Verkehr:Bremse für Tempo-30-Zonen

Lesezeit: 4 min

Viele Kommunen im Landkreis würden gerne den Verkehr beruhigen. Doch sind die Hürden für Tempo-30-Zonen hoch. Die vom Lärm geplagten Anwohner stehen hintan.

Von Daniela Bode

Buxtehude ist bekannt als "Märchenstadt", weil dort auch die Geschichte vom Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel spielt. Am Alten Land gelegen ist die niedersächsische Kommune ein Tor zu einer der schönsten Regionen im hohen Norden. Und dann ist da noch die Sache mit dem Verkehr, die Buxtehude - zumindest unter Fachleuten - zu einer gewissen Berühmtheit verholfen hat: In der Hansestadt wurde im Jahr 1983 die erste Tempo-30-Zone der Republik eingerichtet - gegen wütende Proteste aus der Bevölkerung.

Darüber können sie in Neubiberg, Ober- und Unterhaching etwa 760 Kilometer Luftlinie entfernt im Süden nur den Kopf schütteln. Schließlich hat eine Reduzierung auf Tempo 30 innerhalb der Ortschaften längst ihren Schrecken verloren - vielmehr wünschen sich viele Kommunen auch auf Hauptverkehrsadern solche Zonen. Zuletzt behandelte der Gemeinderat in Neubiberg einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion. Oberhaching und Unterhaching beantragten vor nicht allzu langer Zeit eine solche Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit beziehungsweise die Prüfung für bestimmte Straßen.

ExklusivReform in der StVO
:Dobrindt: Mehr Tempo-30-Zonen in der Stadt

Runter vom Gas! Vor Schulen, Kindergärten oder Altenheimen soll es nach dem Willen des Verkehrsministers künftig mehr Tempolimits geben. Nicht allen geht das weit genug.

Von Markus Balser

Allesamt erfolglos. Zuletzt konnte sich vor drei Jahren die Gemeinde Planegg mit einem derartigen Antrag für einen Teil der Germeringer Straße durchsetzen. Und in Grünwald gilt schon seit fast 20 Jahren auf der großen Oberhachinger Straße zwischen 22 und 6 Uhr das Tempo-Limit. Nun fragen sich etwa die Oberhachinger, warum das in der Nachbargemeinde möglich ist, bei ihnen aber nicht.

Grundlage aller verkehrsrechtlichen Maßnahmen ist freilich die Straßenverkehrsordnung. Und dort steht etwa, dass die Verkehrssicherheit und der Lärmschutz für Anwohner eine Drosselung der Geschwindigkeit rechtfertigen können. Aber jede Reduzierung bedürfe einer Einzelfallprüfung, sagt Christine Spiegel, Pressesprecherin im Landratsamt. Das macht die Sache schon komplizierter.

Gemeindestraßen lassen sich einfacher beruhigen

So müssen verschiedene Aspekte wie die Unfall- beziehungsweise Lärmsituation, die Belange der Verkehrsteilnehmer oder auch die Bedeutung einer Straße für den Verkehr berücksichtigt werden. Bei einer Kreis- oder Staatsstraße, die den Verkehr bündeln und schnell weiterleiten soll, sind die Hürden also deutlich höher als bei einer einfachen Gemeindestraße.

Zur Abwägung, lässt das Landratsamt verlauten, gehöre, dass in manchen Fällen der verständliche Wunsch von Anwohnern nach einer 30er-Zone hinter "den Belangen des fließenden Verkehrs zurückstehen" müsse. Etwa dann, wenn nur sehr wenige Anwohner betroffen sind.

So lässt sich erklären, dass nur auf sehr wenigen höherrangigen Straßen im Landkreis - also Kreis-, Staats- und Bundesstraßen - ein Tempo-Limit 30 existiert. "Unsere Mitarbeiter schätzen, es sind etwas mehr als ein Prozent der höherrangigen Straßen", sagt Spiegel. In den meisten Fällen gilt es nur auf einer Länge von etwa 200 Metern, in manchen etwas mehr. In der Regel wurde das Limit aus Sicherheitsgründen eingeführt, weil sich an diesen Stellen Unfälle häuften, oder es sich um besondere Situationen vor Schulen handelt. Über Tempo-Limits auf Gemeindestraßen führt das Landratsamt indes keine Statistik.

Es mangelt meist an "zwingenden Gründen"

In Neubiberg wünscht sich die SPD-Fraktion, dass auf der gemeindlichen Haupt- und Äußeren Hauptstraße zwischen der Staatsstraße 2078 und der Cramer-Klett-Straße die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/ h reduziert wird. Sie begründete ihren jüngsten Vorstoß mit der höheren Verkehrssicherheit und einer geringeren Lärmbelastung. Der Gemeinderat lehnte den Vorschlag aber ab.

Die Verwaltung nannte diverse Gründe, warum sie das Vorhaben für wenig erfolgreich hält. Zwar hat die Bundesregierung zuletzt beschlossen, die Möglichkeit von Tempo 30 auch im Hauptstraßennetz zu erweitern, wenn es sich um einen Bereich in der Nähe einer schützenswerten Einrichtung wie etwa einer Schule handelt. Das ist nach Ansicht der Verwaltung aber im betreffenden Straßenabschnitt nur vereinzelt der Fall und reicht nicht aus. Bürgermeister Günter Heyland von Neubibergs Freien Wählern verwies auf die "zwingenden Gründe", die das Landratsamt verlange.

Aus Sicht der Verwaltung muss die Verkehrssicherheit auf der Hauptstraße nicht erhöht werden, da es dort keinen Unfallschwerpunkt gibt. Das Rathaus bezog sich auf Auskünfte der Polizeiinspektion 28. Nur in Sachen Lärmschutz sah die Verwaltung Anhaltspunkte, um die Belastung der Anwohner zu überprüfen. Denn das vom Landkreis in Auftrag gegebene Lärmschutzgutachten vom Januar 2015 deutet an, dass an der Hauptstraße an einzelnen Stellen zwischen 22 und 6 Uhr die Grenzwerte überschritten werden.

Nur ein detailliertes Lärmschutzgutachten könnte laut Rathaus Grundlage für ein Tempo-Limit sein. Die Verwaltung aber warnte vor dem finanziellen Risiko, das so ein Gutachten mit sich bringen könne. Denn bevor so ein Gutachten in Auftrag gegeben werden kann, muss die Gemeinde erst prüfen, ob etwa Schallschutzwände die Situation verbessern könnten. Und dann wird es teuer.

Verkehr
:Es geht rund

Kein Stillstand, weniger Unfälle: Im Straßenbau liegen Kreisverkehre im Trend - auch im Landkreis Ebersberg.

Von Max Nahrhaft

Der Gemeinderat aber lehnte ohnehin ab. Auch mit der Stimme von Antonio Melieni von der Studentenvereinigung USU, der befürchtet, dass Autofahrer bei neuen Tempo-30-Zonen auf Wohngebiete ausweichen und dort neuen Verkehr verursachen würden. Er schlug dagegen vor, die Hauptstraße zu sanieren und die Lärmbelastung über Flüsterasphalt abzufangen.

Die Gemeinde Oberhaching war 2014 schon mehrere Schritte weiter als Neubiberg und hatte beim Landratsamt für die Hauptdurchgangsstraße, die Münchner Straße, für die Zeit von 22 bis 6 Uhr ein Tempolimit beantragt. Der Zustand der Straße war damals noch miserabel, Schlaglöcher verstärkten den Krach, Gullideckel klapperten. Zwar war da schon klar, dass die Sanierung der Straße ansteht - sie läuft derzeit -, aber man wollte die Anwohner dennoch entlasten.

60 Dezibel waren zu wenig

Das Oberhachinger Anliegen wurde vom Landratsamt abgelehnt. Lärmberechnungen hatten ergeben, dass der dort zulässige Richtwert von 60 Dezibel, ausgehend von einem allgemeinen Wohngebiet, "an zu wenigen, nämlich zwei relevanten Stellen, überschritten" wurde, wie das Landratsamt mitteilt.

Im Zusammenspiel mit der vorrangigen Bedeutung der Staatsstraße konnte eine nächtliche Geschwindigkeitsbeschränkung nicht angeordnet werden. Die Geräuschbelastung für die Anwohner wird künftig aber auch ohne Tempo-Limit geringer sein, da dort Flüsterasphalt aufgebracht wird.

Die Gemeinde Unterhaching hat erst im Frühjahr beschlossen, das Landratsamt prüfen zu lassen, ob und inwieweit eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Kreis- und Staatsstraßen möglich ist. Die Gemeinde hat dabei die Münchner Straße und die Hauptstraße im Blick. Die Prüfung läuft noch, wie es aus dem Unterhachinger Rathaus heißt.

Planegger Kreisstraße erfüllt Kriterien

Auf einer Kreisstraße hat in jüngster Zeit nur Planegg ein Tempolimit durchsetzen können. Nach einer Probephase ordnete das Landratsamt im Jahr 2013 auf einem Teil der Germeringer Straße für fünf Jahre Tempo 30 an. "Dort hat die Überschreitung der Richtwerte eine Vielzahl von Personen betroffen", sagt Pressesprecherin Spiegel. Gleichzeitig waren auf diesem Straßenabschnitt auch keine baulichen Lärmschutzmaßnahmen wie Schallschutzwände möglich.

Das Beispiel Grünwald hält Spiegel derweil für keinen passenden Vergleich. Denn dort besteht das nächtliche Tempolimit auf der Oberhachinger Straße schon seit fast 20 Jahren. "Es ist unter Anwendung der damaligen Richtlinien und Ermessensspielräume aus Gründen des Lärmschutzes angeordnet worden", sagt sie. Damals musste bei einer Anordnung eines Tempolimits auf einer Kreisstraße noch nicht die übergeordnete Behörde, also die Regierung von Oberbayern, zustimmen. Auch durften nach dem damaligen Recht Tempolimits noch unbefristet angeordnet werden. Wie in Buxtehude.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Untersuchung
:München ist Hauptstadt der Raser

Münchner halten sich deutlich seltener an Tempolimits als Berliner und Kölner. In einem Monat würden sie zusammen ein Bußgeld von fast 1,9 Millionen Euro zahlen.

Von Marco Völklein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: