Wohnen in München:Ein Gewerbegebiet wird Heimat für 3000 Menschen

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Der Siegerentwurf stammt vom Büro Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten vom Büro Keller Damm, beide aus München. (Foto: Simulation: ALLPG/Hilmer Sattler/Keller Damm)

Noch ist das Kirschgelände in Allach scheußlich. Bald aber soll es sich zu einem bemerkenswerten Stadtquartier wandeln - mit Wohnungen, Kitas und Freiflächen, die mehr bieten als "Schamgrün".

Von Sebastian Krass

Gesichtslose Lagerhallen, verkleidet mit Waschbeton, auf dem ganzen Areal verstreut geparkte Lkw, die Bodenflächen komplett versiegelt: "Wenn man hier rausschaut, kann man sich nicht vorstellen, dass es einmal ein guter Wohnort wird", sagt Hannelore Deubzer, Architekturprofessorin an der Technischen Universität München. Sie steht im sechsten Stock eines schon weitgehend leerstehenden Bürogebäudes auf dem Kirschgelände im Münchner Nordwesten, an der Grenze der Stadtteile Allach und Untermenzing. Und doch soll dieser Logistik- und Gewerbestandort von ausgesuchter Scheußlichkeit in den nächsten Jahren genau das werden: ein guter Wohnort. Und ein großer noch dazu. Gut 1300 Wohnungen für etwa 3000 Bewohnerinnen und Bewohner sollen auf dem zwölf Hektar großen Areal entstehen, es ist eines der derzeit größten privaten Wohnbauprojekte in München.

Am Mittwoch stellten die Bauherren gemeinsam mit einer Vertreterin und einem Vertreter der Stadt das Ergebnis des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs vor, der nun die Basis für die Planung des Stadtquartiers wird. Gewonnen hat den Wettbewerb das Büro Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten vom Büro Keller Damm, beide aus München. Das Hauptthema im Wettbewerb sei gewesen, wie die neue Bebauung in das bestehende Wohngebiet einzubinden sei. "Das Vertrauen in dieses Konzept ist groß", sagte Hannelore Deubzer, die die Wettbewerbsjury geleitet hat.

Auf Luftbildern und den Simulationen der Architekturentwürfe ist zu sehen, wie groß der Bruch wird: Im Süden, im Westen, auch im Osten, jenseits der Bahnstrecke zwischen München und Dachau, sind lauter kleine Punkte zu sehen: Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften, klassische Stadtrandbebauung. Nur im Norden ist mit dem neuen Ortszentrum am S-Bahnhof Allach samt kleinem Einkaufszentrum am Oertelplatz etwas Urbanität entstanden. Von einem "Maßstabssprung" in der Bebauung, "den man nicht wegleugnen kann", spricht Michael Hardi, Leiter der Stadtplanung im Planungsreferat. Aber angesichts der Wachstumsprognosen und der schon bestehenden Wohnungsnot werde man auf privaten wie städtischen Flächen um eine dichtere Bebauung als in bestehenden Nachbarschaften "nicht umhinkommen, irgendwo müssen die Leute ja hin". Es werde "die dichteste Bebauung im Stadtbezirk", ergänzte Heike Kainz, planungspolitische Sprecherin der CSU-Stadtratsfraktion und bis zum Frühjahr langjähriges Mitglied des Bezirksausschusses Allach-Untermenzing, "aber das muss der Qualität nicht abträglich sein".

Der Siegerentwurf des Wettbewerbs sei "ein Wurf, der die Nachbarschaft miteinbezieht", lobte der Stadtplaner Hardi. Nach Westen öffnet sich das Quartier mit einem Landschaftspark, der zusammen mit zwei weiteren öffentlichen Grünflächen 18 000 Quadratmeter einnimmt, das entspricht zweieinhalb Fußballfeldern. "Das ist kein Schamgrün, wie wir es manchmal nennen", sagt Hardi. Das zweite Element, das den Entwurf nach Auffassung der Jury gut integriert, ist die gestaffelte Bebauung. Im Südwesten sind die Gebäude drei Stockwerke hoch, in der Mitte sind Sieben- bis Neungeschösser vorgesehen. Den Lärm der Bahnlinie sollen sechs Stockwerke hohe Blöcke abschirmen. Auf dem Areal, mit dem die Bevölkerung des Stadtbezirks um etwa zehn Prozent wächst, sind vier Kindertagesstätten vorgesehen. Auch eine dreizügige Grundschule ist eingeplant. Gewerbeflächen sind nur in kleinem Maße vorgesehen, das Einkaufszentrum ist ja nah.

Das Kirschgelände liegt an der Grenze zwischen Allach und Untermenzing - dort soll ein neues Quartier entstehen. Simulation: ALLPG/Hilmer Sattler/Keller Damm (Foto: N/A)

Als Investor für das Kirschgelände, das nach dem 1892 eröffneten Dampfsägewerk "Theodor Kirsch und Söhne" benannt ist, tritt die Immobiliengesellschaft "Allpg" auf, sie gehört zu 75 Prozent der Eckpfeiler Immobiliengruppe aus Pullach und zu 25 Prozent der Büschl Unternehmensgruppe. Gemäß den Regeln der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) werden 40 Prozent der Wohnungen gefördert oder preisgedämpft sein, 60 Prozent sind frei finanziert. Eckpfeiler-Geschäftsführer Wolfgang Bogner und sein Partner Ralf Büschl betonen, dass sie einen Teil der frei finanzierten Wohnungen verkaufen, aber einen Teil auch selbst vermieten werden. "Wir unterscheiden zwischen den Bauherren, die nur am schnellen Euro interessiert sind und denen, die auch Wohnungen im Bestand halten", sagt Michael Hardi von der Stadt, denn zweiteres sichere, dass die Investoren auf die architektonische und bauliche Qualität achten. Womöglich hilft das den Bauherren bei den Verhandlungen mit der Stadt über die Zahl der Wohnungen. Bisher war nämlich die Rede von 1200 Wohnungen, gut 100 weniger als nun vorgesehen. Die Details werden nun im Verfahren für den Bebauungsplan geklärt, den am Ende der Stadtrat beschließen wird. Investor Büschl äußerte die Hoffnung, dass das nicht mehr als zwei Jahre dauern werde. Dann, so das Kalkül, könnten in den ersten von drei Bauabschnitten von 2024 an die ersten Bewohnerinnen und Bewohner einziehen.

Die Siegerentwürfe können im Hochpunktgebäude auf dem Kirschgelände in der Elly-Staegmeyr-Straße 15 besichtigt werden, am 18./19. Juli, jeweils von 9 - 14 Uhr, sowie vom 20.- 24. Juli täglich von 16- 19 Uhr.

© SZ vom 16.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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