Auf den ersten Blick mag Saskia Esken nicht wirken wie eine, die auch mal das Gamepad in die Hand nimmt. Eher schon könnte man annehmen, dass sie aus Einsen und Nullen eine neue Computersprache erfindet. Und tatsächlich ist die SPD-Co-Vorsitzende, die an diesem Montag ihren 62. Geburtstag feiert, tief drin in den Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Immerhin ist sie Informatikerin und arbeitete einst in der Softwareentwicklung. Deshalb war es logisch, dass die beiden Landtagskandidaten der Sozialdemokraten für den Landkreis München, Christine Himmelberg und Florian Schardt, die Parteichefin am Donnerstagabend zu einer Informationsveranstaltung mit der Überschrift "Künstliche Intelligenz in Arbeit und Bildung" einluden. Und auch die Tatsache, dass der Austausch online stattfand, passte so gesehen ins Bild.
Allerdings stellt sich die Frage, ob die Resonanz größer gewesen wäre, hätte Esken sich sozusagen in Natura in den Landkreis begeben. Lediglich 30 Zuhörer verfolgten das "Sommergespräch" an den heimischen Rechnern auf Zoom und Facebook. Für den SPD-Kreisvorsitzenden Schardt ist diese Zurückhaltung keine Überraschung: Wegen der Hitze, des nicht ganz einfachen Themas und weil die Vorsitzende nicht ständig in der Öffentlichkeit auftauche wie etwa Bundeskanzler Olaf Scholz oder Verteidigungsminister Boris Pistorius, habe er keineswegs mit einer überbordenden Resonanz gerechnet, sagt Schardt. "Ich denke auch nicht, dass mehr Leute dabei gewesen wären, wenn wir das in Präsenz gemacht hätten." Die Diskussion sei auf Facebook wie in einer Mediathek weiterhin verfügbar, was sich auszahle: Da würden erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit ein paar Hundert Abrufe zusammenkommen.
Wer sich das Gespräch anschaut, dem erklärt Saskia Esken, dass man sich neuen Technologien nicht verschließen dürfe: "Digitalisierung ist ein Versprechen an die Menschheit für Emanzipation und die Vernetzung, sie bietet einen Zugang zum Wissen der Welt." Sie kritisiert "die sintflutartige Verbreitung von Fake News", ebenso die Tatsache, dass Großkonzerne im Netz Monopole besäßen. "Eigentlich sollte die Digitalisierung nicht kommerziellen Interessen dienen, sondern der Demokratie", so Esken.
Himmelberg und Schardt sind während der gut einstündigen Veranstaltung die Stichwortgeber - und Esken postuliert, dass es die Aufgabe der Politik sei, der Künstlichen Intelligenz "Zügel anzulegen". Gerade auf dem Arbeitsmarkt müsse man sich vor den neuen Technologien keineswegs fürchten: "Nach meiner Generation kommt eine, die nur noch halb so groß ist." Da werde die Arbeit bestimmt nicht ausgehen, man könnte aber vor allem "langweilige Tätigkeiten" an die KI abgeben - und das sei doch positiv.
"Wir sind nicht doofer als Amerikaner und Chinesen", sagt die Informatikerin Esken
Überhaupt könne ein Roboter niemals eine menschliche Identität ersetzen, das zeige sich etwa, wenn man sich von Chat-GPT eine Rede schreiben lasse: "Das kann ich zwar von einer Maschine machen lassen, aber meine eigene Sprache und meine eigene Farbe hineinbringen, das kann nur ich." Auch beim Thema Digitalisierung der Bildungslandschaft kennt sich die SPD-Vorsitzende aus. Die dreifache Mutter, die früher stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats Baden-Württemberg gewesen ist, sieht etwa die pädagogischen Erfahrungen aus der Pandemie nicht nur negativ: "Da haben die Lehrkräfte teilweise von den Schülern gelernt, das war schon verrückt." Überhaupt findet Esken: "Wir sind nicht doofer als Amerikaner und Chinesen. Wir haben gute Leute, vor allem in den Unis." Jenseits der Programmiersprache soll das wohl heißen: Dort gibt es viel mehr Einsen als Nullen.