Im Sommer werden es sechs Jahre. Da saß Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in der Aula der Hildegard-von-Bingen-Realschule im äußersten Münchner Norden und hörte sich die Sorgen der Bürger im Stadtbezirk Milbertshofen-Am Hart an. Das zentrale Thema damals: eine geplante Flüchtlingsunterkunft an der Thalhoferstraße. Dass die Einrichtung im Harthof die Menschen im Münchner Norden mehr als ein halbes Jahrzehnt später noch immer beschäftigen würde, hat OB Reiter damals sicher nicht geahnt. Obwohl nie ein Flüchtling die Unterkunft bezogen hat, ist der Containerbau auch heute noch ein Politikum. Mittlerweile läuft in der Sache ein Verfahren vor dem Landgericht, doch das zieht sich hin.
Im Dezember des vergangenen Jahres wäre der Vertrag für die Notfall-Unterkunft, seinerzeit gegen großen Protest in einer öffentlichen Grünanlage zwischen Rathenau- und Bernaysstraße eingerichtet, abgelaufen. Über eine Verlängerung ist freilich nie verhandelt worden, denn kurz vor dem geplanten Einzugstermin 2016 verhängte die Stadt einen Baustopp. Das Baureferat hatte festgestellt, dass die Wohncontainer nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprachen. Vor allem der Brandschutz, der Schallschutz aber auch die Statik der dreigeschossigen Anlage waren als unzureichend bewertet worden. Der Generalunternehmer sollte die Mängel beheben. Es wurde gemahnt, gefordert und sich geärgert. Vorangegangen ist aber nichts.
Letztlich brauchte die Stadt die Unterkunft gar nicht mehr. Sie beschloss, den Standort komplett aufzugeben, weil auch der Zuzug von Geflüchteten abebbte. 2017 befasste sich der Stadtrat mit dem Thema, zumal ein Verlust in Millionenhöhe entstanden war. Der Stadtrat beschloss, dass die Container abgebaut, neue Bäume gepflanzt, Rasen angesät und somit das Parkstück wieder hergestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Auch das ist aber nicht geschehen.
Der Grund? Die Container sind Beweisstücke in einem juristischen Verfahren, das die Stadt mit dem Generalunternehmer führt. Auf die Dauer des sogenannten selbständigen Beweisverfahrens habe die Stadt "leider keinerlei Einfluss", heißt es dazu aus dem Baureferat. Momentan begutachteten Sachverständige noch die Anlage. "Bis zum Abschluss der Begutachtung dürfen die Beweismittel - in diesem Fall die Wohncontaineranlage - nicht verändert oder gar entfernt werden", sagt eine Sprecherin des Referats.
Dem Landgericht München I zufolge, wo das Verfahren anhängig ist, habe ein Ortstermin mit einem Gutachter aufgrund der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden müssen. Ein neuer Termin sei vorgesehen. Damit an der Thalhoferstraße irgendetwas geschieht, prüft das Baureferat gerade, ob wenigstens der Spielplatz und die Sportgeräte auf dem Gelände der Unterkunft freigegeben werden können. Einen entsprechenden Antrag hat der Bezirksausschuss (BA) Milbertshofen-Am Hart gestellt - auch schon im März. Momentan sind Wohncontainer und Spielgeräte durch einen Zaun vom Rest der Grünanlage getrennt. An allen Ecken wuchert Grünzeug über das brache Areal. Was andere bislang nicht geschafft haben, versucht die Natur nun selbst zu richten. Stück für Stück holt sie sich ihren Park zurück.