Mögen die Spiele beginnen! Das Kunstkraftwerk Bergson startet seine Eröffnungsfeierlichkeiten, die sich über mehrere Wochen hinziehen werden, standesgemäß mit einer eigenen Fanfare. Die Bergson Artists von der Jazzrausch Bigband legen dann gleich mächtig los, unten mit Schlagzeuger, oben von der Brücke, die sich quer durch den Saal zieht. Da beschleicht einen schon der Verdacht, dass diese Fanfare etwas länger ausfallen wird als jene, die in den alten Metro-Goldwyn-Mayer-Filmen immer als Vorspann vor dem brüllenden Löwen läuft. Und tatsächlich: Sie erreicht zwar nicht ganz die Länge der Ouvertüre zum "Ring des Nibelungen", aber zwischendurch denkt man dann doch schon mal an Richard Wagner, auch wegen einer gewissen Dramatik in der musikalischen Gestaltung. Aber immerhin verzichten die Bergson Artists auf ein Schlagzeug-Solo.
Maximilian Maier, Programmchef des neuen Bergson Kunstkraftwerks, hat zuvor dankenswerterweise verraten, wo sich der "Sweet Spot" im 30 Meter hohen Saal des Kunstkraftwerks befindet - also jener Ort, von dem man aus am besten hört: "links von der Bar". Tatsächlich, dort ist die Akustik einwandfrei, etwas weiter weg aber auch nicht schlecht, was man ja nicht vermuten möchte, wenn man in dieser Halle von riesigen Ausmaßen steht, in die auch noch ein großer, schwarzer Kubus hineingebaut worden ist. Die Tagesbar namens Anima (lateinisch für "Geist", "Seele") ist an diesem Mittwochabend tatsächlich auch geöffnet und schenkt unter anderem den "Signature Drink" des Hauses, einen papperlsüßen, aber offenkundig sehr promillehaltigen Cocktail, aus.
Der leitet dann über in das Restaurant des Kunstkraftwerks. "Zeitlang" heißt es, was ein erstaunlicher Name ist für ein Restaurant. Dieses bayerische Wort stehe für Sehnsucht und Verlangen, steht auf der Menükarte. Was nicht falsch ist, aber auch nicht ganz richtig. Denn: "I hob Zeitlang" kann auch bedeuten, dass einem fad ist oder ein bisschen langweilig. Und das ist das neue Restaurant gewiss nicht. Chefkoch Christopher Engel, zuvor Küchendirektor im Hotel Vier Jahreszeiten in der Maximilianstraße, hat eine Karte zusammengestellt, die mit überwiegend regionalen Zutaten arbeitet, aber auch mit mediterranen Aromen und exotischen Gewürzen spielt. Gerade das Restaurant soll, so Geschäftsführer Matthias Altmann, die Besucher in das etwas abgelegene Bergson ziehen. Vom S-Bahnhof Langwied zum Kunstkraftwerk ist halt doch noch ein kleiner Fußmarsch nötig. Nachhaltig und klimagerecht möchte man auch kochen: "Wir wollen zu 50 Prozent vegetarische Gerichte anbieten."
Die sind übrigens besonders gelungen. Beim Vier-Gang-Menü zur Eröffnung ist die gebratene Maishähnchenbrust mit Polenta, Kürbispüree und Vanillejus eher nicht so überraschend, die vegetarische Alternative - Kohlrabi-Cannelloni hingegen sehr wohl. Bei der Vorspeise aus eingelegtem Chinakohl mit Holunder, Mandelspänen und geflämmtem Rhabarber ergibt sich ein hübsches Zusammenspiel von Süße und Säure. Und das Spargelcremesüppchen mit Bärlauch und winzig kleinen Croûtons ist gerade richtig gewürzt - kräftig, aber nicht so, dass man sonst nichts mehr schmeckt. Und das Dessert - Griechischer Joghurt mit Ahornsirup, Hafercrumble und Sorbet - ist zwar simpel, aber schön abgewogen in den Geschmacksnoten.
Das ist dann durchaus schon abendfüllend. Dabei hat Roman Sladek, Gründer und Bandleader der Bergson-Hauskapelle Jazzrausch Bigband sowie einer der drei Geschäftsführer des Hauses, zu Beginn des Mahls noch dazu aufgefordert: "Mischt Euch nachher einfach noch unter die Normalos da draußen bei der Housewarming-Party." Das ist allerdings nicht so einfach - nach dem letzten Gang war nicht mehr so arg viel los mit den Normalos. Ist halt doch ein wenig abgelegen, das Bergson.
So haben sie also begonnen, die Spiele im Bergson Kunstkraftwerk. "Am 7. Mai geht unsere Eröffnungskaskade weiter", sagt Maximilian Maier, "dann werden die Silos eröffnet." Das wäre eigentlich ein schöner Name für eine Galerie zeitgenössischer Kunst mit 200 Quadratmetern Fläche. Man hat sich aber für den Titel "Bergson Gallery" entschieden.