Taufkirchen:Neuer Anlauf zur Umbenennung der Willy-Messerschmitt-Straße

Lesezeit: 2 min

Die Umbenennung der Willy-Messerschmitt-Straße in Taufkirchen fand 2015 keine Mehrheit im Gemeinderat. (Foto: Claus Schunk)

Die Grünen halten die Ehrung eines tief ins NS-System verstrickten Rüstungsunternehmers mit Blick auf die Ansiedlung der Technischen Universität für endgültig nicht mehr tragbar. Doch Bürgermeister Sander will alles beim Alten belassen.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Die Gemeinderatsfraktion aus Grünen und Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT) nimmt einen neuen Anlauf zur Umbenennung der Willy-Messerschmitt-Straße. Diese ehre einen Mann, der in der NS-Zeit "kein Mitläufer, sondern ein Mittäter" gewesen sei, argumentieren die Parteien in einer Pressemitteilung. Per Antrag fordern sie daher eine Umbenennung des 800 Meter langen Weges auf dem Ludwig-Bölkow-Campus. Statt nach Messerschmitt solle die Straße künftig nach der weltweit ersten Linienflugkapitänin Rita Maiburg heißen.

Mit dem umstrittenen Namen hatte sich der Gemeinderat bereits im Dezember 2015 beschäftigt, als er über die offizielle Widmung der Straße zu entscheiden hatte. Damals sprach sich nach einer hitzigen Debatte eine 14:9-Mehrheit dafür aus, die Benennung nach Willy Messerschmitt beizubehalten - gegen die Stimmen von Grünen, ILT, FDP und zwei Vertretern der SPD.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Im Vorfeld des Beschlusses hatte sich die Airbus-Gruppe, deren Betriebsgelände an der Willy-Messerschmitt-Straße liegt, per Brief ans Rathaus und die Gemeinderatsfraktionen gewandt. Darin stellte der Konzern klar, dass er mit einer Umbenennung "in keinem Fall einverstanden" wäre. "Wenn wir solche Diskussionen wie die über Willy Messerschmitt verfolgen", hieß es damals in dem Schreiben von Airbus, "fragen wir uns, ob wir hier wirklich erwünscht sind."

Bei dem nun eingereichten Antrag rechne man erneut mit Widerstand, sagt Rudi Schwab von den Grünen. Jedoch gibt er sich überzeugt, "dass wir heute eine andere Situation haben - auch inhaltlicher Art". So verweist Schwab auf die Pläne der Staatsregierung, in direkter Nachbarschaft zur Willy-Messerschmitt-Straße einen Campus für die Technische Universität München (TUM) zu entwickeln. "Dadurch erhält die Straßenbenennung eine Repräsentationsfunktion für Taufkirchen", betonen Grüne und ILT. "Generationen von Studierenden und Lehrenden werden den Campus frequentieren und den Standort dabei mit den umliegenden Straßen in Verbindung bringen."

SZ PlusTechnische Universität München
:Dunkle Seiten der Exzellenz-Uni

Noch immer ehrt die Technische Universität NS-Unterstützer mit Doktortiteln und Saalnamen. Studierende gehen jetzt dagegen vor - und die TUM wirkt überrascht.

Von Bernd Kastner

In dem Zusammenhang verweist Rudi Schwab auch auf die kürzlich geäußerte Forderung von Studierenden, den Willy-Messerschmitt-Zeichensaal im Maschinenbau-Gebäude auf dem Campus der TU in Garching umzubenennen. Die Universität versicherte daraufhin in einer Stellungnahme, dass sie auf die Kritik reagieren werde. Bereits 2006 hatte es bei der Eröffnung des U-Bahnhofs Forschungszentrum Proteste gegeben, weil dort auf Vorschlag der Universität zwei Ehrentafeln für Claude Dornier und Willy Messerschmitt angebracht wurden.

Willy Messerschmitt (links) war schon während der NS-Zeit ein bedeutender Flugzeugkonstrukteur. (Foto: Scherl/SZ Photo)

Letzterer, geboren 1898 als Wilhelm Emil Messerschmitt in Frankfurt, war ein bedeutender Flugzeugkonstrukteur und Vorstandsvorsitzender der 1938 gegründeten Messerschmitt AG. Sie zählte zu den wichtigsten Rüstungsbetrieben im Deutschen Reich und setzte von 1943 an im großen Stil KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter bei der Produktion ein. Willy Messerschmitt selbst war bereits 1933 in die NSDAP eingetreten und vom selben Jahr an förderndes Mitglied der SS. 1939 wurde sein Unternehmen als "Nationalsozialistischer Musterbetrieb" ausgezeichnet.

2015 spielten die Grünen Lieder von KZ-Häftlingen vor

"Es ist nach wie vor zynisch", kritisieren Grüne und ILT in ihrer Mitteilung, "eine Straße in unmittelbarer Nähe eines Außenlagers von Dachau im heutigen Ottobrunn nach jemandem zu benennen, der an diesem KZ-System der Entwürdigung, Folterung und Vernichtung von Menschen aktiv beteiligt war und davon finanziell profitierte." Ganz anders bewertet das Bürgermeister Ullrich Sander (parteilos). Er habe "absolut kein Verständnis" dafür, dass die Grünen das Thema Willy-Messerschmitt-Straße erneut in den Gemeinderat brächten. "Ich denke, das ist dem Landtagswahlkampf geschuldet", sagt der Rathauschef.

Sander erinnert sich nach eigenen Worten noch gut daran, wie hoch es herging, als der Gemeinderat Ende 2015 über eine mögliche Umbenennung diskutierte. Damals hängte David Grothe (Grüne) Zitate aus einer Biografie über Messerschmitt an die Wand des Sitzungssaals und spielte auf seinem Laptop das "Lied der Moorsoldaten", das 1933 von Häftlingen im KZ Börgermoor im Emsland geschrieben worden war. Dieses Mal werde es hoffentlich gesitteter zugehen, sagt Sander. Er rechne nicht mit einer großen Debatte, sondern mit Statements der einzelnen Fraktionen. Am 27. Juli steht der Antrag von Grünen und ILT auf der Tagesordnung des Gemeinderats.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTod in der Psychiatrie
:Isar-Amper-Klinikum in Haar im Visier der Ermittler

Nach dem mutmaßlichen Mord an einer Patientin prüft die Staatsanwaltschaft auch den Vorwurf einer fahrlässigen Tötung durch Unterlassen. Der Anwalt der Nebenklage weist auf mehrere Missstände hin.

Von Susi Wimmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: