Lehel:Badespaß im Eisbach mit nervigen Nebenwirkungen

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Südliche Meeresstrände unerreichbar, Freibäder ausgebucht: Der Corona-Sommer hat dem Eisbach ein dickes Plus an Badegästen beschert. Dabei ist der Sprung ins Wasser dort eigentlich fast überall verboten. (Foto: Robert Haas)

Noch mehr Münchner als gewöhnlich suchten diesen Sommer Abkühlung im Eisbach. Anwohner berichten von Dauergeschrei und lebensgefährlichen Aktionen. Sie fordern, das Unterqueren der Brücken zu verbieten.

Von Julian Raff, Lehel

Abgesehen von einigen neoprenumhüllten Surfern hält sich der nasse Spaß im Eisbach momentan in Grenzen, der Corona-Sommer 2020 hat das Gewässer und seine Anrainer allerdings an ihre Grenzen gebracht. Auf konzertierte Anwohnerbeschwerden reagiert deshalb auch der bisher in dieser Sache eher duldsame Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel und ruft an den runden Tisch.

An sich ist der Sprung in den reißenden, kalten Bach seit jeher verboten, eine Ausnahme gilt seit 2010 für die Surferwelle beim Haus der Kunst. Seit jeher drücken aber die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung, Hausherrin im Englischen Garten, sowie die Polizei im Sinne der Liberalitas Bavariae ein Auge zu, wenn die Münchner hier Abkühlung suchen. Dass viele Schwimmer triefnass, halb nackt und natürlich ohne Fahrschein mit der 16er-Tram zurück zum Haus der Kunst fahren, konnte man in den Vorsommern noch halbwegs lustig finden, ehe die Maskenpflicht der Toleranz da ein Ende setzte.

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Mit dem Corona-bedingten Urlaub daheim und dem gedrosselten Zugang zu den Freibädern schwoll nun der Strom der Badenden noch einmal massiv an - und mit ihm der Geräuschpegel. Über tägliches und nächtliches Dauergeschrei von Anfang Mai bis Mitte Oktober beklagen sich vor allem Anwohner rund um die Brücke Oettingen-/Theodorparkstraße, wo der Bach, aus dem Park kommend, ins Wohngebiet fließt. Ein gemessener Lärmpegel von 85 Dezibel wäre dabei lästig genug. Zur regelrechten Belastung werden allerdings "Todesschreie", von denen eine gut vernetzte Anwohnerin im BA berichtete.

Jugendliche machen sich offenbar einen Spaß daraus, sich an den Ketten festzuhalten, die unter der Brücke an der Kaimauer befestigt sind, und Geräusche von sich zu geben, die von oben klingen wie verzweifelte Notrufe. An Straßenlärm könne man sich gewöhnen, so die Anwohnerin, die Schreierei klinge aber wie der Tonstreifen eines Horrorfilms und wirke nicht nur auf Kinder verstörend. An einen Nachmittagsschlaf der ganz Kleinen sei ohnehin nicht mehr zu denken. Zudem mischten sich seit diesem Sommer unschöne bis bedrohliche Töne unter den Lärm. Sie jedenfalls habe "keinen Bock mehr", sich nun auch noch "Sieg Heil"-Rufe und sonstige Naziparolen anzuhören, so die Bach-Anrainerin.

Über 50 Nachbarn haben ihren Appell bisher unterschrieben und sorgen sich, trotz der ständigen Fehlalarme um die Sicherheit der Schwimmer ebenso sehr wie um ihr eigenes Nervenkostüm. Tödliche Unfälle, der letzte Ende Juli 2020, belegen das Risiko. Besonders heikel wird es, wenn Schwimmer oder Personen die aus Versehen ins Wasser geraten, die Eisenleiter vor der Tivolibrücke verpassen. Stromabwärts folgt eine enge, glatte, schwer zu verlassende Betonrinne, unterbrochen von einer Staustufe mit lebensgefährlicher Walze. Die Anwohner fordern daher das Hindurchschwimmen unter den Brücken im Lehel komplett zu unterbinden, die dortigen Ketten zu entfernen und dafür die bequeme, sichere Ausstiegsstelle vor der Brückenquerung der Oettingenstraße auszubauen. Rettungsringe und Wasserwacht-Patrouillen könnten die Sicherheit ebenfalls erhöhen.

Wer unter der Oettingen-Brücke hindurchschwimmt, riskiert außerdem eine potenziell tödliche Kollision, da das Brückengeländer als Sprungturm dient. Eine erhöhte Barriere plus Gefahrenhinweis soll auch diese Gefahr bannen. Da die staatliche Schlösser- und Seenverwaltung dafür mit ins Boot muss, könnte der runde Tisch mit Behördenvertretern und Bürgern etwas längeren Vorlauf erfordern.

© SZ vom 12.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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