Antrag von Grünen/Rosa Liste in München:Wie Migranten die Verkehrswende unterstützen können

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Viele Busfahrer gehen bis 2030 in Rente. (Foto: Robert Haas)

Bürokratische Hürden, fehlende Qualifizierung - noch fällt es Geflüchteten schwer, als Busfahrer Fuß zu fassen. Politik und Münchner Verkehrsgesellschaft wollen den Berufseinstieg flexibler gestalten, auch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Von Joachim Mölter

"Es ist alles gut in Deutschland, nur die Bürokratie...", seufzt Ahmad Zangello mit einem vielsagenden Lächeln. Seit Ende 2015 ist der gebürtige Syrer in Deutschland, seit etwas mehr als drei Jahren arbeitet er in München als Busfahrer. Im Gespräch wird klar, dass es nicht unkompliziert war, sich hierzulande beruflich hinter ein Lenkrad setzen zu dürfen - obwohl er in Syrien schon jahrelang Schreibwaren und Büromaterial in Lastwagen transportiert hatte. "Führerscheine aus arabischen Ländern werden hier nicht so anerkannt wie die aus europäischen", hat Zangello gelernt. Und bevor man eine Fahrerlaubnis für die Personenbeförderung bekommt, braucht man erst einen Pkw-Führerschein. Die Kosten dafür seien sehr hoch, zumal für Geflüchtete, sagt Zangello: "Das ist ein großes Problem."

Die Stadtratsfraktionen von Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt möchten nun bestimmte Hürden absenken, um speziell Migranten und Geflüchteten den Einstieg in einen Beruf zu erleichtern, und zwar explizit in den des Busfahrers beziehungsweise der Busfahrerin. Dazu haben sie einen dreiteiligen Antrag eingebracht, mit dem sowohl die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) als auch das Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) angehalten werden, Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme flexibler zu gestalten und speziell an die Situation von Geflüchteten anzupassen.

"Wir sehen eine große Chance für den Fachkräftegewinn", sagt Mona Fuchs, die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Ihre Stellvertreterin Clara Nitsche spricht von einer "Win-win-Situation" in diesem Zusammenhang: "Wir wollen Menschen in eine gute Arbeit bringen und gleichzeitig einen Mangel beheben."

Mittlerweile fehlen ja in allen Branchen Fachkräfte, in Bayern sind allein bei den Busunternehmen 4000 Stellen offen und 4000 weitere mit Menschen besetzt, die eigentlich schon in Rente sind, berichtete Fuchs. Auch in München sei dieser Mangel im Busbetrieb zu spüren, für die angestrebte Verkehrswende fehle jedenfalls das Personal, räumt Fuchs ein: Hier brauche man gar nicht an eine Verbesserung des Angebots zu denken, da sei schon die Aufrechterhaltung eine Herausforderung. "Anstatt den Takt zu verdichten, müssen wir ihn ausweiten", resümiert die Fraktionschefin der Grünen.

Nun sucht die MVG bereits im Ausland nach Fahrern und Fahrerinnen, in Tschechien und in Spanien hat sie schon Qualifizierungsprojekte installiert. Aus Gesprächen mit Mitarbeitern des Bellevue di Monaco, des Wohn- und Kulturzentrums für Geflüchtete, wissen Fuchs und Nitsche aber, dass es auch unter den Neuankömmlingen durchaus Interesse gibt, mit dem Busfahren Geld und Lebensunterhalt zu verdienen. "Wir haben viele Anfragen", sagt Andrea Hagen vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), "aber es gibt zwei große Probleme." Zum einen die bereits erwähnte fehlende Anerkennung von Führerscheinen, zum anderen den Umstand, dass viele Menschen mit einer Aufenthaltsberechtigung schon in Vollzeit arbeiten und sich eine Weiterqualifikation schlicht nicht leisten können. "Die Leute, die schon einen Job haben, können den ja nicht einfach kündigen", sagt Hagen.

Da soll Abhilfe geschaffen werden, indem die MVG prüft, wie sie den formalen Erwerb eines Pkw-Führerscheins in ihre Busfahrer-Ausbildung integrieren kann. Außerdem soll das Referat für Arbeit und Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der MVG und dem Jobcenter die bestehenden Weiterbildungsprojekte so umgestalten, dass interessierte Menschen berufsbegleitend daran teilnehmen können. Zudem solle das RAW parallel zur Akquise von Busfahrern aus dem Ausland auch die entsprechende Personalgewinnung im Inland vorantreiben. "Das eine tun und das andere nicht lassen", formuliert Fuchs das Ziel. "Es wäre schade, wenn wir die Potenziale nicht heben könnten, die wir hier schon haben", findet Nitsche.

Neben Arbeitsplatz und Integration spielt auch die Wohnungsfrage eine große Rolle

Neben Sprachkenntnissen sei eine gute Arbeit der zweite wichtige Punkt bei der Integration von Migranten aller Art, sagt Nitsche. Der dritte Aspekt sei dann, "die Leute auch in Wohnungen zu bringen", ergänzt Andrea Hagen - und bestätigt Ahmad Zangello. Er hat an seinem neuen Arbeitsplatz bei der MVG schon gehört, dass es Kollegen wegzieht, in Regionen, wo die Mieten günstiger sind. Auch in diesem Punkt setzen die Münchner Verkehrsbetriebe schon an, weiß Fuchs: "Die Stadtwerke investieren massiv in Werkswohnungen."

Alles hängt mit allem zusammen, die Gewinnung von Fachkräften einerseits und die Verkehrswende andererseits. Mona Fuchs weiß, dass Jahre vergehen, bis die nun eingeleiteten Maßnahmen wirken. Bis 2030, so die Prognose, gehe rund die Hälfte der hierzulande in Busunternehmen Beschäftigten in Rente. Der Bedarf an Nachwuchs ist da.

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