Kooperative Ganztagsbildung:Fiasko zum Schulstart

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Auch am Nachmittag gut betreut: Kinder einer Ganztagsschule in Berg am Laim. (Foto: Stephan Rumpf/)

Erst kurz vor Unterrichtsbeginn erfahren die Eltern von 385 Kindern, dass die Ganztagsbetreuung an der Mariahilf-Grundschule bis Jahresende eingeschränkt wird. Grund ist laut Schulamt akuter Personalmangel.

Zum Eklat kam es an der Mariahilf-Grundschule in der Au exakt fünf Tage vor Schulbeginn: Die Informationen des städtischen Trägers kamen zunächst per Mail, dann in Veranstaltungen online und in Präsenz. Ihre Kinder, erfuhren die Eltern der Erst- bis Viertklässler, könnten vom 13. September an nur im wöchentlichen Wechsel im Rahmen der Kooperativen Ganztagesbildung (Koga) betreut werden. Nicht, wie zuvor kommuniziert, regelmäßig. Der Grund: akuter Personalmangel. Betroffen sind 385 Kinder.

Die Eltern reagieren entsetzt. "Uns bleibt der Mund offen stehen angesichts dieser bodenlosen Frechheit", sagt Christian Wagner. Er hat einen Sohn, der in die zweite Klasse kommt und jetzt am Mittwoch, Donnerstag und Freitag nach Schulschluss heimgehen soll, ohne Mittagessen. Um in der Woche darauf wieder in die Betreuung gehen zu dürfen. "Seit März ist bekannt, wie viele Kinder betreut werden müssen." Die Eltern hätten sich darauf verlassen, dass die Betreuung klappe. Nun habe es Tränen gegeben bei Müttern, die gerade ihre Arbeitszeit aufgestockt hätten und jetzt zum Arbeitgeber gehen müssten, weil es wochenweise keine Betreuung fürs Kind gebe. Der Elternbeiratsvorsitzende Nicolas Völkel spricht von einer "Katastrophe" - insbesondere wegen der Kurzfristigkeit der Information.

Die Kooperative Ganztagsbildung ist ein Münchner Modellprojekt. Das Konzept soll dafür sorgen, den Rechtsanspruch für Grundschüler auf einen Betreuungsplatz nach dem Unterricht zu gewährleisten, der von 2026 an bundesweit gilt. Es impliziert flexible Buchungszeiten bis 18 Uhr für Kinder aus Regel- und Ganztagsklassen inklusive Ferienbetreuung. Mittlerweile bieten 30 Grundschulen die Koga an.

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Dass an der Mariahilf-Schule die Kommunikation für die Eltern, deren Kinder den kooperativen Ganztag besuchen, "sehr kurzfristig erfolgte", dessen ist man sich im Bildungsreferat "bewusst". Aber, sagt Sprecher Andreas Haas, "wir hatten bis zuletzt gehofft, dass sich die fehlenden Stellen noch besetzen lassen. Leider war dies hier nicht der Fall." Derzeit seien an dieser Grundschule "leider" zehn Stellen im pädagogischen und zwei Stellen im hauswirtschaftlichen Bereich unbesetzt. Deshalb habe man einen Notfallplan erstellt, der eine wöchentlich wechselnde Betreuung aller Kinder ermögliche. Gelten soll er bis Ende des Jahres.

"Wie verzweifelt der städtische Träger ist, sieht man daran, dass das Referat Rentner, Eltern in Elternzeit und Studenten anhauen will, damit sie auf Minijob-Basis aushelfen", sagt Vater Christian Wagner. Haas bestätigt, dass "über einrichtungsbezogene Ausschreibungen von pädagogischen Stellen, über Social Media, Plakataktionen sowie eine Bewerbung der offenen Stellen im Internet, in privaten und fachlichen Netzwerken" versucht wird, das noch fehlende Personal auf 520-Euro-Basis zu akquirieren. Und zwar "möglichst schnell". Damit sukzessive die Betreuungszeit der Kinder erhöht werden könne, beginnend bei der 1. Klasse.

Zu "Personalengpässen" könne es aufgrund des Fachkräftemangels jederzeit kommen, sagt der Sprecher. Dann müssten die Betreuungszeiten angepasst werden. Man versuche aber immer, "im Sinne der Kinder die beste Lösung für alle Beteiligten zu finden".

Die Kritik der Eltern tangiert nicht das pädagogische Konzept der Kooperativen Ganztagesbildung an sich. "Das Koga-Modell selbst begeistert mich", sagt Wagner. "Es ist toll. Ebenso wie das Engagement des Fachpersonals."

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