Kolumne "Das ist schön":Keine Zeit für lange Geschichten

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(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Mario Adorf lässt sich gern feiern. Aber nicht um jeden Preis.

Von Susanne Hermanski

Mario Adorf pendelt im Alltag zwischen Saint Tropez und München. Aus der schönen Stadt an der Côte d'Azur stammt seine Frau Monique. Nach München ist er 2004 von Italien aus gezogen, weil er die Stadt "immer schon liebte" und weil ihm vor Berlusconi graute. Doch an diesem Abend hat den großen Schauspieler Berlin gerufen, zu einem Galadinner, ihm zu Ehren.

Im immer schon filmreifen Hotel Adlon haben sich am Vorabend des Berlinale-Auftakts alle eingefunden, von denen später so manche Party-Veranstalter nur träumen konnten. Marius Müller-Westernhagen mit seiner Frau ist genauso gekommen wie der "Blechtrommel"-Regisseur Volker Schlöndorff. Der gefeiertste Heldentenor und Wagner-Sänger dieser Tage, Klaus-Florian Vogt, sitzt fröhlich an Tisch acht, Ricardo Marinello, der vor vielen Jahren einmal "Voice of Germany" gewonnen hat und Adorf später ein Ständchen mit "Nessun dorma" bringt, an Tisch zwölf. (Einen Hauch mulmig ist ihm schon angesichts des Bayreuth-Kollegen, aber er bekommt das trotzdem toll hin.)

Linken-Legende Gregor Gysi ist ebenfalls gekommen und selbstverständlich viele, viele Schauspielkollegen wie Ulrich Tukur, Alexander Scheer Ben und seine Schwester Meret Becker, die nimmermüde Iris Berben und Karin Baal, die im Rollstuhl sitzt und lebhaft so manches kommentiert, was an diesem Abend geschieht. Ebenfalls dabei: ein Herr, der zwar kein Star beim Publikum, aber dafür umso mehr unter den Film- und Medienleuten ist: Christian Schertz. Der Professor Doktor ist ein gefürchteter Anwalt, der schon so manche Gazette bis in die Steinzeit zurückgeklagt hat, für Histörchen, die sie wider den Willen der Beschriebenen preisgegeben oder gar erfunden hat. Schon allein Schertz hätte so manchen Schwank zu erzählen.

Doch die einzigen Worte von Gewicht spricht an diesem Abend Mario Adorf selbst. Der 92-Jährige steht auf zu einer kleinen Dankesrede. Dass er für sein Lebenswerk geehrt werden solle mit diesem Essen, sei ja freundlich, sagt er. Aber was heiße das schon. Viel lieber würde er die Sache umwidmen in eine nachgeholte Geburtstagsfeier. Sein Neunzigster sei wegen der Pandemie ja ins Wasser gefallen. Also dankt und lobt er den ein oder anderen ein bisschen. Dann sagt er, "ach, das ist doch eigentlich alles gar nicht so interessant", und überblättert einige der weißen, dicht beschriebenen Zettel des Redemanuskripts in seinen Händen. Apropos, meint er: "Ich habe es ein bisschen an den Ohren. Also versuchen Sie erst gar nicht, mir heute Abend längere Geschichten zu erzählen." Klüger und cooler geht's nicht. Wenn das nicht schön ist!

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