Es war eine schwierige Geburt"

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Weltweit beliebtes und berühmtes Team: Das ängstliche Monster Grüffelo und die kleine, schlaue Maus. (Foto: Julia Donaldson und Axel Scheffler: Der Grüffelo, 1999/Magic Light Pictures Ltd)

Sein "Grüffelo" ist ein Welthit, doch bis dahin war es ein steiniger Weg. In München ehrt man das vielseitige Werk von Axel Scheffler nun mit einer eigenen Schau - bei der er von den anfänglichen Schwierigkeiten erzählt und warum er zum Gute-Nacht-Programm der Royals gehört.

Von Barbara Hordych, München

Das "Gute-Nacht-Programm bei Königs" sieht ganz ähnlich aus wie in anderen Familien, erfuhr Illustrator Axel Scheffler vor einigen Jahren bei einer Charity-Aktion von Prinz William höchstpersönlich: Sohn George liebe es, wenn seine Eltern ihm "Der Grüffelo" vorlesen. Als Scheffler wenige Jahre später im Frühstücksfernsehen eine Schwarz-Weiß-Zeichnung des Grüffelo anfertigte, wurde die per Kurier noch rasch zu Prinz George gebracht - um ihn zu seinem ersten Schultag zu begleiten. "Da Tradition bei den Royals groß geschrieben wird, vermute ich, dass auch Georges jüngere Geschwister den Grüffelo kennen", sagt Scheffler und schmunzelt. Der gereimte Kinderbuch-Bestseller um das ängstliche Monster und die schlaue Maus von der Kinderbuchautorin Julia Donaldson und dem aus Hamburg stammenden Illustrator hat sich seit seinem Erscheinen 1999 millionenfach verkauft und wurde in 40 Sprachen übersetzt.

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In der Ausstellung zu Schefflers 65. Geburtstag in der Internationalen Jugendbibliothek ist dem warzigen Fabeltier ein eigener Raum gewidmet. Den Weg dorthin weisen Grüffelo-Stapfen, am Ziel angelangt, lernt man aber auch die Alpträume kennen, die das Untier seinem Schöpfer verursachte. "Bis heute kann ich es mir nicht erklären, aber tatsächlich hat die Figur mir richtig zu schaffen gemacht, es war eine schwierige Geburt", erzählt Scheffler bei einem Rundgang vorab. Vom zähen Schöpfungsakt künden Schwarz-Weiß- Zeichnungen, auf denen Scheffler seinerzeit seine Situation illustrierte: Das Monster erwartet ihn morgens auf seinem Schreibtisch, wenn er die Tür zu seinem Atelier öffnet, lastet abends auf ihm, wenn er im Bett liegt. "Schlag ich früh die Augen auf, sitzt Grüffelo schon auf mir drauf", reimte er dazu.

Gereimter Hexenritt von Julia Donaldson und Axel Scheffler: "Für Hund und Katz ist auch noch Platz". (Foto: McMillan)

Begonnen hatte die Zusammenarbeit von Donaldson und Scheffler 1992 mit "Mein Haus ist zu eng und zu klein", der Verleger brachte sie damals zusammen. Bis heute entstanden aus dieser kongenialen Partnerschaft 25 Titel, darunter weitere Bestseller wie "Für Hund und Katz ist auch noch Platz" bis zum neuesten Buch, "Die Rüpelbande". "Irgendjemand hat einmal ausgerechnet, dass alle elf Sekunden auf der Welt ein Buch von Julia gekauft wird. Nun ja, und ein großer Teil dieser Bücher dürfte von mir illustriert worden sein", erklärt Scheffler seinen weltweiten Erfolg. Zu dem gehört auch, dass Scheffler 2012 als Britanniens liebster Illustrator sogar die Weihnachtsbriefmarken der Royal Mail gestalten durfte.

Die Briefmarken der Royal Mail sind überhaupt sehr schön, findet Scheffler. Viel schöner etwa als die der Deutschen Post. Es wäre auch zu schade, wenn deren schnöde Label-Ziffer-Aufdrucke auf die einfallsreich illustrierten Briefumschlägen kämen, die Scheffler in den vergangenen Jahrzehnten vorzugsweise an seine Schwester Rose in Hamburg, aber auch an Freunde und Freundinnen wie Rotraut Susanne Berner geschickt hat. Versammelt sind die fantasievollen Briefbilder unter dem Titel "Verbriefte Freundschaft" ebenfalls in der IJB. "Als ich vor 40 Jahren nach England ging, um an der Bath Acadamy of Art in England zu studieren, waren Telefon und Briefe die einzigen Möglichkeiten, um Kontakt zu halten", erklärt Scheffler. Später kamen dann die Faxe hinzu, und glücklicherweise waren die Adressaten dieser illustrierten Lebenszeichen weitsichtig genug, sie aufzubewahren.

Illustriertes Lebenszeichen: Fax-Porträt von Axel Scheffler. (Foto: Axel Scheffler)

In Deutschland werden Schefflers Bildkunstwerke zwar auch gelobt (geliebt sowieso), trotzdem genießen Bilder- und Kinderbücher hierzulande nicht die gleiche Wertschätzung wie Literatur für Erwachsene wie in Großbritannien. Obwohl sie doch zu ihnen hinführen. Unterschätzen sollte man Schefflers Figuren ohnehin nicht. Auf den ersten Blick wirken sie zwar durch ihre Niedlichkeit und ihre kunterbunte Farbenpracht. Doch die leuchtende Strahlkraft entsteht durch eine aufwändige Technik, durch die Abstufung unzähliger Schattierungen - ein Schaffensprozess, der bereits Gegenstand mehrerer Kurz-Dokumentarfilme war: Zunächst verleiht Scheffler einem Bleistiftentwurf mit Tusche Konturen, dann koloriert er ihn mit Aquarellfarben. Danach sorgen Buntstifte für die Scheffler-typische Farbigkeit, zum Schluss kommt noch einmal die Tuschfeder zum Einsatz. Keine Frage - wer in Schefflers Figurenwelt eintaucht, lernt sehen.

Schön verqueres Miteinander von Menschen, Tieren und Fabelwesen: Axel Schefflers phantasievolle Bildschöpfungen zu Frantz Wittkamps wundersamen Gedicht-Vierzeilern. (Foto: Axel Scheffler und Frantz Wittkamp: In die Wälder gegangen, einen Löwen gefangen/2016 Beltz- Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim Basel)

Eine Erfahrung, die sich jetzt in der IJB intensivieren lässt. Dort sind auch Schefflers fein- und hintersinnige Illustrationen zu den wundersamen Vierzeilern von Frantz Wittkamp ausgestellt: "In die Wälder gegangen. Einen Löwen gefangen" heißt beider Bilder-Kunst-Werk, das einen Kosmos zeigt, in dem Menschen, Tiere und Fabelwesen schön verquer miteinander leben.

Nicht wegzudenken aus Schefflers Bestiarium ist auch das jonglierende Eichhörnchen, das in der Wehrgang-Galerie der IJB knapp über den Bodenleisten zu finden ist. "Es entstammt einem Buch, zu dem mich ein englischer Text von 1911 inspiriert hat, da ging es um das Dressieren von Eichhörnchen", sagt der Illustrator. Der seriös gemeinten Anleitung verlieh er seinen unverwechselbar humorvollen Strich. Da im Text etwa Unterhaltung für das Eichhörnchen empfohlen wurde, lernt es bei ihm unter den staunenden Augen einer Menschen-Familie eben jonglieren.

Axel Scheffler hat sich vor dem Brexit oft gegen den Ausstieg Großbritanniens aus der EU ausgesprochen. Aber er sagt auch: "Es ist natürlich völlig wurscht, was Axel Scheffler darüber denkt". (Foto: Liam Jackson)

Über die Jahrzehnte habe sich sehr viel angesammelt in seinem Haus im Londoner Stadtteil Richmond, sagt Scheffler. "Als Frau Raabe, die Leiterin der Jugendbibliothek, mich wegen der geplanten Ausstellung in meinem Atelier oben unter dem Dach besuchte, war sie wohl etwas überrascht von der Fülle des Materials". Mittlerweile helfe ihm eine Assistentin, sein ganzes Material in Kartons zu ordnen. "Obwohl ich sehr viel von Ordnung halte, gelingt es mir nur schlecht, sie selber einzuhalten", gesteht Scheffler. Zum Leidwesen seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter gelinge es ihm nicht immer, eine Grenze zum Wohnhaus zu ziehen. "It's so messy", rufe seine 15-jährige Tochter schon mal aus, wenn sie ins Wohnzimmer komme, sagt Scheffler und lacht. Dabei hegte sie schon als Kind einen Faible für die losen Blätter, für die sie den Ausdruck "Zwischendurchbilder" prägte: Skizzen, die er ohne Anlass und besonderen Zweck schuf, in der IJB legen auch sie Zeugnis von Schefflers ironisch-subtiler Schaffenskraft ab.

Gerade habe er übrigens die Arbeiten an einem neuen Trickfilm beendet, erzählt Scheffler. Zum elften Mal in Folge jährt sich damit auch für ihn eine lieb gewordene Tradition: Ausgestrahlt wird der Film am ersten Weihnachtstag, zur besten Fernseh-Sendezeit, kurz vor der Weihnachtsansprache, die dieses Jahr erstmals King Charles halten wird. Prinz George und seine Geschwister dürften sich freuen.

Axel Scheffler - Bilderwelten für Groß und Klein, bis 12. März 2023, Internationale Jugendbibliothek , Schloss Blutenburg; Fr., 18. Dezember, szenisch-musikalische Lesung des "Grüffelo" mit Musikerinnen und Musikern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, zu der Axel Scheffler live zeichnet

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