LMU und TU:"Ich glaube nicht, dass allen bewusst ist, was da kommt"

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Was ändert sich durch die anstehende Reform des Bayerischen Hochschulgesetzes? Die Frage wird auch an den Münchner Exzellenzuniversitäten diskutiert.

Von Sabine Buchwald

Oft sickern Informationen nur langsam ins Home-Office durch. Selbst wenn es so wesentliche sind wie die anstehende Reform des Bayerischen Hochschulgesetzes. Es scheinen nicht alle Professoren und Dozenten der beiden Münchner Exzellenzuniversitäten über den Stand der Entwicklungen im Bilde zu sein. Sie und auch die Mitarbeiter der Verwaltung sind seit Wochen beschäftigt, sich auf das Wintersemester samt Online-Lehre vorzubereiten. Mit dem November beginnt die Vorlesungszeit an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität (TU).

Währenddessen war man andernorts nicht untätig: Am Mittwoch vergangener Woche gab es eine Expertenanhörung im bayerischen Landtag zur angestrebten Hochschulrechtsreform. Man habe lediglich aus den Medien davon erfahren, hört man auf Nachfragen an verschiedenen Fakultäten. Das mag auch daran liegen, dass ein Austausch darüber, etwa an einem Kaffeeautomaten, die Hygieneregeln an den Hochschulen derzeit kaum zulassen. Wer kann, vermeidet Kontakt. So werden auch Eckpunktepapiere nicht weitergereicht.

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Von einem solchen Papier zur Reform war bei der Anhörung immer wieder die Rede. Selbst von den geladenen Experten kannten nur wenige dessen Inhalt. Inzwischen ist es auf der Webseite des Wissenschaftsministeriums zu finden. Es ist 21 Seiten lang und durchaus detailreich. Das neue Gesetz solle ein "Signal für einen Neuaufbruch" mit dem "Leitbild größtmöglicher Freiheit" sein, ist dort etwa zu lesen, häufig auch das Wort "Eigenverantwortung" etwa in Bezug auf Selbstbestimmung und Entfaltung. Zur Finanzierung sollen die Hochschulen eine "umfassende Gebührenerhebungsmöglichkeit" erhalten, etwa für Nicht-EU-Ausländer, und so einen Ansporn zu "Fundraising" und Unternehmensgründungen.

Ich dachte, es handle sich höchstens um ein dreiseitiges Papier, gibt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der LMU zu, der sich zu seinen Aussagen nicht namentlich bekennen möchte. Er ist zu Präsident Bernd Huber eher kritisch eingestellt. "Ich glaube, die wollen den ganz großen Wurf", sagt er. Das heißt unter anderem, wesentlich mehr Macht für die Hochschulleitung, die gewachsene Mitspracherechte verschiedener Gremien einschränkte. "Ich finde wohlwollenden Widerspruch wichtig - vom Ordinarius bis zum Studierenden."

"Ich glaube nicht, dass allen bewusst ist, was da kommt", sagt Margit Weber, Kirchenrechtlerin und seit 14 Jahren Frauenbeauftragte der LMU. In dieser Funktion saß Weber als Expertin bei der Anhörung mit im Landtag. Gut eine Woche danach ist sie nun bestürzt, dass in dem Papier die Gleichstellung nur "unzureichend aufgegriffen" werde. Sie müsse in allen Bereichen spürbar werden, da reiche nicht nur ein Appell, sagt sie. "In Bayern haben wir seit 30 Jahren um die 50 Prozent Studentinnen, an der LMU sogar 60 Prozent." Insgesamt gebe es nur 20 Prozent Professorinnen, eine Präsidentin und nur wenige Vizepräsidentinnen. Sie plädiert seit Langem für paritätische Besetzungen in Präsidien. Gleichstellung müsse im neuen Hochschulgesetz klar als übergeordnete Aufgabe und als Leitprinzip vorgegeben sein, denn nur so bewege sich etwas, sagt sie. "Das würde die Attraktivität von München und Bayern sehr erhöhen." Bei Unternehmen hänge der Erfolg längst davon ab, ob sie gemischte Teams hätten. "Wie wollen wir Spitzenfrauen aus aller Welt anlocken?"

Ein Professor aus ihrem Haus, dessen Name hier ebenfalls nicht erscheinen soll, befürchtet einen weiteren Abbau "kollegialer Leitung" an den Universitäten. Auch er denkt an Firmenstrukturen. "Universitätspräsidenten werden heute so mächtig gemacht wie unter Martin Winterkorn bei VW, was seinerzeit zum Abgasskandal führte." Heute aber werde in erfolgreichen Unternehmen die Macht eher geteilt. Er fühle wachsenden Frust unter seinen Kollegen, weil Veränderungen bislang immer in dieselbe Richtung verliefen.

Kein Wissenschaftler könne heute alleine in seinem Fach einen ausreichenden Überblick über die Forschung haben. Die Besten seien daher die bescheidenen, die sich auf die Meinung ihrer Kollegen stützten. Das Präsidialamt ziehe leider allzu oft Menschen an, die einen Geltungsdrang hätten und nicht zu den besten Wissenschaftlern zählten. Er selbst sei in mehr als 20 Jahren als Professor nie von der Leitung beziehungsweise Verwaltung der Hochschule oder des Ministeriums befragt worden, was seine Forschung und Lehre verbessern könnte.

Ob LMU-Präsident Bernd Huber um Rat gebeten wurde, ist unklar. Er lässt aber unter anderem ausrichten, dass die LMU einer Hochschulreform in Bayern sehr aufgeschlossen gegenüberstehe und großes Interesse habe, sich in den Prozess konstruktiv einzubringen. Wichtige Leitgedanken seien mehr Autonomie, mehr Dynamik und mehr Differenzierung, damit die unterschiedlichen Hochschulen ihr Potenzial voll entfalten könnten. Bei der konkreten Ausgestaltung der Reform seien natürlich noch viele offene Fragen zu diskutieren.

Thomas Hofmann, seit einem Jahr Präsident der TU München, würde sich freuen, seine Expertise miteinbringen zu können, sagt er in einem Telefongespräch. Er sei aber bislang noch nicht gefragt worden. Auch sein Vorgänger Wolfgang Herrmann, der bei der Landtagsanhörung wortreich Antworten gab, habe keine gestalterische Rolle in dem Kontext, sagt Hofmann. Für ihn wichtig ist unter anderem eine Beschleunigung der Berufungsverfahren. Die heutige Praxis, die oft ein Jahr dauere, sei völlig ineffizient, sagt er. Sein Fokus liegt auf lebenslangem Lernen, das auch erwachsene Studierende mit einbezöge, und die Unterstützung von Ausgründungen, wie es die TU bereits macht.

Zur Sorge von Verdi-Landesfachbereichsleiterin Christiane Glas-Kinateder, dass befristete Arbeitsverhältnisse durch die Umwandlung der Hochschulen in Körperschaften, wie es das Eckpunktepapier vorsieht, zunehmen würden, entgegnet Hofmann: "Es braucht Brain circulation." Aber man müsse aufpassen, dass es kein Zuviel an befristeten Verhältnissen gebe. Insgesamt fordert Hofmann deutlich mehr Handlungsspielraum für die Hochschulen.

"Die Perspektive der Hochschulleitung ist nicht zwangsläufig die Perspektive aller Hochschulmitglieder", sagt Maximilian Frank, TU-Student und rühriger Sprecher der Landes-ASten-Konferenz Bayern. Es dürfe nicht nur von oben entschieden werden. Einer stärkeren Eigenverantwortung müsse man einen gesetzlichen Rahmen geben. Wir sehen uns als Korrektiv, sagt er. Gremien seien grundsätzlich kein Gestaltungshindernis.

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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