Abfallwirtschaft:Der Rest vom Fest

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Die Geschenke sind ausgepackt, der Müllberg ist gewachsen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

In der Corona-Pandemie produzieren die Menschen mehr Müll als vorher. Um den Jahreswechsel ist das besonders auffällig - da müssen tonnenweise Elektroschrott, Papier und Altglas entsorgt werden.

Von Angela Boschert und Iris Hilberth, Unterhaching/Ottobrunn

Bergeweise Geschenkpapier, Kartons und Plastikmüll, der Bioeimer voller Speisereste und jede Menge leere Flaschen - das ist der Rest vom Fest. So sieht in vielen Familien die Abfallbilanz nach den Feiertagen aus. Wer allerdings schon einige Tage vor Heiligabend eine Wertstoffsammelstelle in Unterhaching aufgesucht hat, wird sich gefragt haben: Ist Weihnachten schon vorbei? Bis unter die Decke und auf dem Fußboden verteilt türmten sich die Verpackungsmaterialen, die blauen Tonnen für Papier und gelben Behälter für Kunststoff ächzten schier unter der Last, mitunter verschwanden sie auch ganz unter den Müllbergen. Rathaussprecher Simon Hötzl gibt zu: "Da macht sich die Pandemie bemerkbar. Die Leute haben sehr viel online bestellt und den Verpackungsmüll noch vor Weihnachten entsorgt."

Unterhaching hat für die Abfuhr aus dem Wertstoffhäuschen daher den Turnus erhöht. Um mit den Mengen rund um Weihnachten und Silvester klarzukommen, werden die Tonnen jetzt schon täglich geleert, denn auch in dieser Woche türmen sich die Müllberge. Die Umstellung der Frequenz von vier auf alle Werktage pro Woche sollte von 1. Januar an ohnehin erfolgen. Denn insgesamt sind die Abfallmengen in der Gemeinde gestiegen, schließlich ist Unterhaching gewachsen. "Problematisch ist vor allem bei den Verpackungen, dass viele Leute sie nicht zerkleinern. Da sind die Tonnen schnell voll", sagt Hötzl. Oft werden nur die vorderen Tonnen benutzt, die dann schnell überquellen. Die Abfallwirtschaft spürt allerdings auch die Folgen der Corona-Pandemie. Thomas Farkas, Abfallkoordinator im Landkreis München, schreibt im Jahresbericht 2020 von einem Zuwachs an Altglas je nach Region und Monat von bis zu 20 Prozent, bei Plastik und anderen Leichtverpackungen meldet der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) ein Plus von bis zu sechs Prozent.

Überfülltes Wertstoffhäuschen in der St.- Alto-Straße in Unterhaching. (Foto: Sebastian Gabriel)

Das bestätigt das Landratsamt auch kurz vor Ende des Jahres 2021, gibt sich in der Deutung der Zahlen aber noch vorsichtig. Absolut gesehen sei eine Zunahme an Müll zu verzeichnen, insbesondere bei Wertstoffen, Sperrmüll oder Altglas. Problematisch werde das insbesondere beim Restmüll. Dieser werde "thermisch behandelt", sprich verbrannt, und nicht stofflich verwertet. Im Sinne der Ressourcenschonung müsse das Ziel sein, diese Zahl dringend zu reduzieren. Inwieweit die Zunahme der Müllmenge von 2019 auf 2020 auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sei, lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht eindeutig feststellen. "Gegebenenfalls gibt ein Vergleich mit den Zahlen aus 2021, die voraussichtlich im Frühjahr 2022 vorliegen werden, dann näheren Aufschluss darüber", teilt die Behörde mit.

Auf 25 Kilo Plastik bringt es jeder Einwohner des Landkreises durchschnittlich im Jahr

2020 ist im Landkreis eine Gesamtmüllmenge von 166 167 Tonnen angefallen, etwa 6000 Tonnen mehr als im Jahr zuvor. Pro Einwohner waren das im Durchschnitt in diesem ersten Corona-Jahr 143,62 Kilo. Altpapier kamen etwa 27 000 Tonnen zusammen, 77 Tonnen von jedem, ungefähr ebenso viel Bioabfall. Altglas summierte sich auf mehr als 11 000 Tonnen, 32 Kilo pro Landkreisbewohner, der Plastikmüll auf fast 9000 Tonnen und somit 25 Kilo pro Einwohner. Unterhaching liegt da etwa im Landkreisdurchschnitt, beim Glas und Papier ein wenig darüber, bei Verpackungen und beim Biomüll etwas darunter. Auffallend in der Statistik des Landkreises ist die Gemeinde Grünwald, die bei fast allen Abfallsorten außer beim Biomüll die Hitliste anführt.

Dass nun im Dezember wegen Weihnachten besonders viel Müll anfällt, lässt sich zumindest am Beispiel Unterhaching für den Papiermüll auch aus der Statistik herauslesen. Der Dezember war 2020 der einzige Monat, in dem die Menge die Marke von 200 Tonnen überschritten wurde. Hausmüll hingegen (270 Tonnen) sammelte sich nicht mehr an als in einigen Sommermonaten. Der Geschäftsführer des Zweckverbands München Südost mit Sitz in Ottobrunn, Georg Wagner, kann das für die Gemeinden in seinem Bereich bestätigen: Januar und Dezember seien nicht zwingend die "abfallreichsten Monate" im Jahresverlauf, weder beim Restmüll noch beim Biomüll.

Gerade zu Weihnachten fällt auch viel Elektroschrott an, weil sich die Menschen neue technische Geräte schenken. (Foto: Sebastian Gabriel)

Doch landeten an Weihnachten und Silvester bevorzugt Elektrogeräte und Altglas im Müll. "Elektroschrott beginnt ja schon bei der blinkenden Weihnachtskarte und elektronische Geräte werden zu Weihnachten gern verschenkt", teilt er mit. Dennoch sei den Sammelmengen nach Elektroschrott kein spezieller "Weihnachtsmüll". Viele Menschen warteten mit der Entsorgung der Großgeräte vermutlich bis zum nächsten Sperrmülltermin und Handys würden oft jahrelang in Schubladen gesammelt. Spitzenreiter im Januar 2020 seien mit rund 131 Tonnen Altglas und Altpapier gewesen, was der Zweckverband auf Weihnachten und Silvester gemeinsam zurückführt. Sonderschichten der Mitarbeiter in der Abfallentsorgung seien aber nicht notwendig.

Problematisch wird es laut Wagner, wenn nicht sauber getrennt wird. Wenn Glühbirnen, Flachglas, Bleiglas, Keramik, Steingut und Porzellan in der Altglassammlung landen, führt das zu sogenannten "Einschlüssen" in der Glasschmelze und mindert die Qualität des neuen Glases erheblich. "Solche sogenannten Fehlwürfe erschweren eine hochwertige Verwertung und verursachen hohe Anforderungen an Sortieranlagen oder händische Sortierung", mahnt Wagner. Ein besonderes Problem seien auch Batterien und Akkus, die als schadstoffbelasteter Abfall in fast allen Abfallfraktionen vorkämen. Von häufigen Fehlwürfen kann auch Jennifer Elwin von der Verwaltung Unterhaching berichten. In Biotonnen sei sehr viel Plastik, "auch die kompostierbaren Biotüten haben darin nichts zu suchen", teilt sie mit. 2022 bekämen die Biotonnen daher einen Aufkleber mit der Aufschrift "Kein Plastik". Das gehört bekanntlich in die Gelbe Tonne, doch dort findet sich immer wieder auch Kleidung, die da nichts zu suchen hat. Papier werde oft in Plastiktüten entsorgt. Probleme bereitet auch fettiger Karton etwa von Pizza-Verpackungen oder beschichtetes Geschenkpapier. Auch landen noch immer zu viele Wertstoffe in der Restmülltonne.

Weg mit der Tanne: Am Wertstoffhof in Ottobrunn landen die Christbäume im Gartenabfall-Container. (Foto: Claus Schunk)

Dabei können viele Dinge wieder verwendet werden. Aus gebrauchtem Speisefett etwa vom Silvesterfondue kann Biodiesel gewonnen werden. Dazu muss es lediglich gereinigt und sterilisiert werden. Öle und Fette können beim Zweckverband Südost in gebrauchten Verpackungen zum Wertstoffhof gebracht werden, das gilt auch für Reste von Weihnachtskerzen aus Wachs. Christbäume kann man selbst kompostieren, zur Gartenabfallsammlung geben oder ebenfalls in den Wertstoffhof bringen. In Unterhaching sammelt die Gemeinde die ausgedienten Tannen wieder ein. 1549 Bäume waren es im vergangenen Jahr, leider auch oft welche, an denen noch Reste vom Christbaumschmuck hingen, wie Jennifer Elwin feststellte.

"Wir alle sollten weniger Abfall verursachen, denn es wird auf lange Sicht vermutlich nicht reichen, Abfälle nur gut zu trennen", mahnt Wagner. Auch Unterhaching versucht mit der Aktion "Haching packt's o(hne)", die Bürger zu einer bessern Mülltrennung, vor allem zur Abfallvermeidung zu motivieren, und hat einen kleinen Entsorgungsratgeber an alle Haushalte verteilt, der laut Rathaus sehr gut ankommt. Darin enthalten sind einige Gutscheine, etwa für einen Bioabfall-Behälter und ein Gemüsesäckchen, die einen Anreiz zu klimafreundlichem Handeln geben sollen.

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